Veranstaltung: | Digitale LDK am 12.-13.12.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP5.2 Grün wählen und Baden-Württemberg erhalten |
Antragsteller*in: | Annette Kosakowski |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.12.2020, 15:26 |
Antragshistorie: | Version 1 |
K3NEU: Unsere ländlichen Räume ökologisch und lebenswert weiterentwickeln
Antragstext
Kapitel 3: Ländlicher Raum, Landwirtschaft und Tierschutz
Unsere ländlichen Räume ökologisch und lebenswert weiterentwickeln
Dörfer und kleine Städte, die allen Menschen in ihrer ganzen Vielfalt eine
Heimat sind; Orte, an denen auch junge Menschen, Berufseinsteiger*innen, Frauen
und Familien ein Zuhause und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen finden: Das ist
unsere Vision für attraktive und lebenswerte ländliche Räume in Baden-
Württemberg. Wir Grüne stehen für eine naturverträgliche Landwirtschaft, die
Tiere artgerecht hält und das Klima schützt. Für eine Landwirtschaft, die ihren
Beschäftigten ein Auskommen bietet, das dem Wert ihrer Arbeit entspricht. Der
von der Europäischen Kommission formulierte Europäische Green Deal, die Farm-to-
Fork Strategie und die Biodiversitätsstrategie weisen in die richtige Richtung.
Die darin formulierten Ziele tragen dazu bei, unsere ambitionierte grüne
Agrarpolitik in Baden-Württemberg umzusetzen. Es gilt nun im Rahmen der
Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, die Leistungen der Bäuerinnen
und Bauern für Klima- und Naturschutz sowie für den Erhalt der Biodiversität
fair zu honorieren und so das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche
Leistungen“ konsequent umzusetzen.
Grüne Politik für ländliche Räume hat in Baden-Württemberg Wurzeln geschlagen.
Wir sind mit unserer Holzbau-Offensive das innovativste Holzbauland in
Deutschland. Wer seine wertvollen Streuobstbäume pflegt, wird hierzulande mit
einer Prämie belohnt. Vielerorts sprießen innovative, generationenübergreifende
Wohnprojekte aus dem Boden. Die Mittel für eine ordentliche Daseinsvorsorge auf
dem Land – vom Dorfladen bis zum Gasthaus – haben wir verdoppelt. In Baden-
Württemberg werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut und auch
nicht zu Forschungszwecken ausgesetzt: Unser Qualitätszeichen Baden-Württemberg
zeichnet nur Lebensmittel aus, wenn sie frei von Gentechnik sind – in Anbau und
Fütterung. Damit kommen wir dem Wunsch von Erzeuger*innen und Verbraucher*innen
nach: Baden-Württemberg bleibt gentechnikfrei!
Seit wir Grüne im Land in der Regierungsverantwortung stehen, hat sich der
Anteil des Ökolandbaus verdoppelt. Das wollen wir fortführen: Bis 2030 streben
wir einen Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche von mindestens 40
Prozent an. Die Menschen in Baden-Württemberg haben mit dem Volksbegehren zum
Schutz der Artenvielfalt gezeigt, wie elementar wichtig eine naturverträgliche
Landwirtschaft ist. Als echte Gemeinschaftsleistung von Politik, Naturschutz und
Landwirtschaft wurde im Anschluss ein Beteiligungsprozess gestaltet, aus dem das
Gesetz zur Stärkung der Biodiversität hervorgegangen ist. Eine Blaupause, die
deutlich zeigt: Landwirtschaft und Naturschutz sind keine Gegenspieler – sie
sind nur als Partner stark. Wir haben den Weg zu einer Landwirtschaft
eingeschlagen, die verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht und gesellschaftlich
wieder Wertschätzung erfährt. Umweltverträglichkeit und Biodiversität in der
Agrarlandschaft und die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Landwirt*innen
sind uns sehr wichtig. Damit haben wir einen Transformationsprozess in der
Landwirtschaft angestoßen, der einmalig in Deutschland ist.
Und doch: Die Herausforderungen bleiben riesig. Die Lebensmittelpreise in
Deutschland sind extrem niedrig. Der enorme Preisdruck führt zu Dumpinglöhnen
und verursacht zum Teil unhaltbare Zustände in der landwirtschaftlichen
Tierhaltung und Schlachtung. Die Land- und Forstwirtschaft sieht Jahr für Jahr
an ihren eigenen Äckern und Wäldern: Das Klima erhitzt sich. Die Folgen sind
auch bei uns Dürren, Stürme, Überschwemmungen. Land- und Waldwirtschaft stehen
vor echten Herkulesaufgaben und müssen sich dem Klimawandel anpassen. Mit
unserer grünen Agrarpolitik wollen wir eine konsequente Reduktion von
Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffüberschüssen aus Düngung. Der
Lebensmittelverschwendung sagen wir den Kampf an. Es gilt, die Daseinsvorsorge
im ländlichen Raum zu sichern und ihn weiter als attraktiven Lebens- und
Arbeitsraum zu stärken.
Höfesterben entgegenwirken, Preisdumping bekämpfen
Baden-Württemberg hat eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Das ist zugleich
Chance und enorme Herausforderung. Ganze 80 Prozent der bäuerlichen Betriebe
werden im Nebenerwerb geführt. Das Wirtschaften auf dem Hof muss ein stabiles
Einkommen und Zufriedenheit bringen, damit die Hofnachfolge nicht zum echten
Problem wird. Wir werden eine Strategie erarbeiten, um die Hofnachfolge vor
allem auf kleineren und Nebenerwerbsbetrieben zu unterstützen – insbesondere
durch Beratung. So wollen wir dem Höfesterben entgegenwirken. Um der
fortschreitenden Klimakrise zu begegnen, brauchen wir spezielle
Anpassungskonzepte für alle Betriebstypen.
In der Landwirtschaft gibt es zahlreiche Zielkonflikte, die es zu lösen gilt: Um
effizient zu wirtschaften, müssen die Bäuerinnen und Bauern möglichst hohe
Erträge erzielen. Gleichzeitig aber sollen das Grundwasser, die Böden und die
Vielfalt der Arten keinen Schaden nehmen – das geht nur, wenn Weizen, Milch und
Fleisch einen angemessenen Preis haben.
Die moderne, krisensichere Landwirtschaft prägt auch in Zukunft unsere
ländlichen Räume. Sie arbeitet ressourcenschonend, naturverträglich und
orientiert sich mit ihren Prinzipien Tiergerechtigkeit, Gentechnikfreiheit und
Freiheit von synthetischen Pestiziden am Leitbild der ökologischen
Landwirtschaft. Nutzen wir die Chance, die uns unsere bäuerlich strukturierte
Landwirtschaft bietet. Wir wollen, dass Baden-Württemberg zum Vorreiter bei
tiergerechter Landwirtschaft wird. Unser Motto heißt: Klasse statt Masse! Wenn
wir Fleisch essen, dann von Tieren, die in der Region artgerecht aufwachsen, die
Platz im Stall, Tageslicht und frische Luft haben. Wir wollen Zweinutzungsrassen
fördern und damit auch das Kükenschreddern und -vergasen beenden. Einen Baustein
bildet hier die Förderung von mobiler und Weideschlachtung. Unser Ziel ist eine
Tierhaltung, bei der Geburt, Aufzucht und Schlachtung in der Region stattfinden.
Landwirt*innen, die bereit sind, mehr in Tierschutz zu investieren oder
intensive Tierhaltung zu reduzieren, wollen wir dabei unterstützen.
Grund und Boden sind knapp und werden immer teurer. Das macht unseren Betrieben
das Leben zunehmend schwer. Hinzu kommt die Konkurrenz auf dem Bodenmarkt durch
außerlandwirtschaftliche Investor*innen. Damit der Boden dauerhaft in den Händen
der Bäuerinnen und Bauern bleibt, überprüfen wir unser
Agrarstrukturverbesserungsgesetz und setzen nötige Anpassungen um.
Wir lassen nichts unversucht, um den Druck auf unsere Flächen zu verringern und
intelligente Lösungen für zusätzliche Einkommen in der Landwirtschaft zu finden.
Agro-Photovoltaik ermöglicht einen nahezu uneingeschränkten Anbau von
Lebensmitteln bei gleichzeitiger Stromerzeugung auf der Fläche. Diese effiziente
Nutzung von Fläche soll mit uns in Baden-Württemberg in Serie gehen. Gerade in
Sonderkulturen sehen wir große Chancen für Landwirtschaft und Klimaschutz. Eine
zweite anzustrebende Form der Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen
sind Agro-Forst-Systeme: Forstflächen in Kombination mit Ackerkulturen oder
Weidetierhaltung. Wir wollen Landwirt*innen finanziell bei den hohen
Erstinvestitionen für Agro-Forst-Systeme unterstützen. Die Landwirtschaft der
Zukunft braucht innovative, klimaschonende und biodiversitätsfördernde Methoden.
Sie braucht Bildung, Ausbildung und Beratung, die Ökolandbau,
Ressourceneffizienz und Naturschutz umfasst. Daher müssen Lehrpläne angepasst
und Lehrkräfte geschult werden.
Ein neuer Gesellschaftsvertrag: Landwirtschaft und Naturschutz ziehen an einem
Strang
Unsere Bäuerinnen und Bauern sichern unsere Nahrung und erhalten unsere
einzigartige Kulturlandschaft. Wir wollen unsere bäuerliche Landwirtschaft und
unsere Natur erhalten und stärken. Dazu braucht es ein gemeinsames Verständnis
aller Beteiligten, wie das funktionieren kann und wer welchen Beitrag leistet.
Wir wollen einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft und
Naturschutz auf den Weg bringen und dabei auch die Lebensmittelindustrie und die
Verbraucher*innen einbeziehen. Alle müssen ihren Beitrag dazu leisten, dass sich
Landwirtschaft wieder lohnt und die Leistungen der bäuerlichen Betriebe
angemessen bezahlt werden. Wenn ein Kalb billiger ist als eine Handyhülle, dann
läuft etwas schief! Hier ist nicht nur die Politik gefragt, sondern alle, die an
der Wertschöpfungskette beteiligt sind: Auch der Handel und die
Verbraucher*innen müssen mit ins Boot. Wir sehen in einem solchen Vertrag eine
große Chance für fruchtbare Kooperationen zwischen Stadt und Land, Handel,
Verarbeiter*innen, Handwerk und Erzeuger*innen. Diesen Dialog und seine
Umsetzung werden wir mit aller Kraft angehen!
Agrarförderung des Landes konsequent auf Nachhaltigkeit ausrichten
Neben der Preisgestaltung für Lebensmittel wird die Agrarförderung auch
weiterhin ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer umfassend nachhaltigen
Landwirtschaft sein. Wir setzen darauf, die Agrarförderung im Land auch in
Zukunft konsequent nachhaltig auszurichten. Dazu wollen wir die Ausstattung der
Förderprogramme FAKT und LPR weiter erhöhen. Eine generationengerechte
bäuerliche Landwirtschaft sorgt für gesunde Lebensmittel, schützt unser Klima,
erhält die Artenvielfalt und pflegt unsere Kulturlandschaft. Bäuerinnen und
Bauern sind unsere Partner*innen, wir werden daher auch ohne zusätzliche EU-
Mittel in diesen Bereich investieren.
Eine eigene Tierschutzstrategie für Baden-Württemberg
Wir streben eine eigene Tierschutzstrategie für Baden-Württemberg an. Die
Förderprogramme in der Landwirtschaft sollen daran ausgerichtet werden, dass
eine Förderung nur erfolgt, wenn deutlich höhere Tierschutzstandards erfüllt
werden. In Baden-Württemberg wollen wir den Ausstieg aus dem Tierversuch
einleiten. Dazu braucht es einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft, bei dem
die gesetzlichen Regelungen nicht mehr länger an der Logik des Tierversuchs
ausgerichtet werden. Wir wollen die Professuren zur Entwicklung und Anwendung
von Alternativen zu Tierversuchen ausbauen. Hierfür unterstützen wir sowohl die
Entwicklung als auch die praktische Umsetzung von Alternativmethoden, die zum
Beispiel auf digitalen Systemen und Künstlicher Intelligenz basieren, und wollen
die Landesförderung in diesem Bereich ausbauen. Mit den beteiligten Unternehmen
und Hochschulen wollen wir einen Maßnahmenplan mit dem Ziel erstellen,
Tierversuche um zunächst 50 Prozent zu reduzieren.
Ob mobile Schlachteinheit, Hofschlachtung oder Schlachthof: Die Schlachtung in
Baden-Württemberg wollen wir flächendeckend anbieten und dafür ein Konzept
erstellen und umsetzen. Wir wollen eine lückenlose Überwachung der
tierschutzrelevanten Bereiche der Schlachtung und dazu digitale Systeme nutzen.
Eine verbindliche Zulassungspflicht für Betäubungsgeräte muss eingeführt werden.
In einem Masterplan erarbeiten wir eine Strategie zum Verzicht auf
Tiertransporte von mehr als 200 Kilometer. Eine neue Taskforce „Tiertransporte“,
in der Teams aus Veterinärbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft
zusammenarbeiten, soll Verstöße bei Tiertransporten konsequent ahnden. Wir
wollen Notversorgungsstellen in Baden-Württemberg einrichten, wo Tiere bei
Feststellung von Verstößen untergebracht werden können und nicht unter
tierschutzwidrigen Umständen weitertransportiert werden müssen.
Bei der Haltung von Tieren in Privathaushalten sind mehr Aufklärung und Beratung
für tiergerechte Haltungsformen notwendig. Wir setzen uns dafür ein, dass
Tierschutz bei Haustieren gestärkt wird, und wollen uns im Bundesrat für eine
Tierschutz-Heimtierverordnung stark machen.
Kühe auf die Weide! Das hilft dem Klima und trägt zum Erhalt unserer
Kulturlandschaft bei. Weidende Kühe sind mehr als nur nett anzusehen. Sie sind
Landschaftspflegerinnen, erhalten Biodiversität und leisten auch einen wichtigen
Beitrag für den Klimaschutz. Die nachhaltige Beweidung von Grünland fördert die
Humusbildung. Und humusreicher Boden macht vor allem eines – er speichert CO2.
Daher wollen wir die nachhaltige Weidetierhaltung verstärkt fördern. Das freut
nicht nur die Kuh, sondern auch den Boden, die Biodiversität und das Klima – und
damit auch uns und die, die nach uns kommen!
Die Schäferei schafft einzigartige Landschaften, sorgt für beste Lebensmittel
und bewahrt ein wertvolles kulturelles Erbe. Wacholderheiden und Kalkmagerrasen
sind auf Schäfer*innen angewiesen. Denn sie erzeugen mit Schafen und Ziegen
nebenbei unsere artenreichsten Landschaften – trotz sinkender Erlöse,
Nachwuchssorgen und Billigkonkurrenz aus Übersee. Ihren Beitrag zur Sicherung
der Artenvielfalt wollen wir noch stärker belohnen und neue Märkte fördern.
Wir halten Baden-Württemberg gentechnikfrei
Agro-Gentechnik wollen wir weder auf unseren Tellern noch auf unseren Äckern, in
unseren Wäldern oder im Futter unserer Tiere – das gilt sowohl für hier
produzierte als auch für importierte Produkte. Deshalb nutzen wir konsequent
alle landespolitischen Spielräume, um Baden-Württemberg gentechnikfrei zu
halten. Neue gentechnische Verfahren müssen – wie alle anderen Technologien auch
– mit Blick auf ihre Chancen, Risiken und ökologischen sowie sozioökonomischen
Folgen umfassend auf wissenschaftlicher Grundlage bewertet werden. Wir halten
bei den neuen gentechnischen Methoden am strengen Zulassungsverfahren und am
europäisch verankerten Vorsorgeprinzip fest. So hat es auch der Europäische
Gerichtshof 2018 bestätigt. Die Zulassung und Freisetzung von Gene-Drive-
Organismen lehnen wir wegen der enormen ökologischen Tragweite und generellen
Unumkehrbarkeit grundsätzlich ab. Wir unterstützen ein weltweites Moratorium der
Freisetzung von Gene-Drive-Organismen.
Gesunde Lebensmittel – regional erzeugt und klar gekennzeichnet
Unsere Ernährung und unser Konsumverhalten haben Auswirkungen auf Umwelt und
Klima. Wir wollen gesundes Essen ohne Pestizide, klimaschonend, regional,
ökologisch und fair produziert. Die Förderung pflanzlicher Ernährung sowie die
Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Verpackungsmüll sind Bausteine
einer nachhaltigen und klimafreundlichen Ernährungsweise.
Baden-Württemberg als Genussland steht für gute und gesunde Lebensmittel. Das
wollen wir ausbauen. Deswegen stärken wir unsere regionalen
Lebensmittelerzeuger*innen. Die Landesverwaltung wird Vorbild: Wir wollen die
landeseigenen Kantinen und Mensen auf regionale Kost umstellen und hier den Bio-
Anteil auf 30 Prozent bis 2025 und auf 100 Prozent bis 2030 steigern. Die
Umstellung der Kantinen in Gemeinden, Kreisen und privatwirtschaftlichen
Betrieben sowie den Aufbau der erforderlichen Wertschöpfungsketten wollen wir
gezielt fördern. Fleisch aus Weidetierhaltung und Saft aus Streuobst soll ebenso
ins Angebot. Außerdem sollen auch Kantinen in öffentlichen Einrichtungen jeden
Tag eine vollwertige vegane bzw. vegetarische Alternative anbieten sowie den
Anteil an regionalen und biologisch erzeugten Lebensmitteln erhöhen. Das Land
soll Flächen naturschutzgerecht bewirtschaften. Die landeseigenen Domänen und
Flächen wollen wir auf biologische Bewirtschaftung umstellen. Das örtliche
Handwerk wie Bäckereien und Metzgereien sind zentrale Partner für hochwertige
Lebensmittel aus der Region.
Ökologische Lebensmittel sollen für alle Menschen zugänglich sein, auch für
Menschen in Alten- und Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen, Kinderheimen,
Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen.
Wir wollen unseren erfolgreichen Ökolandbau weiter ausbauen – und dafür die Bio-
Musterregionen um weitere ergänzen und sie zu Bio-Landschaften weiterentwickeln.
Außerdem fördern wir Projekte der Solidarischen Landwirtschaft als eine faire,
partnerschaftliche und alternative Form der Produktion von Lebensmitteln. Die
aktuelle Pandemie zeigt uns, wie anfällig globale Handelsströme sind. Wir wollen
uns bei Lebensmitteln unabhängiger machen und streben mehr Obst- und Gemüseanbau
an. Das garantiert kurze Wege vom Feld auf den Tisch – aus der Region, für die
Region. Der Fokus liegt dabei auf ökologischem Anbau. Bislang erzeugen wir nicht
einmal die Hälfte des Obsts und Gemüses, das wir verbrauchen, selbst.
Baden-Württemberg mit seiner Genuss-Landschaft soll – gemeinsam mit seinen
Nachbarregionen – Europas Feinkostladen werden. Im Angebot: erstklassige und
fair produzierte Lebensmittel und – ganz nach dem Wunsch der überwiegenden
Mehrheit der Erzeuger*innen und Verbraucher*innen – selbstverständlich frei von
Gentechnik. Hier wollen wir mit unseren Nachbarregionen kooperieren und zur
europäischen Spitze gehören sowie das Europäische Netzwerk gentechnikfreier
Regionen weiter ausbauen.
Verbraucher*innen haben Macht. Diese Macht können sie aber nur ausüben, wenn sie
den Produkten auch ansehen, ob diese ihren Ansprüchen bei der Herstellung
gerecht werden. Hier klafft eine riesige Lücke. Von der Kennzeichnung der
Regionalität über nachhaltig produzierten Wein aus den
kulturlandschaftserhaltenden Steillagen bis hin zur klaren Kennzeichnung der
Haltungsform auf der Fleischpackung: Derzeit ist es richtige Detektivarbeit,
nachhaltig einzukaufen. Was wir dringender denn je in Deutschland brauchen, ist
eine einheitliche, transparente Kennzeichnung von Lebensmitteln, Produkten und
Dienstleistungen nach Herkunft und Qualität. Alle wichtigen Informationen
sollten den Verbraucher*innen leicht zugänglich sein.
Im Bund wollen wir eine Initiative „Verlässliche Lebensmittelkennzeichnung“ auf
den Weg bringen. Es braucht eine Kennzeichnung, die gesetzlich verpflichtend ist
und Produkteigenschaften wie Tierhaltung, Regionalität, vegetarisch, vegan oder
fair umfasst. Nur so können die Verbraucher*innen die Herstellungsbedingungen
unterstützen, die sie sich wünschen. Zusammen mit Wirtschaft und Handel wollen
wir eine Strategie entwickeln, um die Lebensmittelverschwendung in den nächsten
zehn Jahren zu halbieren.
Wir wollen Informations- und Beratungsangebote für Verbraucher*innen sichern und
fördern sowie die notwendige Transparenz herstellen, die einen
eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Konsum ermöglicht. Im Mittelpunkt
steht dabei die Verbraucherzentrale, deren analoges und digitales Beratungsnetz
wir ausbauen wollen. Eine verbraucherpolitische Strategie des Landes soll als
Kompass dienen. Unser Ziel ist es, behördliche Verbraucherinformationen künftig
noch einfacher verbrauchergerecht und transparent abrufen zu können. Das
Internetportal zur gesetzlichen Verbraucherinformation wollen wir entsprechend
überarbeiten.
Weinland Baden-Württemberg: Qualität bewahren, Pestizide reduzieren
Unser Land ist für Spitzenweine bekannt. Aber die Klimakrise fordert auch den
Weinbau heraus. Deshalb ist es uns wichtig, ihn in das Aktionsprogramm der
Landwirtschaft einzubeziehen. Der Weinbau muss eine Strategie entwickeln, wie er
sich den Folgen der Klimakrise anpassen kann. Ein wichtiges Augenmerk soll auf
dem Umgang mit Trockenheit liegen.
Auch der Weinbau soll seinen Beitrag leisten, die Umweltbelastung durch
Pestizide zu reduzieren. Das wollen wir durch bessere Beratung und effektive
Förderung von biologischen und anderen, nicht-chemischen Pflanzenschutzverfahren
wie zum Beispiel dem Pheromon-Dispense-Verfahren erreichen. Ebenfalls wichtig
ist es, das Marketing für pilzresistente Rebsorten, sogenannte Piwis, zu
fördern. Da es gute mechanische Alternativen für die Unkrautvernichtung gibt,
wollen wir den Glyphosateinsatz im Weinbau zurückdrängen. Die richtige
Sortenwahl hilft. Sorten, die gegen Pilze resistent sind, benötigen keine
Spritzmittel dagegen. Deshalb wollen wir diese Sorten bei den Verbraucher*innen
bekannter machen. Auf unsere drei Staatsweingüter sind wir stolz. Wir wollen sie
zügig auf eine biologische Bewirtschaftung umstellen und damit Vorbild sein. Und
auch bei der Staatsbrauerei Rothaus soll es Bio-Bier geben!
Auch die Streuobstwiesen in unserem Land sind wahre Schätze. Im
Streuobstparadies am Albtrauf liegt der größte zusammenhängende Streuobstgürtel
Europas. Um ihn und andere solche Gebiete zu erhalten, wollen wir gemeinsam mit
den Kommunen eine Strategie entwickeln. „Streuobst aus BW“ soll zu einer
einheitlichen Marke entwickelt und offensiv beworben werden. Den Ausbau der
Streuobstbestände wollen wir auch mit Landesmitteln weiter fördern. Unser Ziel
ist es, den Streuobstbestand zu erhalten und auszubauen.
Widerstandsfähige Waldökosysteme statt Monokulturen
Baden-Württemberg ist Waldland. Doch unser Wald ist bedroht, besonders durch die
Klimakrise. Das neue Waldsterben ist vielerorts schon deutlich sichtbar. In
ganzen Landstrichen vertrocknet der Wald oder ist so geschwächt, dass Schädlinge
und Krankheiten verheerende Schäden anrichten. Die Bäume, die vor Jahrzehnten
oft in Monokulturen gepflanzt wurden, sind den Dürresommern nicht gewachsen.
Dabei ist der Wald neben Mooren und Grünland unser wichtigster
Kohlenstoffspeicher. Wir müssen jetzt die Aufgabe angehen, den Wald und seine
Bewirtschaftung umzugestalten. Und zwar so, dass widerstandsfähige
Waldökosysteme entstehen. Nur dann bringen sie den nachfolgenden Generationen
Erlöse ein. Ebenso gilt: Die Landwirtschaft, der Obst- und Weinbau müssen sich
auf immer häufigere wetterbedingte Schäden einstellen und ihren Anbau anpassen.
Gleichzeitig müssen sie ihr Klimaversprechen einlösen und den Ausstoß von
schädlichen Triebhausgasen verringern.
Der Waldbau der Zukunft wird der Dauerwald sein, der naturnah angelegt ist und
nachhaltig bewirtschaftet wird. Wälder, die sich naturnah entwickeln können,
sind besser gegen Austrocknung, Stürme, Brände und Schädlingsplagen gewappnet
als Nadelholz-Monokulturen. Deshalb wollen wir den Waldumbau insbesondere im
Kleinprivatwald weiter vorantreiben und unterstützen – hin zu artenreichen
Mischwäldern und naturnaher Waldwirtschaft. Die Naturverjüngung mit heimischen
Laubbaumarten muss dabei Vorrang haben. Dafür sind angepasste Wildbestände zur
Reduktion des Wildverbisses nötig. Wir werden prüfen, in welchem Maße der
öffentliche Wald – Staatswald und kommunaler Wald – seiner Vorbildfunktion in
Sachen Nachhaltigkeit tatsächlich gerecht wird und wo Verbesserungen nötig sind.
Die FSC- oder Naturland-Zertifizierung soll dabei das flächendeckende
Nachhaltigkeits-Siegel und damit das Gütekriterium für unseren Wald sein.
Die Zukunft des Waldes hängt auch von gut aus- und weitergebildeten Menschen ab,
die den Waldumbau voranbringen. Das Land soll auch über 2021 hinaus 100
Ausbildungsplätze für Forstwirt*innen finanzieren: für eine klimapositive
Forstwirtschaft. Wir setzen die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz von ForstBW
konsequent um.
Das Landeswaldgesetz wollen wir optimieren, um den Erholungswert des Waldes zu
stärken und Standards für eine schonende Bewirtschaftung zu setzen. Wir wollen
die Jagd gemeinsam mit Wissenschaft, Jagdverbänden, Natur- und Tierschutz zu
einem ökosystemorientierten Wildtiermanagement weiterentwickeln.
Wald muss sich auch natürlich entwickeln können. Wer schon einmal im
Nationalpark Schwarzwald zum Wildsee hinabgestiegen ist, hat die Kraft eines
alten Waldes erlebt. Um auch Waldgebiete ohne menschliche Eingriffe als wichtige
natürliche Rückzugsräume zu sichern, wollen wir bis zum Ende der
Legislaturperiode das Ziel der nationalen Biodiversitätsstrategie erreicht
haben, zehn Prozent der öffentlichen Waldfläche als Prozessschutzflächen
bereitzustellen. Zusätzlich planen wir, einen Waldwildnisfonds einzurichten, um
ökologisch besonders wertvolle Waldflächen anzukaufen.
Holz ist ein klimafreundlicher, nachwachsender Baustoff. Deshalb werden wir die
Holzbauoffensive weiterführen und das Laubholz-Technikum stärken, in dem
nachhaltige und klimafreundliche Materialien aus Laubholz entwickelt werden.
Für starke und lebendige ländliche Räume
Wir wollen nicht, dass Täler zuwachsen und Menschen sich abgehängt fühlen.
Unsere Vorstellung des ländlichen Raums: Jung und Alt, Menschen mit und ohne
Behinderungen, Alteingesessene und Zugewanderte hocken gemeinsam im
Dorfgasthaus. Homeoffice ist kein Problem, es gibt schnelles Internet und guten
Mobilfunkempfang. Das Architekturbüro oder der landwirtschaftliche Betrieb
können Datenpakete ohne Mühe versenden und empfangen. Funklöcher gehören der
Vergangenheit an. Mittelständische Unternehmen bleiben gern im ländlichen Raum
und bieten den Menschen ein gutes Einkommen.
Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen und dafür werden wir sorgen. Etwa für
eine flächendeckende exzellente Breitband- und Mobilfunk-Infrastruktur, damit
Unternehmen und Selbstständige dezentral arbeiten können und gut erreichbar
sind. Gute Schulen und verlässliche Kinderbetreuung sind genauso wichtig wie ein
attraktives Angebot an allem, was der Mensch so braucht: von der Lesenacht in
der Stadtbibliothek für die Kleinen bis zum Biergarten oder der Apotheke und dem
Aquafitnesskurs für die Älteren in der nächstgrößeren Gemeinde. So bleiben
unsere ländlichen Räume lebendig und attraktiv.
Bank, Post, Bäckerei, Café, Bürger*innenbüro, Apotheke, Mitfahrbank und
Mobilitätsstation – alles soll an einem Fleck und leicht erreichbar sein. Dafür
wollen wir Multifunktionszentren fördern, die als Knotenpunkte eines
flächendeckenden Netzes der Daseinsvorsorge dienen. Um dieses Thema in der
Verwaltung zu verankern, sollen alle Regierungspräsidien sogenannte
„Unterstützerteams Daseinsvorsorge“ bilden. Diese sollen auch das
gesellschaftliche Engagement in diesem Bereich unterstützen. Mit Blick auf die
Klimakrise wollen wir einen Notfallplan zur Versorgung mit Trink- und Nutzwasser
erstellen. Gaststätten sind seit eh und je wichtige Treffpunkte einer dörflichen
Gemeinschaft. Sie zu erhalten, neu aufzubauen und weiterzuentwickeln ist eine
wichtige Aufgabe, die wir verstärkt unterstützen werden.
Auch Jugendlichen wollen wir mehr Raum bieten, sich unabhängig und flexibel zu
treffen und zu vernetzen. Dazu unterstützen wir die Kommunen bei der Schaffung
von Treffpunkten im öffentlichen Raum, mit attraktiven Sitzgelegenheiten und
Trainingsgeräten für alle Altersklassen.
Die ländliche Strukturpolitik wollen wir an die neuen Herausforderungen
anpassen: Als Grundlage dafür brauchen wir ein Leitbild für den ländlichen Raum,
an dem sich Regionalmanagements und Förderung vor Ort ausrichten. Die
Regionalmanagements sollen auf Landesebene koordiniert werden. Für die
Strukturentwicklung wollen wir ein Monitoring etablieren und den Rahmen für die
Planung ändern: Ziel ist es, das Versiegeln wertvoller Agrarflächen zu
reduzieren und zugleich ausreichend Platz für den Ausbau der Erneuerbaren
Energien zu schaffen. Dafür werden wir den Landesentwicklungsplan von 2002
erneuern. Und: Wir wollen die Förderprogramme für den ländlichen Raum an
regionalen und interkommunalen Entwicklungsplänen ausrichten, damit sie
zielgenauer zu den Bedürfnissen vor Ort passen.
Wir setzen die aktive Standortpolitik für den ländlichen Raum fort, die die
grün-geführte Landesregierung seit Jahren erfolgreich betreibt. Konkret bedeutet
das, Landeseinrichtungen im Gleichgewicht zwischen Stadt und Land zu verteilen.
Den Tourismus nachhaltig zukunftsfähig machen
Der Tourismus im Land soll konsequent nachhaltig werden. Dafür wollen wir ein
„Förderprogramm Naturtourismus“ nach bayerischem Vorbild und eine „Modellregion
konsequent nachhaltiger Tourismus“ einrichten. Hier soll die nachhaltige
Ausrichtung von Freizeitangeboten, von Mobilität – bei der Anreise und vor Ort –
sowie von Marketing und Organisationen erprobt werden. Ziel ist es, diese
Erkenntnisse auf das gesamte Land zu übertragen. Die Förderinstrumente im
Tourismus müssen insgesamt überprüft und konsequent an Nachhaltigkeitskriterien
ausgerichtet werden.
Die Landschaften sind das große touristische Kapital unserer ländlichen
Regionen. Darum sind Land- und Waldwirtschaft, Naturschutz und Tourismus
untrennbar als „magisches Dreieck“ miteinander verwoben. Der Tourismus ist somit
Eckpfeiler krisenstabiler ländlicher Räume. Urlaub zu Hause ist attraktiv
geworden. Viele Menschen haben in Krisenzeiten ihre nahe und weitere Umgebung
wiederentdeckt. Den Schwung werden wir für unsere Tourismusbranche nutzen. Wir
setzen verstärkt auf Inlandsmarketing und locken mit kleinen und großen
Auszeiten daheim.
Auch unsere Großschutzgebiete – der Nationalpark, die Naturparks, unsere
Biosphärengebiete und der Bodensee – sind Tourismusmagnete. Wir wollen deshalb
für eine bessere personelle und strukturelle Ausstattung sorgen – insbesondere
in den Naturparks. Wenn wir Naturparks, Biosphärengebiete und den Nationalpark
gemeinsam vermarkten, können wir Baden-Württemberg noch besser als nachhaltigen
Tourismusstandort etablieren. Dazu zählt auch, den Bodensee – der zudem der
wichtigste Trinkwasserspeicher des Landes ist – von Fischgehegen, den
sogenannten Aquakulturen, freizuhalten.
Der Tourismus im Land hat durch die Corona-Krise sehr gelitten. Die grün-
geführte Landesregierung hat Hilfen auf den Weg gebracht. Mit einem
Sonderkonjunkturprogramm „Nachhaltiger Tourismus“ wollen wir die Branchen
gezielt wiederaufbauen.
Der Fahrradtourismus ist ein wichtiger und wachsender Wirtschaftsfaktor für das
Land, die Regionen und unsere Tourismusbetriebe. Wir wollen unsere Aktivitäten
verstärken: bei der Infrastruktur, den Förderprogrammen und der Vermarktung. Wir
wollen sensible Bereiche im Wald schützen und zugleich Erholungssuchenden die
Möglichkeit geben, auch mit dem Rad den Wald zu erleben. Mountainbiker sollen
die Möglichkeit haben, auf geeigneten Strecken ihren Sport auszuüben, und
Fahrradtouristen sollen in Baden-Württemberg attraktive Routen vorfinden. An
einem runden Tisch wollen wir Lösungen für Nutzungskonflikte erarbeiten, die
allen Beteiligten gerecht werden.
Intakte Landschaften und die Natur sind neben attraktiven Städten unser größtes
touristisches Kapital. Über zwei Drittel aller Urlaubsreisen im Land führen in
die Natur. Baden-Württemberg ist deutschlandweit Taktgeber dieser Entwicklungen.
Wir wollen das Innovationspotenzial von konsequentem Klima- und Artenschutz
nutzen, um die Anziehungskraft Baden-Württembergs als Reiseziel weiter
auszubauen.
Darum Grün!
Wer Grün wählt, stimmt für
- einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft, Naturschutz,
Lebensmittelindustrie und Verbraucher*innen
- eine ressourcenschonende, nachhaltige, naturverträgliche, gentechnikfreie
und tiergerechte Landwirtschaft, die ihren Bewirtschafter*innen ein faires
Einkommen ermöglicht
- eine eigene Tierschutzstrategie für Baden-Württemberg und effektivere
Kontrollen von tierhaltenden Betrieben, Schlachthöfen und Tiertransporten
- eine „Verbraucherpolitische Strategie“ für Baden-Württemberg und den
Ausbau der Verbraucherzentrale
- die Stärkung der ländlichen Räume und umfangreiche Maßnahmen für eine
gesicherte Daseinsvorsorge vor Ort
- einen konsequent nachhaltigen Tourismus in Baden-Württemberg