Veranstaltung: | Digitale LDK am 12.-13.12.2020 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP5.3 Grün wählen und Baden-Württemberg erneuern |
Antragsteller*in: | Annette Kosakowski |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.12.2020, 16:51 |
Antragshistorie: | Version 1 |
K8NEU: Nachhaltiges Wohnen bringt Lebensqualität und Klimaschutz zusammen
Antragstext
Kapitel 8: Wohnen und Raumplanung
Nachhaltiges Wohnen bringt Lebensqualität und Klimaschutz zusammen
Wohnen ist mehr als eine Adresse zu haben. Mehr als Zimmer, Küche, Bad. Wohnen
bedeutet, ein Zuhause zu haben und eingebunden zu sein in eine Gemeinschaft.
Dies wollen wir als Grüne so lebenswert wie möglich gestalten: mit einer
Aufwertung der Stadtviertel und Ortskerne, einer Anbindung an den öffentlichen
Nahverkehr und einer Art zu bauen, die innovativ, menschen- und umweltfreundlich
ist. Wir denken bezahlbaren Wohnraum und Klimaschutz zusammen. Wir stehen für
eine Raumplanung, die Flächen schont und Quartiere lebendig hält.
Grüne Wohnungspolitik zeigt zunehmend Wirkung! Wir haben ein starkes
Landeswohnraumförderprogramm auf den Weg gebracht und es mit 250 Millionen Euro
jährlich ausgestattet. Sowohl bei unserem Schwerpunkt Mietwohnungsbau als auch
beim Wohneigentum haben wir die Bedingungen deutlich verbessert. Mehr als eine
Milliarde Euro wird die Landesregierung bis 2021 in die Förderung von
bezahlbarem Wohnraum investieren. Wir haben die Kommunen gestärkt, damit sie ihr
Ziel erreichen und mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Mit dem neu
aufgelegten Grundstücksfonds des Landes ermöglichen wir es auch Kommunen mit
weniger Finanzkraft, Grundstücke aufzukaufen. So schaffen wir die
Voraussetzungen für eine vorausschauende und gemeinwohlorientierte Grundstücks-
und Wohnungspolitik. Dieser Grundstücksfonds bildet zusammen mit dem
„Kompetenzzentrum Wohnen BW“ den „Kommunalfonds Wohnraumoffensive BW“. Damit
unterstützen wir die Kommunen passgenau beim Bauen und Planen. Sie sind hierfür
die entscheidenden Akteure. Über den Grundstücksfonds hinaus wollen wir ihnen
über das Agrarverbesserungsstrukturgesetz den Zugang zu Grundstücken
erleichtern.
Wir wollen nicht nur bezahlbaren Wohnraum schaffen, sondern auch den Klimaschutz
stärken. Das war und ist uns besonders wichtig. Seit 2020 müssen geförderte
Neubauten energetischen Standards genügen, die auch langfristig das Klima
schützen und für geringere Wohnkosten sorgen. Um dieses Ziel für die
Bauträger*innen möglich zu machen, haben wir als grün-geführte Landesregierung
die Förderung erhöht. In der Landesbauordnung haben wir die Hemmnisse beim
Holzbau beseitigt und damit regionales, klimaschonendes und innovatives Bauen
vorangetrieben. Wir haben die Voraussetzungen für zukunftsfähige Mobilität
vorangebracht und es leichter gemacht, innerörtliche Flächen zu nutzen. Im
Klimaschutzgesetz haben wir die Pflicht für Photovoltaikanlagen auf allen
Neubauten ohne Wohnnutzung verankert und damit bundesweit Maßstäbe gesetzt. Im
nächsten Schritt wollen wir eine Solarpflicht auch für neue Wohngebäude
durchsetzen und das Ziel „Photovoltaik auf allen geeigneten Bestandsgebäuden“
angehen. Dies erreichen wir durch die Einführung eines kommunalen
Solarpotenzialkatasters, das jede Kommune ab dem Jahr 2023 erstellt.
Als grün-geführte Landesregierung haben wir die Mietpreisbremse für 89 Kommunen
auf ein stabiles Fundament gesetzt und die Kappungsgrenzen abgesenkt, um
Mieterhöhungen auszubremsen. Zudem haben wir in diesen Kommunen die
Kündigungssperrfrist von drei auf fünf Jahre verlängert, um die Mieter*innen zu
schützen, wenn aus einer Mietwohnung eine Eigentumswohnung wird. Für bestimmte
Stadtgebiete muss aufgrund der Umwandlungsverordnung eine Genehmigung erteilt
werden, wenn eine Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird. Wir
verstehen die Mietpreisbremse als Schutzschirm für bezahlbare Wohnungen. Wenn
Wohnungen neu vermietet werden, darf der*die Vermieter*in in diesen 89 Kommunen
maximal zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Bei
bestehenden Verträgen darf die Miete nur noch um 15 Prozent innerhalb von drei
Jahren erhöht werden.
Wir sind überzeugt: Wohnungen sind zum Wohnen da! In angespannten
Wohnungsmärkten müssen wir sie wirksam vor Zweckentfremdung schützen. Darum
haben wir Anbietern wie Airbnb mit einem Zweckentfremdungsverbotsgesetz Grenzen
gesetzt. So verhindern wir, dass aus Wohnungen dauerhafte Pensionen werden.
Zudem haben wir Gemeinden ermöglicht, Vermieter*innen von Ferienwohnungen zu
einer Registrierung zu verpflichten. Das schafft mehr Transparenz und
Rechtssicherheit – sowohl für Kommunen als auch für Betreiber*innen von
digitalen Vermittlungsplattformen.
Wohnraum für alle – bezahlbar und klimaneutral
Jede*r hat das Recht auf ein angemessenes und bezahlbares Zuhause. Insbesondere
in den Ballungszentren Baden-Württembergs konkurrieren Familien,
Alleinerziehende, Senior*innen mit kleiner Rente und junge Menschen um günstigen
Wohnraum. Deshalb wollen wir in den kommenden zehn Jahren dem Mietwucher die
Grundlage entziehen und den Anteil preisgünstiger Wohnungen am Markt erhöhen,
sowohl im geförderten als auch im frei finanzierten Bereich. Zudem wollen wir
ausreichend altersgerechten Wohnraum schaffen. Was uns wichtig ist: Der
Geldbeutel darf dabei nicht entscheiden, ob wir beim Wohnen auch das Klima
schützen können. Klimaneutrales Wohnen soll für alle selbstverständlich werden.
Als Land wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sanieren die
landeseigenen Gebäude kreislaufgerecht und wollen – wo möglich – durch
Aufstockungen der landeseigenen Wohngebäude neuen und bezahlbaren Wohnraum
schaffen. Mit den jetzigen Eigentümer*innen der 21.000 ehemals landeseigenen
LBBW-Wohnungen wollen wir Gespräche führen. Unser Ziel ist, dass wir möglichst
viele dieser Wohnungen nach Auslaufen des Kündigungsschutzes 2022 zum Beispiel
mittels Belegungsbindungen bezahlbar halten. Die Förderprogramme wollen wir
ständig aktuell attraktiv halten und so viele Mittel bereitstellen, dass alle
Anträge bedient werden können.
Das Kompetenzzentrum Wohnen wollen wir zu einem umfassenden
Unterstützungsangebot des Landes beim Thema Bauen und Wohnen ausweiten. Diese
Unterstützung wollen wir neben den Kommunen auch gemeinwohlorientierten Trägern
zugänglich machen. Das gilt besonders auch für Genossenschaften. Sie spielen
eine wichtige Rolle, um sowohl bezahlbaren als auch klimaneutralen Wohnraum zu
schaffen. Mit einer Gründungsoffensive für kommunale Wohnungsbaugesellschaften
wollen wir Kommunen stärken, Boden und Wohnraum selbst vor Ort zu erwerben und
gestalten.
Wir Grüne wollen lebendige Dörfer und lebenswerte Städte! Dazu brauchen wir eine
sorgfältige Raumplanung und Siedlungsentwicklung. Sie muss den Marktkräften
einen Rahmen setzen, Erneuerung ermöglichen und Investitionen anziehen. Ob eine
Stadt lebenswert ist, entscheidet sich auch daran, wie viele Kinder auf der
Straße spielen. Ob ein Dorf lebendig ist, zeigt sich auch daran, wie viele 80-
Jährige daheim leben und am örtlichen Leben teilhaben können. Beides soll bis
2030 nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein! Dazu müssen wir vor allem die
Planung neu denken, die Versorgung mit Geschäften, Ärzt*innen und Behörden
wieder dezentralisieren und lokale Angebote stärken. Wir wollen eine
Alltagsversorgung, die zu Fuß erreichbar ist. Alle Altersgruppen wollen wir ins
Boot holen. Auch junge Menschen sollen eine Möglichkeit erhalten, sich an der
Planung ihrer Lebensumgebung zu beteiligen. Das Kompetenzzentrum Wohnen soll
daher ein Beteiligungsformat für Kinder und Jugendliche an der Stadtplanung
erarbeiten und den Kommunen zur Verfügung stellen.
Mehrgenerationenhäuser und barrierefreies Wohnen fördern
Unsere Gesellschaft ändert sich und mit ihr die Wohnbedürfnisse. Es gilt, die
Gebäude und ihre Nutzung an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Der
Bedarf an Mehrgenerationenhäusern oder barrierefreiem Wohnraum steigt ebenso wie
der Bedarf an neuen gemeinschaftlichen Wohnformen. Statt neu zu bauen, wird das
Umbauen und Modernisieren wichtiger. Wir werden deshalb die vorhandene Förderung
intensivieren und weiterentwickeln, um bestehenden Wohnraum besser und
effektiver zu nutzen.
Wo immer Menschen mehrerer Generationen zusammenleben wollen, sollten wir sie
unterstützen. Dies fördert nicht nur den Zusammenhalt, sondern wirkt auch vielen
Problemen der modernen Gesellschaft entgegen – von Vereinsamung bis
Kinderbetreuung. Um das Mehrgenerationenwohnen zu fördern, wollen wir das
Informations- und Beratungszentrum Mehrgenerationenhäuser (IBZ) fest etablieren.
Auch das Bauen in Baugemeinschaften wollen wir stärken und gemeinschaftliches
Wohnen etwa von Studierenden fördern.
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Homeoffice eine ernsthafte Alternative zur
Arbeit im Büro darstellt. Im ländlichen Raum kämpft man aber häufig mit einer
schlechten Internetanbindung. Zudem fehlt oft Platz in der eigenen Wohnung.
Daher wollen wir ein Pilotprojekt „Coworking-Spaces“ im eher ländlichen Raum
starten, das gut ausgestattete und angebundene Büroräume zur Verfügung stellt
und so nachhaltig lange Pendelweg erspart.
Barrierefreiheit erleichtert das Wohnen im Alter. Daher wollen wir das
Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit ausweiten und für das Thema „Wohnen im
Alter“ und für private Anfragen öffnen. Die Einrichtung „halböffentlicher“
Räume, die Privatpersonen bei Bedarf anmieten können, sowie Gemeinschaftsflächen
wollen wir fördern. Zusätzlich zu den Programmen der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) brauchen wir eine Förderlinie des Landes für barrierefreies
Bauen.
Wir unterstützen Städte und Gemeinden, die sich bemühen, das Qualitätssiegel
„Age-friendly City“ („Altersfreundliche Stadt“) der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) zu erlangen.
Auch in Baden-Württemberg gibt es viele Menschen ohne festen Wohnsitz. Für sie
muss neben sozialen Hilfsangeboten vor allem kurzfristig verfügbarer Wohnraum
bereitstehen. Wir orientieren uns hier am Ansatz des „Housing first“. Das
bedeutet: Zuerst wird eine Unterkunft vermittelt, erst dann folgen alle weiteren
Hilfen. Wir werden die Kommunen bei dieser Praxis, die in Finnland bereits
erfolgreich ist, unterstützen.
Für faire Mieten und ein nachhaltiges Flächenmanagement
Wir unterstützen Initiativen, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bundes
ändern wollen. Unsere gemeinsamen Ziele sind, die Wohngemeinnützigkeit wieder
einzuführen, gemeinwohlorientierte Mietshäuser zu fördern und das Mietrecht
sozial weiterzuentwickeln. Wir wollen alle Kompetenzen des Landes nutzen, um
explosive Mietsteigerungen zu bremsen oder zu begrenzen – entweder durch
Regelungen des Landes selbst oder durch mögliche Ermächtigung der Kommunen,
entsprechende Regelungen für ihr Gebiet erlassen zu können.
Flächen sind ein begrenztes Gut. Deshalb ist es uns Grünen wichtig, schonend
damit umzugehen. Grundlage für die Raumordnung im Land ist der
Landesentwicklungsplan (LEP) aus dem Jahr 2002. Er steckt zentrale Ziele ab: die
natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes
als Wirtschafts- und Wohnstandort zu sichern, die Funktion von Land- und
Forstwirtschaft zu erhalten und angemessene Gestaltungsmöglichkeiten für
kommende Generationen zu bewahren. Mit Blick auf diese Ziele stehen wir vor
großen neuen Herausforderungen! Deshalb muss der LEP novelliert werden, um dem
Umwelt- und Klimaschutz sowie der Flächeneinsparung noch mehr Gewicht zu geben.
Auch die digitale Infrastrukturplanung muss aufgenommen werden. In einem breiten
Beteiligungsverfahren wollen wir zudem für mehr Transparenz sorgen und so auch
die Akzeptanz erhöhen.
Vor Ort sind die Städte und Gemeinden für das Flächenmanagement zuständig. Wir
wollen sie im „Kompetenzzentrum Wohnen“ unterstützen, einen Fonds für
Flächentausch zu gründen. Hier werden bereits bebaubare Grundstücke gegen
Anteile an einem Wohnraumpool oder zukünftig umzulegende Grundstücke getauscht.
Und dies gerne auch interkommunal! Das Kompetenzzentrum soll um den Sektor
Gewerbebau erweitert werden und gemeinsam mit den Kommunen und der Wirtschaft
einen Aktionsplan „Flächensparen“ erarbeiten. Wir wollen uns moderierend
einbringen, um Brachflächen zu aktivieren. Wir werden dafür über das
Kompetenzzentrum Wohnen „Flächen-Scouts“ vermitteln. Ihre Aufgabe wird es sein,
geeignete Flächen für den Wohnungsbau zu identifizieren, Hindernisse im Dialog
mit Eigentümer*innen und Kommunen abzubauen und gegebenenfalls auch
Flächentausche zu vermitteln. Des Weiteren wollen wir die Kommunen dabei
unterstützen, auf Grundstücksbesitzer*innen zuzugehen, um Flächen für sogenannte
Tiny Houses, also Minihäuser, freizugeben. So setzen wir dem Wohnungsmangel
nachhaltige, flexible Konzepte entgegen. All dies unterstützt den Bau von
bezahlbarem Wohnraum!
Um den Flächenverbrauch einzudämmen, soll bezahlbarer Wohnraum durch Bauen nach
oben entstehen. Wir wollen ein Förderprogramm für Dachausbauten und
Aufstockungen für private Hausbesitzer*innen sowie kleine und mittlere
Wohnungsunternehmen, beispielsweise mit der landeseigenen Förderbank L-Bank, auf
den Weg bringen. Voraussetzung für die Förderung ist die Schaffung von
bezahlbarem Wohnraum.
Auch das Wohnraumförderprogramm kann dazu beitragen, nachhaltig mit Flächen
umzugehen. Deshalb wollen wir dort Erbbaurechtsmodelle fördern. Nachdem
verschiedene Hemmnisse für Aufstockungen in der Landesbauordnung ausgeräumt
wurden, wollen wir ein entsprechendes Förderprogramm auflegen.
Innovatives Bauen bringen wir voran – nachhaltig!
Wir Grüne legen großen Wert auf das Bauen mit regionalen und nachhaltigen
Baustoffen. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit wollen wir die Holzbauoffensive
fortführen und nachhaltige Bauweisen unterstützen. Allein die Herstellung von
Beton verursacht rund acht Prozent des weltweit ausgestoßenen CO2. Allerdings
werden Gebäude weiterhin in Massivbauweise errichtet. Im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung muss sich der Massivbau deshalb bis spätestens 2030
komplett auf kreislauffähige und klimaneutrale Bauweisen umgestellt haben. Daher
fördern wir Recycling-Beton und führen eine Recycling-Beton-Quote für Neubauten
des Landes ein. Um dem aktuellen Rohstoffmangel entgegenzuwirken, setzen wir uns
für die Entwicklung eines Katasters für Materialien ein. Damit können Gebäude
als Rohstofflager und Städte als Rohstoffminen geplant und genutzt werden. Wir
fördern die Einrichtung eines Zentrums für Architektur und Ingenieurbau. Die
Baukompetenz in Baden-Württemberg werden wir weiter aktivieren und nutzen.
Modellprojekte für preisgünstige und innovative Bauweisen wollen wir erproben
und Plus-Energie-Siedlungen zum Normalfall machen – also Siedlungen, die über
das Jahr gesehen aus grünen Quellen wie Photovoltaik mehr Energie erzeugen als
sie verbrauchen. Wir wollen die Solarpflicht auf Wohngebäude ausweiten und die
Nachrüstung von Bestandsgebäuden beschleunigen. Bei Bestandsgebäuden muss der
Energieverbrauch sinken. Das Energie- und Klimaschutzkonzept für landeseigene
Liegenschaften setzen wir weiter konsequent um und erweitern es um den Aspekt
der Ressourcenschonung. Wir sanieren die landeseigenen Gebäude mit
kreislaufgerechten Materialien und geeigneten Sanierungsfahrplänen.
Sanierungsförderprogramme koordinieren wir zentral und sorgen für die
ganzheitliche Betrachtung nach den Grundsätzen des nachhaltigen Bauens. Dazu
gehört es, die CO2-Bilanzierung und alle Ressourcen- und Energieflüsse zu
betrachten.
Die Digitalisierung bietet viele Chancen: Sie kann etwa Verwaltungsprozesse
beschleunigen und eine vernetzte Planung und Bewirtschaftung von Gebäuden
ermöglichen – das sogenannte Building Information Modeling (BIM). Diese Chancen
wollen wir ergreifen. Den Weg der Kommunen zu nachhaltigen, digitalen,
partizipativen und smarten Städten und Dörfern werden wir von Landesseite
unterstützen, insbesondere durch digitale Beteiligungsprozesse bei der
Bauleitplanung. Bauen für Menschen geht nur mit Beteiligung von Menschen!
Wir Grüne sehen die Kapazitätsengpässe im deutschen Bausektor mit Sorge. Ein
entscheidendes Problem, auch bei der Bauwirtschaft, ist der Fachkräftemangel.
Wir wollen deshalb in Baden-Württemberg eine Ausbildungs- und Studienoffensive
für Berufe im Bausektor starten und die Forschung im Bereich der Städteplanung
und der Bauwirtschaft stärken.
Für lebendige Ortsmitten und Stadtviertel
Baden-Württemberg hat viele attraktive Städte und Gemeinden. Aber manch ein Ort
könnte noch lebendiger werden. Bis 2030 wollen wir 1500 zusätzliche lebendige
und verkehrsberuhigte Orts- und Quartiersmitten schaffen. Dazu zählen autofreie
Zonen, Shared Spaces oder Begegnungszonen nach Schweizer Vorbild. Sie steigern
die Aufenthalts- und Lebensqualität in den Dörfern und Städten, werten den
öffentlichen Raum auf und machen die Straße zum Lebensraum für alle. Aber auch
autoarme Stadtviertel wie die Super Blocks nach dem Beispiel der Niederlande und
Barcelona gehören für uns Grüne dazu. Hier wird der Durchgangsverkehr aus den
Wohngebieten zurückgedrängt. Wir unterstützen Kommunen in ihrem Anliegen,
autofreie Innenstädte zu schaffen, und fördern dies.
Eine lebendige Stadt lädt zum Verweilen und Plauschen ein und bietet dazu
attraktive Plätze, die allen zugänglich sein sollten. Sie motiviert zur
Bewegung, ob auf Spielplätzen oder in der Halfpipe. Und Flanieren bringt
Frequenz: Der Einzelhandel profitiert davon, wenn die Aufenthaltsqualität in den
Dorf- und Quartiersmitten steigt. Gleichzeitig können durch eine Zusammenführung
von Wohnquartieren und Arbeitsstätten lange Arbeitswege und damit
klimaschädlicher Pendlerverkehr vermieden werden.
Nicht der Höchstbietende soll eine Fläche für den Wohnungsbau bekommen. Sie soll
vielmehr zum Richtpreis an die*den Bauwillige*n mit dem besten Konzept gehen.
Diese Konzeptvergabe wollen wir zum Regelfall machen. So ist es möglich, stetig
einen Mehrwert für Quartiersentwicklung, Städtebau und Nachhaltigkeit zu
erzielen.
Eine lebenswerte Stadt gibt Rad- und Fußverkehr deutlich mehr Raum. Dies
verbessert die Aufenthalts- und Lebensqualität nachhaltig. Wir bauen ein Netz
von sicheren Fuß- und Radwegen und schaffen neue Fahrradstellplätze. Wir wollen
ein flächendeckendes Tempo 30 und ein Parkraummanagement in Städten. Wir wollen
mehr verkehrsberuhigte Bereiche, Fahrradstraßen und Carsharing-Stellplätze im
öffentlichen Raum.
Flächenverbrauch eindämmen, Wohnraum ermöglichen
Am Rand von Ballungsräumen wachsen viele Einfamilienhaussiedlungen. Auch dafür
werden jeden Tag in Deutschland knapp 60 Hektar als Siedlungs- und
Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Solche Flächen kann der ÖPNV schlecht
erschließen. Durch die intensive Bautätigkeit sind in den vergangenen Jahren
weitere wertvolle Bodenflächen verlorengegangen. Für den Naturschutz und für
unsere Landwirtschaft müssen wir diesen anhaltend hohen Flächenverbrauch
reduzieren. Nur dann können wir unser Ziel erreichen: eine Netto-Null beim
Flächenverbrauch. Derzeit liegt die Flächeninanspruchnahme in Baden-Württemberg
bei fünf Hektar pro Tag.
In der nächsten Wahlperiode wollen wir den täglichen Flächenverbrauch für
Siedlungszwecke auf drei Hektar pro Tag begrenzen. Dazu werden wir in
Modellregionen handelbare Flächenausweisungszertifikate erproben. Die heute
mögliche Baugebietsausweisung mit beschleunigtem Verfahren und ohne
Umweltprüfung nach Paragraf 13b Baugesetzbuch lehnen wir in der derzeitigen Form
ab. Wenn diese gesetzliche Regelung dennoch verlängert werden sollte, werden wir
darauf hinarbeiten, dass entsprechende Baugebiete bestimmte Kriterien zu
erfüllen haben. Dazu gehören etwa Wohnraummangel vor Ort, eine erhöhte Dichte,
ein definierter Mindestanteil an günstigen Mietwohnungen, Anbindungen an den
ÖPNV sowie an die Radwegeinfrastruktur. Ein weiteres Instrument, um den
Flächenverbrauch zu senken, ist es, unsere Ortszentren weiter zu revitalisieren
und vorhandene Infrastruktur für umweltfreundliche Verkehrsmittel freizugeben.
Wir wollen den Kommunen beispielsweise die Innenentwicklung erleichtern und die
Pflicht einführen, die Potenziale zur Innenentwicklung zu erfassen und
offenzulegen.
Flächenschutz ist Natur- und Artenschutz und hat hohe Priorität. Neben der
Senkung des Flächenverbrauchs wollen wir bestehende Freiflächen und freie
Fassaden in Kommunen tier- und pflanzenfreundlich gestalten. Diese Flächen
sollen Arten, die vom Aussterben bedroht sind, wie Insekten und Vögeln einen
Lebensraum durch hochstehende Wiesen, Sträucher und begrünte Dächer bieten. Das
Verbot von Schottergärten ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die
Erstellung von Flächenkatastern, in denen diese Potenziale erhoben und auch
Potenziale zur Dachaufstockung ausgewiesen werden, wollen wir über das Land
fördern.
Regionale Baukultur pflegen und entwickeln
Bauen ist viel mehr als nur vier Wände zum Wohnen zu schaffen.
Identitätsstiftende und ansprechende Orte, an denen man sich wohlfühlt, machen
Quartiere menschenfreundlich. Wir Grüne begrüßen Projekte der doppelten
Innenentwicklung, d.h. mehr bauliche Verdichtung und mehr urbanes Grün! Hierzu
etablieren wir im „Kompetenzzentrum Wohnen BW“ einen neuen Sektor „Artenvielfalt
in der Stadtplanung und Architektur“ und beraten Städte, Gemeinden und
Planer*innen bei der Umsetzung von innerstädtischen Biodiversitätsclustern. Wir
unterstützen Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass nichtkommerzielle
Begegnungsräume wie „Ortslinden“ entstehen. Gute Architektur bei neuen Gebäuden
ist kein Widerspruch zur Zweckmäßigkeit, sondern eine Frage der Baukultur: Sie
kann Identität stiften. Wir wollen regionale Besonderheiten von Bauformen,
Materialien und Siedlungsensembles pflegen und behutsam weiterentwickeln.
Denkmale zu bewahren, unsere Geschichte sichtbar und erlebbar zu machen, Gebäude
für künftige Generationen zu erhalten: Das ist in Baden-Württemberg qua
Verfassung eine Landesaufgabe. Bei der tatsächlichen Ökobilanz von Gebäuden ist
auch die sogenannte Graue Energie zu berücksichtigen. Jedes Gebäude, das
weitergenutzt wird, spart Abriss, Deponie und Rohstoffkosten. Bei einer
Generalsanierung können 80 Prozent erhalten werden. Auch bei Altbauten können
Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zur positiven Ökobilanz beitragen.
Deshalb sollen Klima- und Ressourcenschutz in den Kanon der verpflichtend
abzuwägenden Ziele im Landesdenkmalschutzgesetz aufgenommen werden. Darüber
hinaus wollen wir ein Fach- und Netzwerkzentrum zur Sanierung von
denkmalgeschützten Gebäuden aufbauen.
Wir wollen die Vielfalt stärken und gleichzeitig zukunftsfeste, grüne Siedlungen
erschaffen. Mit Einfamilienhaus-Siedlungen und Supermarkt-Flachbauten auf der
grünen Wiese kann dies nicht gelingen. Daher wollen wir mehrgeschossige Gebäude
voranbringen, auch durch Aufstockung und Erweiterung von bestehenden Gebäuden.
Wo viele Menschen wohnen, braucht es eine gute Anbindung an Bus und Bahn. Wir
Grüne setzen uns dafür ein, dieses Angebot entsprechend auszubauen.
Darum Grün!
Wer Grün wählt, stimmt für
- bezahlbaren, ökologischen Wohnraum für alle
- eine nachhaltige Siedlungsentwicklung mit lebendigen Orts- und
Quartiersmitten
- die Begrenzung des Flächenverbrauchs für Natur- und Artenschutz
- barrierefreies Bauen und Wohnen