EGP9: Johannes F. Kretschmann

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es war schwierig, mit Europa Wahlkampf zu machen, und daß es schwierig war, ist beunruhigend aufschlußreich. Als Bundestagskandidat für den ländlichen Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen mußte ich feststellen, daß zwar niemand widerspricht, wenn man die Not Europas und seine Stärkung in dringlichen Worten deklamiert. Doch in näheren Gesprächen entpuppt sich die unkritische Zustimmung oft als schieres Desinteresse oder gar Geringschätzung.

Astreine Demokratinnen und Demokraten haben mir ganz wohlwollend und im Vertrauen verklickert, mit dem Komplex Europa würde ich meine Wahlchancen schmälern, die Leute empfänden das als abgehoben. Mit meinem besonderen Augenmerk auf Osteuropa, das sich u.a. durch mein Studium der Rumänistik speist, stieß ich auf noch mehr Irritation, ja Spott. Putin, Xi Jinping, Erdoğan und Konsorten haben die vom Westen vernachlässigten, vergessenen oder verdrängten Randbereiche ihrer und unserer Einflußsphäre nicht abgeschrieben, ihnen ist es ernst, da können wir sicher sein.

Nur ein politisches Europa, das nicht weiter erodiert, sondern sein Potential ausschöpft und erweitert, wird unseren Wohlstand nachhaltig sichern und dem Klimaschutz die fehlende Wucht verleihen können. Und letztendlich auch darüber entscheiden, ob wir weiterhin in Freiheit und Unabhängigkeit leben werden.

Der zitierte Satz von Václav Havel beschreibt in seiner Doppelbödigkeit präzise die aktuelle Situation: Tatsächlich schwebt Europa in Gefahr, aber es ist Europa selbst, das den eigenen Fortbestand gefährdet. Doch damit spendet er auch Hoffnung und unterstellt, daß wir als Europäerinnen und Europäer das Heft (noch) selbst in der Hand haben und darüber entscheiden können, wohin unser Weg führt.

Vieles wird Deutschland als einwohnerstärkster Staat der EU verstärkt an den Tag legen müssen, damit Europa gedeiht. Die wichtigste Tugend, an der es bisher am meisten mangelte, ist Mut. Als konkrete Aufgabe, die Mut erfordert, weil sie mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet ist, sehe ich die Forcierung von Beitrittsverhandlungen mit aktuellen und potentiellen Kandidaten für eine EU-Mitgliedschaft. Die EU muß raus aus der politischen Defensive, sonst sind es die Anderen, die das Machtgefüge in unseren Breitengraden und sonstwo verschieben.

Mit der Fortführung der Donauraumstrategie hat unser Länd gezeigt, wie man auch mit grüner Sanftheit schlagkräftige Außenpolitik gestalten kann. Auf der Ampelregierung im Bund und unserer designierten grünen Außenministerin lastet eine noch wesentlich schwerwiegendere Verantwortung. Mit Eurem Votum würde ich gerne als baden-württembergischer Gesandter für den EGP Congress unseren BaWü- und Baerbock-Kurs flankieren und stützen. Dafür bitte ich Euch um Euer Vertrauen.

Herzliche Grüße aus dem Tal des großen Europastromes Donau,

Euer JFK

2021 Bundestagskandidat für Zollernalb-Sigmaringen (Listenplatz 21)

2014 Wahl in den Sigmaringer Kreistag, seit 2019 Fraktionsvorsitzender

1999 Eintritt bei B’90/Grüne

1994 Aufbau einer GAJ-Ortsgruppe in Sigmaringen

2011 bis 2019 Redakteur für bluewin.ch

Studium der Religionswissenschaft, Rumänistik und Linguistik in Berlin (M.A.)

Beirat am Zentrum für Mundart der Pädagogischen Hochschule Weingarten

Gründungsmitglied von «konsequent e. V. – Verein zur Abwehr des Antisemitismus»

1978 geboren in Ruit