Veranstaltung: | LDK in Heidenheim am 4.-5.12.2021 |
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Tagesordnungspunkt: | V Anträge und Resolutionen |
Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 05.12.2021 |
Eingereicht: | 10.12.2021, 11:26 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Informations- und Medienkompetenz fördern. Demokratie stärken.
Beschlusstext
Die Digitalisierung hat das Mediensystem grundlegend gewandelt. Wer am
öffentlichen Diskurs wie teilnehmen kann hat sich verändert - ebenso wie wir
Informationen suchen und verbreiten.
Dadurch sind wertvolle Chancen für Partizipation und Emanzipation entstanden.
Aber auch die Feinde der Demokratie haben den digitalen Raum für sich zu nutzen
gelernt. Mit Hass und Hetze wollen sie die Verrohung des gesellschaftlichen
Diskurses betreiben. Mit der systematischen Verbreitung von Fake News versuchen
sie die Gesellschaft zu spalten.
Die Landesregierung Baden-Württembergs treibt die Bekämpfung von
Hasskriminalität voran. Im September 2021 hat sie den Kabinettsausschuss
„Entschlossen gegen Hass und Hetze“ eingesetzt, der konkrete
Handlungsempfehlungen für den Kampf gegen Hass und Hetze erarbeitet.
Von besonderer Bedeutung für die Bekämpfung von Hass und Hetze in digitalen
Räumen ist die Stärkung der Informations-, Nachrichten- und Medienkompetenz der
Bürgerinnen und Bürger. In der digitalen Medienwelt geht die Bedeutung des
Broadcastings von Nachrichten durch große Radio-, Fernseh- oder Zeitungshäuser
zurück. Zunehmend wichtiger wird ein „Narrowcasting“ in den sozialen Medien, bei
dem die einzelnen Userinnen und User Nachrichten nicht nur konsumieren, sondern
auch produzieren. Der damit einhergehende Wegfall der journalistischen „Gate-
Keeper-Rolle“ erhöht die Anforderungen an die einzelnen Bürgerinnen und Bürger.
Sie müssen die Vielzahl der auf sie einströmenden Informationen bewerten und die
Glaubwürdigkeit von Nachrichten selbst beurteilen können.
Durch Medienbildung kann die Informations-, Nachrichten- und Medienkompetenz
gestärkt werden. Die Kultusministerkonferenz hat daher bereits 2012
Medienbildung als Teil der politischen Bildung hervorgehoben[1] und 2016 in
ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“[2] einen Kompetenzrahmen für die
selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Gesellschaft formuliert.
Auch in Baden-Württemberg wird der Medienbildung eine hohe Bedeutung
beigemessen. Unter anderem kommt dies in den vielfältigen Fortbildungs- und
Beratungsangeboten des Landesmedienzentrums und der Kreismedienzentren sowie den
Landesprogrammen „Kindermedienland Baden-Württemberg“ und „#RespektBW“ zum
Ausdruck. Im Bildungsplan 2016 wurde die fächerübergreifende Leitperspektive
Medienbildung und der Basiskurs Medienbildung in Klasse 5 festgeschrieben.
Aktuelle Studien zur Medien- und Informationskompetenz zeigen jedoch weiteren
Handlungsbedarf auf. In der PISA-Studie von 2018[3] konnte zwar ein großer
Anteil der 15-Jährigen die Glaubwürdigkeit von Quellen treffend beurteilen.
Jedoch konnten die Jugendlichen nur in unter 50% der Fälle korrekt zwischen
Fakten und Meinungen unterscheiden. Auch die Studie „Quelle: Internet“?[4] der
Stiftung Neue Verantwortung von 2021, in der die Nachrichtenkompetenz einer
repräsentativen Stichprobe der volljährigen deutschen Bevölkerung untersucht
wurde, zeigt Probleme der Befragten bei der Unterscheidung von Information,
Werbung, Desinformation und Kommentar auf. Bei knapp der Hälfte der Befragten
wurde eine geringe bis sehr geringe Nachrichtenkompetenz festgestellt. Dabei
unterscheidet sich die Nachrichtenkompetenz nach Alter und Bildungsabschluss der
Befragten: je jünger die Befragten und je höher ihr Bildungsabschluss, desto
höher ist ihre Nachrichtenkompetenz im Mittel.
Der grün-schwarzen Koalitionsvertrag hält den „Ausbau einer umfassenden
Informations- und Medienkompetenz für alle Altersgruppen“ als ein großes und
bedeutendes Projekt der Legislaturperiode fest. Unter anderem soll die
Initiative „Kindermedienland Baden-Württemberg“ auf alle Altersstufen erweitert,
die Leitperspektive Medienbildung in allen Lehrplänen weiterentwickelt und eine
Task-Force zur Stärkung der Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger
eingerichtet werden.
Anregungen für die Stärkung der Medienkompetenz kann auch eine internationale
Perspektive bieten. In Finnland wird der Medienkompetenz seit langem eine hohe
Bedeutung beigemessen. Im Jahr 2019 hat die finnische Regierung mit „Media
Literacy in Finland“[5] eine umfassende Medienbildungs-Strategie vorgelegt. Die
Strategie hat eine systematische Medienbildung von hoher Qualität zum Ziel,
welche die gesamte Gesellschaft in Finnland adressiert. Im Vereinigten
Königreich führt die Medienaufsichtsbehörde Ofcom seit einem Jahrzehnt jährlich
Erhebungen zur Mediennutzung und -bildung der Bevölkerung durch.
Die vorliegenden Studien und internationalen Beispiele zeigen verschiedene
Handlungsfelder für die Entwicklung der Medienbildung auf. Dazu zählt die
Qualitätsentwicklung und die zielgruppenspezifische Ansprache breiterer
Bevölkerungsgruppen. Zudem kann die empirische Basis von Medienbildungs-
Strategien verbessert werden. Dazu kann eine regelmäßige Erhebung der
Medienkompetenz in der Bevölkerung sowie Forschung zur Wirksamkeit von
medienpädagogischen Maßnahmen beitragen.
Die Landesdelegiertenkonferenz fordert den Landtag und die Landesregierung
Baden-Württemberg auf, geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Informations- und
Medienkompetenz der Bevölkerung auf Basis des Koalitionsvertrags zeitnah auf den
Weg zu bringen und diese durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen
Mittel zu fördern.
Begründung
Verweise: