Veranstaltung: | Digitale LDK am 12.-13.12.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | OHNE Anträge ohne Tagesordnungspunkt |
Antragsteller*in: | Franziska Brantner (KV Heidelberg) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 15.11.2020, 16:24 |
V1: Islamismus und Extremismus konsequent bekämpfen
Antragstext
Wir Grüne stellen lehnen jede Form von gewaltbereitem Extremismus ab. Das Ziel
unserer Politik ist, ein Leben in Freiheit und Würde für alle zu ermöglichen.
Die mutmaßlich islamistischen Terroranschläge der vergangenen Monate in Wien,
Nizza, Conflans-Sainte-Honorine und Dresden zeigen erneut: Islamist*innen
bekämpfen unsere liberale Gesellschaft und unsere freiheitlich-demokratische
Grundordnung. Deshalb müssen wir uns jeglichen islamistischen und
extremistischen Bestrebungen konsequent in den Weg stellen. Nach den Anschlägen
von Wien, Nizza, Conflans-Sainte-Honorine und Dresden stehen wir Seite an Seite
- Europa ist solidarisch im Kampf gegen Islamismus und Extremismus und für eine
Meinungsfreiheit, die auch Kritik oder Spott an Religionen umfasst.
Die Religionspolitik in Deutschland muss sich an den religionsfreiheitlichen
Leitplanken des Grundgesetzes mit Religionsfreiheit und weltanschaulich
neutralem Staat, Förderung der religiösen Selbstbestimmung der
Religionsgemeinschaften und Trennung von Staat und Religion orientieren und so
Versuchen entgegentreten, über politische Instrumentalisierung Gesellschaft zu
spalten und Menschen zu radikalisieren.
In Baden-Württemberg haben wir die Sicherheitsbehörden mit drei gezielten
Maßnahmepaketen für die Terrorismusabwehr gestärkt. Aber die Gefahr islamistisch
motivierter Terroranschläge bleibt hoch. Es gibt extremistische Zirkel, die vor
allem aufgrund ihrer Sympathien für islamistischen Gewalttaten einen Schwerpunkt
in der Beobachtungstätigkeit des baden-württembergischen Verfassungsschutzes
bilden. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg muss regelmäßig eine 2-
stellige Zahle von Objekten und Vereinigungen beobachten. Derzeit ist von
deutlich über tausend Anhängern salafistischer Bestrebungen im Land auszugehen,
davon gelten nach Ansicht der Sicherheitsbehörden über 500 als gewaltbereite
Jihadisten. Hinzu kommt eine zunehmende Anzahl von Personen, bei denen die reale
Annahme besteht, dass sie eine schwere islamistisch motivierte Straftat begehen
könnten (sogenannte Gefährder).
Gegenüber dieser Gefahr brauchen wir einen starken und handlungsfähigen
Rechtsstaat. Das geht nur gemeinsam mit den Muslimen, nicht gegen sie. Wir als
Grüne stellen uns konsequent gegen Islamfeindlichkeit und gegen
gesellschaftliche Polarisierung. Anstatt eine Religion an sich zu
stigmatisieren, wollen wir ein breitgefächertes und zielgerichtetes
Maßnahmenpaket aus Bildung, Prävention und juristischer Härte. Dabei sind alle
Instrumente kontinuierlich auf Verhältnismäßigkeit, Rechtsstaatlichkeit und
Wirksamkeit zu überprüfen.
Wir Grüne haben mit den von uns geführten Landesregierungen seit 2011 für eine
Steigerung der Sicherheit in unserem Land gesorgt. Ganz entscheidend sind dabei
wirksame Instrumente für die Sicherheitsbehörden und Ausstiegsberatungen. Diese
reichen von der Früherkennung jihadistischer Gewalttäter über die rechtlichen
und tatsächlichen Voraussetzungen einer intensiven Gefährderüberwachung bis hin
zu Deradikalisierungsmaßnahmen.
Im Jahr 2016 wurde beim Landeskriminalamt eine Stelle zur Früherkennung
jihadistischer Gewalttäter eingerichtet. Ermittlungen gegen Islamisten werden in
engem Verbund zwischen dem LKA und den regionalen Polizeipräsidien geführt. Ein
intensiver behördenübergreifender Informationsaustausch auf Landes- und
Bundesebene, insbesondere im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin (GTAZ),
gilt es zu verstetigen und personell zu stärken. Dabei gilt es, den bundesweiten
Informationsaustausch zu Gefährdern weiter zu verbessern, damit auch einfache
Delikte der Allgemeinkriminalität von Gefährdern bundesweit abrufbar sind.
Die Bekanntheit des webbasierten anonymen Hinweisgebersystems Business Keeper
Monitoring System (BKMS) gilt es zu steigern. Über dieses können Bürger*innen
rund um die Uhr und unter dem Schutz der Anonymität Hinweise zu Personen und
Straftaten für den Bereich des Islamistischen Extremismus/Terrorismus mitteilen.
Gefährder müssen konsequent überwacht werden. Dafür braucht es mehr finanzielle
und personelle Ressourcen. Zur Rückführung Nicht-deutsche Staatsbürger*innen–
sofern rechtsstaatlich möglich und faktisch durchführbar – braucht es
Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. Es braucht außerdem einen Fokus auf
Waffenhandel im Internet - Gefährder dürfen nicht an Waffen gelangen.
Gegen extremistische Organisationen vorgehen: Auch gegen nichtislamistische
extremistische Organisationen mit Verbindungen ins Ausland müssen wir konsequent
vorgehen. Hierzu sind insbesondere auch die Grauen Wölfe („Ülkücü-Bewegung“) zu
zählen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Grauen Wölfe als
rechtsextremistische Ausländerorganisation ein, die "auf einer nationalistischen
und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie" fußt. In den 1970-er Jahren
ermordeten die Grauen Wölfe hunderte Andersdenkenden in der Türkei, insbesondere
ethnische Minderheiten und politisch Linke. Auch in Deutschland, Frankreich und
anderen Ländern verbreiteten die Grauen Wölfe in den vergangenen Jahrzehnten
rassistisches, antisemitisches und anderes menschenverachtendes Gedankengut und
verübten rechtsextreme Terroranschläge und Morde. Daher setzen wir uns im Bund
für eine stärkere Beobachtung und eine Prüfung des Verbots der Grauen Wölfe ein.
In Baden-Württemberg hat allein der größte den Grauen Wölfen zuzurechnende
Verein, die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in
Deutschland e. V. (ADÜTDF), rund 2.200 Mitglieder in ca. 45 Ortsvereinen.
Daneben unterhält die ATIB mehrere Moscheen. Über ihre sehr aktive Jugend- und
Kulturarbeit rekrutieren die Grauen Wölfe Anhänger, insbesondere im Großraum
Stuttgart. Auch in Baden-Württemberg sollten wir daher konsequenter gegen die
Grauen Wölfe vorgehen. Bei nachweislichen Bestrebungen gegen die freiheitlich-
demokratische Grundordnung sind Vereine und Verbände, islamistisch oder
nichtislamistisch, konsequent zu verbieten. Außerdem wollen wir ausländische
Geldflüsse stärker kontrollieren und langfristig unterbinden.
Unser Ziel ist, Gewalt zu verhindern, bevor sie passiert. Radikalisierung
insbesondere junger Menschen muss möglichst früh bekämpft werden. Deshalb muss
die Präventionsarbeit weiter verstärkt werden. Wir müssen alles dafür tun, damit
Menschen nicht in Extremismus, Gewalt und Hass abgleiten. Dafür ist ein
bundesweites Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk nötig, das die Arbeit
von Bund, Ländern und Kommunen sowie Zivilgesellschaft vernetzt und auch
Präventionsmaßnahmen mit Moscheevereinen und muslimischen Gemeinden und
Initiativen einschließt.
In Baden-Württemberg ist das Kompetenzzentrum gegen Extremismus (KONEX) eine
zentrale Anlaufstelle. Die Arbeit des KONEX wollen wir weiter unterstützen. Zur
Eindämmung des Islamismus begrüßen wir es, wenn das KONEX in engem Kontakt mit
Moscheen-Verbänden und muslimisch geprägten Vereinen steht. Insbesondere die
Online-Tätigkeit sollte ausgebaut werden, um die Propaganda von jihadistisch-
islamistisch geprägten Bewegungen zu bekämpfen. Gleichzeitig sollen offline
niedrigschwellige sozialarbeiterische Betreuungsangebote ausgebaut werden. Hier
möchten wir v.a. die Einstellung von Islamwissenschaftler*innen und Islamischen
Theolog*innen fördern. Präventionsangebote sind auszubauen und zielgerichtete
auf junge Menschen zuzuschneiden: insbesondere das Präventionsprojekt ACHTUNG?!
an Schulen. Eine Werbekampagne zur Ausstiegsberatung ist aufzusetzen. Darüber
hinaus soll das, dem KONEX angehörende, Landesbildungszentrum Deradikalisierung
verstärkt Fortbildungen für Lehrer*innen gestalten.
Das Programm „Polizei und Muslime“, welches auf muslimisch geprägte
Organisationen zugeht mit dem Ziel der interkulturellen Öffnung der Polizei, der
Kontaktförderung muslimischer Communities mit der Polizei und der Integration
dieser Vereinigungen in bestehende Netzwerke der Kommunalen Kriminalprävention
gilt es sowohl personell als auch finanziell zu stärken.
Wir wollen die Identifikation von Muslim*innen mit den Werten einer freien,
toleranten und vielfältigen Gesellschaft stärken. Schlüsselfiguren bei der
Integration von Muslim*innen sind Imame, aber auch Lehrer*innen für den
islamischen Religionsunterricht. Hierfür ist ein Studium der islamischen
Theologie Voraussetzung, welches in Baden-Württemberg die Universität Tübingen
anbietet. Es ist im Sinne einer vernünftigen Integrationspolitik, dass
islamische Religion an Schulen grundgesetzkonform vermittelt wird – und auch
Islamismus thematisiert. Die Ausbildung von Lehrer*innen für den islamischen
Religionsunterricht soll in diesem Sinne weiter gefördert werden. Dabei muss der
Einfluss aus dem Ausland politisch gesteuerter Vereine sukzessiv zugunsten in
Deutschland selbstbestimmter organisierter islamischer Religionsgemeinschaften
zurückgedrängt werden.
Die meisten Imame in Deutschland sind aus dem Ausland entsandte Geistliche. Ihre
Loyalität gehört oftmals ausländischen staatlichen Stellen, die zumeist auch
arbeitsrechtlich ihre Arbeitgeber sind und nicht etwa eine juristische Person in
Deutschland. Das steht in einem Spannungsverhältnis zum Schutz des religiösen
Selbstbestimmungsrechtes von Religionsgemeinschaften im Grundgesetz.
Wer in Deutschland als Imam predigen will, sollte in Deutschland eine
vergleichbare Ausbildung durchlaufen wie bei den Geistlichen der beiden großen
Kirchen oder der jüdischen Gemeinschaft. Das wollen wir fördern. Das beinhaltet
ein abgeschlossenes Studium der islamischen Theologie sowie eine darauf
aufbauende Ausbildung als Geistlicher. Wir wollen eine von Staaten wie der
Türkei unabhängige Ausbildung von Imamen auf deutscher Sprache und auf dem Boden
unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Unter diesen Rahmenbedingungen
setzen wir uns für eine staatliche Förderung ein, denn sie dient dem Kampf gegen
Islamismus und verringert den ausländischen Einfluss in deutschen
Moscheegemeinden.
Wir wollen den Dialog mit Moscheen stärken und Integrationsbemühungen mehr
unterstützen. Die Förderung hat auch das Ziel, den Einfluss islamitischer
Strukturen aus anderen Ländern auf hiesige Moschee-Gemeinden zu verringern. Die
Förderung von Vereinen, die Integration behindern, ist zu überprüfen und bei
Bedarf zu stoppen.
Um Islamismus und Extremismus erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir die
Koordination und den Informationsaustausch zwischen den Bundesländern, zwischen
Ländern und Bund und zwischen den EU-Mitgliedsländern verbessern. Diese
Zusammenarbeit muss insbesondere auf eine verbesserte Gefährder-Überwachung
zielen.
Extremist*innen und Terrorist*innen agieren in vielen Fällen über Grenzen
hinweg. Auf europäischer Ebene braucht es deshalb eine gemeinsame Definition des
Gefährder-Begriffs, um eine engmaschige Kooperation der Mitgliedsländer zu
ermöglichen. Es braucht ein Europäisches Kriminalamt mit eigenen
Ermittlungsteams und eine Stärkung des Europäischen Polizeiamts (Europol) und
der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO).
Unterstützer*innen
- Cem Özdemir (KV Stuttgart)
- Hans-Ulrich Sckerl (KV Neckar-Bergstraße)
- Ina Schultz (KV Sigmaringen)
- Thomas Zawalski (KV Ortenau)
- Konrad Walter (KV Stuttgart)
- Lukas Weber (KV Heidelberg)
- Sebastian Schäfer (KV Esslingen)
- Alexandra Alth (KV Alb-Donau)
- Lysander-Noel Liermann (KV Ludwigsburg)
- Danyal Bayaz (KV Kurpfalz-Hardt)
- Julian Dietzschold (KV Heidelberg)
- David Vaulont (KV Freiburg)
- Uwe Janssen (KV Esslingen)
- Chantal Kopf (KV Freiburg)
- Wolfgang Dürrenberger (KV Biberach)