In einem Wahlprogramm sollten primär Ziele für die kommende Wahlperiode stehen. Ziele, die darüber hinaus gehen, werden gern bis zum Sankt-Nimmerleinstag verschoben in der irrigen Annahme, es wäre noch Zeit in einer weiteren Legislaturperiode. Sie werden in diesen Fällen auch gern dem Koalitionsfrieden geopfert. Diese Zeit steht uns eigentlich nicht mehr zur Verfügung. Um es in einer Metapher hart zu sagen, die Hütte brennt bereits lichterloh, Eimer reichen da nicht mehr, es müssen große Schläuche her. Mit dem derzeit ausgestoßenem CO2 sind wir bereits bei 1,2°, jede weitere Tonne CO2 verschiebt das weiter nach oben.
Das Pariser Klimaschutzabkommen definiert einen Korridor, zwischen 1,5° und 2° bis 2050. Je eher wir entschlossen handeln, desto eher bewegen wir uns am unteren Ende dieses Korridors und retten wichtige Ökosysteme. Mittlerweile scheint die Erreichbarkeit des 1,5° Ziels ausgeschlossen zu sein, weil das entschlossene Handeln sehr oft gefehlt hat.
Das Kontingent an CO2-Ausstoß, der weltweit noch machbar wäre, um das 1,5° Ziel zu halten, ist bereits in knapp über 7 Jahren erschöpft. Daher ist es nahezu unmöglich, dieses Ziel noch bis 2030 zu erreichen. Für 2° reicht uns das Kontingent zwar noch ca. 22 Jahre, das sollte uns aber nicht dazu bringen, uns auf dem Erreichten auszuruhen und damit erneut zu spät weiter zu machen. Die, auch sozialen, Einschnitte werden umso härter, je länger wir warten. Das sollten wir unbedingt vermeiden. In unser aller Interesse muss es daher sein, möglichst schnell und frühzeitig dagegen zu steuern. Das geht nur mit ambitionierten Zielen, die wir sofort angehen müssen. Die Bunderegierung hat mit immer neuen Kommissionen (siehe Kohleausstieg) das Thema viel zu lange ausgesessen. Und sich dann zur Krönung auch noch über das Ergebnis der Kommissionen hinweg gesetzt. Bisher ist kein einziges der vorhandenen Ziele jemals wirklich erreicht worden, im Verkehrssektor nahm der CO2-Ausstoß sogar zu. Für uns als Grüne kann das nur bedeuten, in einem GRÜN regiertem Land besonders hohe Anstrengungen zu unternehmen, um wenigstens von unserer Seite aus den CO2-Ausstoß massiv einzugrenzen. Dabei sollten wir explizit über die kompromissverhandelten Vorgaben der EU hinausgehen. Dort haben wir nämlich keine Mehrheit. Für das Erreichen unserer Ziele muss alles getan werden. Unser Ziel kann und darf auch vor dem Hintergrund einer sich neu bildenden Klimaliste nicht sein, das Ziel so anzusetzen, dass es in jedem Fall erreichbar ist. Es muss, darf und soll eine große Herausforderung an alle darstellen.
Naturwissenschaftlich betrachtet ist der erste Teil üblicherweise leichter zu erreichen, als die letzten Prozente. Für die verbleibenden letzten 10-15 Prozent wird der monetäre Aufwand sicher ähnlich hoch sein, wie für die ersten 40%. Politisch ist es leider möglicherweise umgekehrt. Je schneller und entschlossener wir aber jetzt handeln, umso leichter und weniger kostenintensiv wird es später. Nur, wenn wir es schaffen, die verbleibende Zeit für den vollständigen Verbrauch des CO2-Kontingents mit jetzt bereits durchgeführten Maßnahmen deutlich zu verlängern, wird der letzte Schritt überhaupt machbar sein.
Die Entscheidung muss jetzt fallen, ob wir, obwohl an der Regierung nicht nur beteiligt, sondern in Baden-Württemberg mit der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten ausgestattet, weiterhin nur das machen wollen, was wir gemeinsam mit unserem jeweiligen Koalitionspartner durchsetzen können, oder ob wir versuchen, deutlich mehr herauszuholen. Immerhin haben mittlerweile alle Parteien das Thema Klimaschutz für sich erkannt. Da kann es doch nicht sein, dass wir weiterhin mit nicht weit genug gehenden Kompromissen agieren und uns unambitionierte Ziele setzen, die in der nicht unmittelbaren Zukunft liegen (>=2030) oder welche die Reduktion in so niedrigen Prozentzahlen anstrebt, dass sie tatsächlich keine Herausforderung darstellen. Wir müssen an der Aufgabe auch wachsen!
Den Klimawandel radikal angehen heißt, sich die im Programmentwurf enthaltenen Ziele bereits als Ziele der kommenden Legislaturperiode zu setzen, und nicht zu warten!
Kommentare
Christian Zander:
Natürlich kann man/frau Pläne bis 2050 schmieden. Nur, wenn diese Ziele verfehlt werden, haben wir keinerlei Karenzzeiten mehr übrig. Daher mein unbedingter Wunsch,. Planungen bloß bis 2040 gehen zu lassen und bis dahin die Klimaneutralität zu erreichen. Wenn das nicht klappt, bleiben noch immerhin 10 Jahre, um den hoffentlich dann nicht mehr ganz so großen Rest anzugehen.
Tobias Wütz:
Die Ziele für 2025/2026 und auch für später dürfen und sollen ambitioniert sein. Es soll aber auch darstellbar sein, wie der Weg dahin aussehen kann. Dazu finde ich die vorgeschlagenen Maßnahmen im Ausgangstext gut und umfangreich. Gut ist auch die Abschichtung der Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern (für eine LKW-Maut auf Landesebene müssten allerdings wohl einige Regelungen, EV bis zum Grundgesetz, geändert werden).
Bedenken habe ich zum Ausgangstext beim Ziel, es dürfe langfristig keine Toten mehr im Straßenverkehr geben. Ich vermute stark, dass das auch mit den tollsten Maßnahmen niemals passieren wird.
So kurzfristig (wegen der Antragsfrist) ist für mich schwer abschätzbar, wieviel CO2-Reduktion mit den vorgeschlagenen Maßnahmen bis 2025/2026 möglich ist.
Gruß,
Tobias Wütz (KV Karlsruhe)
Christoph Erdmenger:
Klaus Lambrecht:
https://www.kreis-tuebingen.de/site/LRA-Tuebingen-Internet-Root/get/params_E1480309110/17748084/Energieleitlinie%20Landkreis%20T%C3%BCbingen%2014.10.2020.pdf