Veranstaltung: | Digitale LDK am 12.-13.12.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP5.5 Grün wählen und Baden-Württemberg leben |
Antragsteller*in: | Annette Kosakowski |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.12.2020, 11:01 |
Antragshistorie: | Version 1 |
K13NEU: Ein humaner Rechtsstaat ist der Garant für Freiheit und Demokratie
Antragstext
Kapitel 13: Inneres, Recht und Verfassung
Ein humaner Rechtsstaat ist der Garant für Freiheit und Demokratie
Ein Leben in einer freien und offenen Gesellschaft – das zu garantieren ist für
uns Grüne elementare Aufgabe des Rechtstaates. Wir wollen einen selbstbewussten
Staat, der sein Handeln erklärt, begründet und überprüfbar macht. Der das
Vertrauen in staatliche Institutionen stärkt, indem er Kontrollinstrumente
bereitstellt und die Entscheidungen der Justiz nachvollziehbar macht. Menschen,
die Unrecht begangen haben, führt der Rechtsstaat wieder in die Mitte der
Gesellschaft zurück. Seine Sicherheitspolitik ist vorausschauend und basiert auf
Erkenntnissen, die wissenschaftlich belegt sind.
Das Fundament unseres Gemeinwesens sind Bürger*innen, die sich einmischen!
Grundlage dafür ist: Alle haben umfassende Möglichkeiten, direkt an
Entscheidungsprozessen und Veränderungen mitzuwirken. Damit wir gut
zusammenleben können, ist Vertrauen unerlässlich. Die Bürger*innen müssen von
der Integrität demokratischer Institutionen überzeugt sein und sich alle
gleichermaßen gesehen und gehört fühlen. Dann ist unsere Gesellschaft stabil und
für Herausforderungen gut gerüstet.
Wir Grüne stehen für eine Politik des Gehörtwerdens und der Transparenz. Diese
Politik haben wir als grün-geführte Landesregierung erfolgreich mit Leben
gefüllt: Mit dem Amt der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung
haben wir eine in Deutschland einmalige Stelle geschaffen. Baden-Württemberg ist
bundesweite Spitze in Sachen Bürgerbeteiligung und hat bei der direkten
Demokratie sehr stark aufgeholt.
Unsere Bürger*innen haben vielfältige Möglichkeiten, ihre Meinungen zu äußern.
Auf unserem Online-Beteiligungsportal können sie zu Gesetzesvorhaben Stellung
nehmen und ihre Interessen deutlich machen. Sie wollen bei Großprojekten
umfassend beteiligt werden – der Planungsleitfaden verpflichtet die
Landesverwaltung dazu. Wir haben die gesetzlichen Grundlagen für
Volksabstimmungen verbessert und die informelle Bürgerbeteiligung bei der
Planung von Infrastrukturprojekten eingeführt. Die Bürger*innen können nun in
den Städten und Gemeinden auch über die Bauleitplanung abstimmen – und damit
über das wichtigste Planungswerkzeug der städtebaulichen Entwicklung einer
Kommune. In zahlreichen Projekten haben wir Bürgerbeteiligungen umgesetzt – und
damit beispielsweise Konflikte bei der Planung des Nationalparks Schwarzwald
oder der neuen Justizvollzugsanstalt Rottweil gelöst. Wir fördern lokale
Projekte und bringen so die Bürgerbeteiligung zu konkreten Themen ins Land.
Politik des Gehörtwerdens: Beteiligungsmöglichkeiten weiter ausbauen
Wir werden unseren Weg der Politik des Gehörtwerdens beherzt weitergehen. Wir
wollen die Bürgerbeteiligung auf Landesebene und vor Ort in den Kommunen weiter
stärken und den Bürger*innen näherbringen. Dazu gehört auch die Einführung von
direktdemokratischen Elementen auf Landkreisebene. Wir wollen zukünftig bei
wichtigen Gesetzen und politischen Vorhaben Bürger*innenräte aus zufällig
ausgewählten Bürger*innen beteiligen. Um die Ideen, Anliegen und Sorgen der
Bürger*innen noch besser einbeziehen zu können, wollen wir zu Beginn der
kommenden Legislaturperiode ein landesweites Bürger*innenbeteiligungsverfahren
ähnlich der Grand Débat in Frankreich durchführen. Dabei wollen wir mit den
Bürger*innen über ihre Vision für Baden-Württemberg 2030 ins Gespräch kommen.
Wir wollen darüber diskutieren, wie wir gemeinsam die großen Herausforderungen
der Zeit gestalten – vom Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zum
wirtschaftlichen Strukturwandel.
Den Gemeinden wollen wir es ermöglichen, sich eine Beteiligungssatzung zu geben.
Zudem sollen informelle Beteiligungsverfahren in die Gemeindeordnung aufgenommen
und der Einwohnerantrag vereinfacht werden. Wir wollen das
Volksabstimmungsgesetz weiterentwickeln und die Hürden von Volksbegehren und
Volksabstimmungen weiter senken. Den Volksantrag wollen wir so ausbauen, dass
Beteiligungsprozesse aktiv eingefordert werden können. Auch Internet-Formate der
Beteiligung werden wir erweitern und ein Online-Vorschlagswesen entwickeln, in
dem Bürger*innen mit wenigen Klicks Vorschläge zu Themen der Landespolitik
einbringen können.
Unmittelbare Demokratie und kollektive Willensbildung drücken sich aber auch in
Formen des sozialen Protests aus. Das Versammlungsgesetz stammt noch aus den
1970er-Jahren und ist auf Bundesebene verankert. Wir machen uns für ein modernes
und demokratieförderndes Landesversammlungsgesetz stark. Dabei wollen wir uns
beispielsweise am Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein
orientieren.
Für ein modernes Wahlrecht
Wir Grüne setzen uns für ein modernes Wahlrecht ein, das das ganze Land in den
Blick nimmt: Unsere ländlichen Wahlkreise ebenso wie unsere Städte, Frauen wie
Männer, Alte wie Junge, Alteingesessene wie Migrant*innen. Wir streiten deshalb
seit Jahren für eine Modernisierung des Landtagswahlrechts und wollen ein
personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste
einführen. 2019 haben wir 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert. Jetzt ist der
richtige Zeitpunkt für die strukturelle Stärkung von Frauen, Menschen mit
Behinderungen, jungen Menschen und Migrant*innen, damit der Landtag zu einem
echten Abbild unserer Gesellschaft wird.
Junge Menschen sind die Zukunft unseres Landes. Was heute entschieden wird,
betrifft sie morgen! Darum wollen wir ihrer Stimme mehr Geltung verschaffen.
Jede*r dritte Jugendliche in Baden-Württemberg engagiert sich ehrenamtlich. Und
auch die weltweiten Klimastreiks belegen: Junge Menschen möchten sich einbringen
und ihre Zukunft aktiv mitgestalten. Bei den Kommunalwahlen haben wir das
Wahlalter bereits auf 16 Jahre gesenkt, damit sie mitentscheiden können. Nun
wollen wir das auch bei Landtagswahlen erreichen! Außerdem sollen sich 16- und
17-Jährige bei Kommunalwahlen selbst zur Wahl stellen können, also das passive
Wahlrecht erhalten. Die kommunale Ebene ist der richtige Ort, um Jugendlichen
noch mehr Mitspracherechte zu geben. Das Mindestalter bei Kandidat*innen für
Bürgermeister*innenwahlen wollen wir auf 18 senken und die Höchstaltersgrenzen
abschaffen. Unsere Gesellschaft in Baden-Württemberg ist vielfältig. Auch
Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gehören zu uns dazu. Wer hier
lebt, soll auch mitentscheiden können. Deswegen möchten wir ihre Möglichkeiten
der politischen Teilhabe weiter ausbauen: Wir fordern das Wahlrecht für EU-
Bürger*innen bei Landtagswahlen und auch das Wahlrecht für Drittstaatsangehörige
auf kommunaler und Landesebene. Auch das Wahlrecht von Wohnsitzlosen wollen wir
uneingeschränkt ermöglichen.
Um die Einflussmöglichkeiten der Bürger*innen zu stärken, werden wir die
Direktwahl von Landrät*innen einführen und ihre Amtszeit an die
Kommunalwahlperiode koppeln. Bei Wahlen zu (Ober-)Bürgermeister*innen und
Landrät*innen soll es eine echte Stichwahl geben. Wir werden prüfen, ob diese
bereits in den ersten Wahlgang integriert werden kann. Die unechte Teilortswahl
hat sich überlebt. Wir wollen sie im Dialog mit den Kommunen prüfen.
Für Transparenz, Unabhängigkeit und Datenschutz
Bürger*innen haben Anspruch darauf, Zugang zu Informationen der öffentlichen
Verwaltung zu bekommen. Dafür haben wir als grün-geführte Landesregierung mit
dem Informationsfreiheitsgesetz gesorgt. Dieses Gesetz wollen wir zu einem
modernen Transparenzgesetz weiterentwickeln, etwa indem wir Auskunftsrechte
ausweiten. Die grünen Landtagsabgeordneten geben schon seit vielen Jahren
freiwillig an, welche mandatsbezogenen Nebeneinkünfte sie haben. Dazu wollen wir
zukünftig alle Abgeordneten verpflichten! Wir wollen ein Lobbyregister, das
transparent macht, welche Interessenvertreter*innen mit dem Landtag in Kontakt
sind. Jedes Gesetz wird zudem mit einem legislativen Fußabdruck versehen – also
einer Liste mit allen Lobbyist*innen, zu denen es im Zuge der
Gesetzeserarbeitung Kontakt gab. Zusätzlich wollen wir in Konfliktfällen eine
mindestens 18-monatige Karenzzeit, bevor Mitglieder der Landesregierung in die
Privatwirtschaft wechseln dürfen. Auch Geschäftsführer*innen kommunaler
Unternehmen sollen ihre Einkünfte offenlegen müssen.
Bei uns gilt schon lange: „Datenschutz ist Bürger*innenrecht.“ Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung ist ein elementares Gut in unserer Demokratie.
Deswegen haben wir den Landesbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestärkt. Diesen
Weg gehen wir weiter. Unser Fokus liegt auf Datensparsamkeit und
Datensicherheit. Daten müssen an sicheren Orten gespeichert werden, die strengen
Datenschutz- und Zugriffsregelungen unterliegen.
In Freiheit und Sicherheit zusammenleben
Mit uns als grün-geführter Landesregierung ist Baden-Württemberg so sicher wie
nie zuvor! In den vergangenen Jahren ist die Zahl der klassischen
Kriminalitätsdelikte deutlich zurückgegangen – insbesondere bei
Wohnungseinbrüchen. Wir haben unsere Sicherheitsbehörden sowie Spezialeinheiten
für die Terrorismusabwehr gestärkt. Mit Städten, die besonders durch
Kriminalität belastet sind, haben wir erfolgreich Sicherheitspartnerschaften
abgeschlossen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Kriminalität ist auf dem
niedrigsten Stand seit über 30 Jahren. Unser besonderer Dank und unser ganzer
Respekt gilt den Polizist*innen sowie den Mitarbeitenden der Feuerwehr und der
Rettungsdienste. Leider erfahren sie immer häufiger gewalttätige Übergriffe und
Respektlosigkeit. Dem stellen wir uns entschieden entgegen. Die grün-geführte
Landesregierung hat die Rechtsgrundlagen dafür geschaffen, dass das Land
Schmerzensgeldansprüche von Beamt*innen übernimmt, die Opfer von Gewalttaten
wurden.
Sicherheit ist kein Selbstzweck, sondern Grundvoraussetzung für ein
freiheitliches Leben. Allerdings bringen gesetzgeberische Maßnahmen und
planvolles Regierungshandeln allein nicht mehr Sicherheit: Dafür braucht es
hochmotivierte und gut ausgebildete Polizist*innen.
Wir sind überzeugt: Ein humaner Rechtsstaat ist der entscheidende Garant für ein
Zusammenleben in Freiheit und Sicherheit. Es ist ein gefährlicher Irrweg, auf
Gefährdungen der inneren Sicherheit mit immer weitergehenden Einschränkungen
unserer Freiheits- und Bürger*innenrechte zu reagieren. Wir stehen dafür, die
bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden. Wir setzen auf Sicherheitsbehörden,
die rechtsstaatlich handeln und gut ausgestattet sind. Deshalb haben wir die
Polizei mit der größten Einstellungsoffensive in der Geschichte der
Landespolizei gestärkt. Diesen Weg führen wir weiter. Gut ausgestattet heißt
auch: Die Polizei muss aus technischer Sicht auf der Höhe der Zeit sein. In der
nächsten Legislaturperiode werden wir daher die Digitalisierung der Polizei
weiter voranbringen. Daher wollen wir für schnelles Internet in jedem
Polizeirevier sorgen, die Ausstattung mit mobilen Endgeräten verbessern und die
Polizei bei der Verfolgung von Straftaten im digitalen Raum stärken. Dazu gehört
auch die Sensibilisierung im Umgang mit Cybercrime-Delikten. Die Bereitstellung
zusätzlicher gefährlicher Waffen, wie z.B. Elektroschockpistolen, lehnen wir ab.
Zudem wollen wir die zweigeteilte Laufbahn einführen.
Um die Polizeireform zu evaluieren, haben wir die Mitarbeiter*innen der Polizei
befragt. Diese umfassende Basisbefragung war in dieser Form bislang einmalig und
hat gezeigt: Basisbeteiligung ist unsere grüne Kernkompetenz. Die Rückmeldungen
haben wir zum Anlass für Verbesserungen genommen. Im nächsten Schritt wollen wir
einen Sicherheitsplan 3 auflegen, um die polizeilichen Einsatzkräfte
entsprechend der Bevölkerungs- und Kriminalitätsschwerpunkte gerecht zu
verteilen.
Eine bürgernahe Polizei ist auch Spiegelbild unserer vielfältigen und diversen
Gesellschaft. Schon jetzt gehört Baden-Württemberg zu den Bundesländern, die im
Vergleich besonders viele Frauen im Polizeidienst haben. Wir haben viel dafür
getan, dass auch mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in den Polizeidienst
eintreten. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Wir setzen uns dafür ein, dass
sich die gesellschaftliche Vielfalt bis in die Führungspositionen widerspiegelt.
Polizist*innen üben einen sehr anspruchsvollen Beruf aus, bei dem sie häufig
schwierigen Situationen ausgesetzt sind. Dabei muss es für Polizeibeamt*innen
möglich sein, Fehler und Schwächen einzugestehen. Hierfür bedarf es einer
funktionierenden Fehlerkultur mit entsprechenden Unterstützungsangeboten wie zum
Beispiel Supervisionen. Außerdem wollen wir das psychosoziale
Gesundheitsmanagement bei der Polizei verbessern.
Zu einem sicheren Baden-Württemberg gehören auch die vielen Haupt- und
Ehrenamtlichen in den Feuerwehren, Rettungsdiensten und Hilfsorganisationen. Wir
werden sie weiterhin bei der Modernisierung und Beschaffung ihrer Ausstattung
sowie bei einer hochwertigen Aus- und Weiterbildung unterstützen. Wir werden das
freiwillige Engagement dieser Gruppe, aber auch vieler anderer Ehrenamtlicher
mit einer Ehrenamtskarte honorieren. Als amtliches Dankeschön bekommen die
Inhaber*innen einer solchen Karte Vergünstigungen, zum Beispiel beim Eintritt in
Schwimmbäder oder Museen.
Vertrauen in den Rechtsstaat stärken
Zu einem souveränen Staat gehört eine funktionierende Fehlerkultur: Die
staatlichen Vertreter*innen sind ansprechbar, reflektieren und handeln mit
offenem Visier. Sie begründen ihr Handeln nachvollziehbar und setzen sich
transparent mit den Argumenten anderer auseinander. Damit stärken wir das
Vertrauen in staatliche Strukturen.
Das Petitionsrecht ist ein elementarer Bestandteil unserer Politik des
Gehörtwerdens. Es stellt sicher, dass der Landtag für alle Bürger*innen
ansprechbar ist. Dieses Recht gilt es weiterhin zu schützen und auszubauen.
Daher haben wir die Möglichkeit geschaffen, Petitionen auch online einzureichen.
In einem weiteren Schritt wollen wir nun die Möglichkeit der Mitzeichnung
ermöglichen. Daneben wollen wir die Erkenntnisse der einzelnen
Petitionsverfahren noch stärker systematisch erfassen und in das zukünftige
Handeln des Landtages und der Landesregierung einfließen lassen.
Mit dem Amt der*des Bürger- und Polizeibeauftragten haben wir als grün-geführte
Landesregierung eine neutrale Stelle geschaffen, die Menschen im Umgang und bei
Konflikten mit den landeseigenen Verwaltungs- und Polizeibehörden unterstützt.
Sowohl Bürger*innen als auch Polizist*innen können sich an sie wenden, wenn sie
den Eindruck haben, dass sich Angehörige der öffentlichen Verwaltung oder der
Landespolizei nicht richtig verhalten haben. Damit stärken wir das
partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürgerschaft, Polizei und Staat und
unterstützen eine dialogorientierte Polizei- und Verwaltungskultur. Wir werden
dieses Amt enger an den Landtag angliedern und stärken, indem wir es personell
ausbauen und mit weiteren Befugnissen ausstatten. Der*die Bürger- und
Polizeibeauftragte soll u.a. das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht gegenüber
der Polizei bekommen. Darüber hinaus muss die Unabhängigkeit der Kontrolle von
Polizei und Verwaltung auch in strafrechtlichen Ermittlungen gestärkt werden.
Hierfür werden wir ein wirksames Konzept erarbeiten.
Die individualisierte und anonymisierte Kennzeichnungspflicht von Polizist*innen
wird zunehmend zum europäischen Standard. Wir wollen diese auch für
Einsatzkräfte der Polizei in Baden-Württemberg einführen. Die Regelungen zum
Einsatz von Bodycams wollen wir so weiterentwickeln, dass sie auch die
Bürger*innenrechte schützt.
Mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) kann die Arbeit des Landesamtes
für Verfassungsschutz regelmäßig überprüft werden. Wir haben das Gremium mit
erweiterten Kontrollbefugnissen wie Akteneinsichts- und Zugangsrechten
ausgestattet. Bedienstete des Landesamtes für Verfassungsschutz können sich nun
zudem direkt an das Kontrollgremium wenden, ohne den Dienstweg einzuhalten. Wir
wollen das PKG weiter stärken, denn Demokratie lebt von Kontrolle:
Beispielsweise soll der Landesdatenschutzbeauftragte künftig an allen Sitzungen
teilnehmen. Das PKG soll auch öffentlich tagen und sich mit den
Parlamentarischen Kontrollgremien anderer Bundesländer noch besser vernetzen
können.
Für eine moderne, bürgerrechtsorientierte und evidenzbasierte Sicherheitspolitik
Eine erfolgreiche Sicherheitspolitik stützt sich auf wissenschaftliche
Erkenntnis. Wir lehnen es ab, nach Gewalttaten die Sicherheitsgesetze reflexhaft
zu verschärfen. Ziel sollte vielmehr sein, Straftaten mit Prävention zu
verhindern. Daran wollen wir unsere Sicherheitsarchitektur ausrichten.
Sicherheit heißt für uns nicht nur klassische polizeiliche Kriminalprävention.
Auch städtebauliche und sozialarbeiterische Belange gehören für uns dazu. Mit
dem Gesamtkonzept „Sichere öffentliche Räume“ haben wir umfangreiche und vor
allem interdisziplinäre Maßnahmen für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum
vorgelegt: Wir vernetzen damit Akteur*innen, entwickeln die kommunale
Kriminalprävention weiter, bauen Hilfs- und Beratungsangebote aus, stärken die
Straßensozialarbeit und nehmen städtebauliche Aspekte in den Blick. Dieses
Konzept werden wir umsetzen und ausbauen. Wir wollen den Kommunen dabei mehr
Handlungsspielräume geben. Dafür wollen wir die landesweiten Sperrzeiten
abschaffen. Wir Grüne wollen rechtsstaatlich, effektiv und wirkungsvoll für
Sicherheit in Baden-Württemberg sorgen – mit Instrumenten, die einen
sicherheitspolitischen Mehrwert bieten. Konkret schlagen wir deshalb eine Task
Force im Innenministerium vor. Sie soll intensiv daran arbeiten, offene
Haftbefehle in Baden-Württemberg schnell zu vollstrecken. Im Bund machen wir uns
für eine Verschärfung des Waffenrechts stark.
Wir wollen einen modernen Sicherheitsbericht, der das Dunkelfeld intensiver
wissenschaftlich auswertet – also die Straftaten, die nicht amtlich registriert
werden. Auf diese Weise erhalten wir die Grundlage für eine evidenzbasierte
Sicherheitspolitik. In den vergangenen 20 Jahren wurden die Sicherheitsgesetze
deutlich verschärft. Wir werden diese unter bürgerrechtlicher Perspektive
überprüfen und gebotene Verbesserungen vornehmen. Insbesondere die intelligente
Videoüberwachung wollen wir kritisch auswerten. Der öffentliche Raum ist für uns
ein Ort der freien Begegnung. Deshalb setzen wir der Videoüberwachung des
öffentlichen Raums klare Grenzen. Bürger*innen müssen in einem öffentlichen
Register einsehen können, wo diese stattfindet. Die konventionelle
Videoüberwachung findet vor allem im öffentlichen Nahverkehr und bei privaten
und öffentlichen Liegenschaften statt: Wir machen uns dafür stark, diese
regelmäßig unter Einbindung des Landesdatenschutzbeauftragten zu evaluieren.
Wir stellen uns entschieden gegen Versuche, die biometrische Überwachung
einzuführen. Wir bleiben bei unserem „Nein“ zur Vorratsdatenspeicherung.
Der Sinn von Strafen liegt vor allem darin, Täter*innen wieder in die
Gesellschaft einzugliedern und künftige Straftaten zu verhindern. Das Strafrecht
anzuwenden, ist nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ultima
Ratio. Und das soll auch so bleiben! Wir unterstützen daher Maßnahmen und
Reformen zur Haft- und Strafvermeidung. Wir wollen Ersatzfreiheitsstrafen
einschränken. Programme wie „Schwitzen statt Sitzen“ wollen wir stärken und
veraltete Strafvorschriften überprüfen. Bagatelldelikte wie das Containern
sollen entkriminalisiert werden. Gleichzeitig wollen wir Wirtschaftskriminalität
effektiv verfolgen. Es darf nicht sein, dass Kleinstkriminalität geahndet wird –
für schwere Wirtschaftskriminalität aber keine Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Wir wollen den Kleinkriminalitäts-Erlass für Schäden bis 25 Euro wieder
einführen.
Wir möchten die Befugnisse der Polizei zur heimlichen Überwachung begrenzen.
Dabei muss die Integrität informationstechnischer Systeme gewahrt werden. Wir
lehnen Zwangshintertüren und Generalschlüssel für Messengerdienste ab und wollen
Sicherheitslücken schließen, statt sie auszunutzen. Wenn sich heimliche
Überwachung nicht vermeiden lässt, muss die Priorität darauf gelegt werden, den
Betroffenen im Nachhinein den Rechtsweg zu ermöglichen, indem ihnen die
Überwachung mitgeteilt wird. Flankierend wollen wir das rechtsstaatliche
Kontrolldefizit während der heimlichen Überwachung abfedern, indem wir ein
parlamentarisches Kontrollgremium einführen, das sich mit geheimen Maßnahmen der
Polizei befasst.
Wir stellen uns jeder Aufweichung des Trennungsgebots von Polizei und
Verfassungsschutz entgegen und machen uns für einen bundesweiten Reformprozess
der Landesämter für Verfassungsschutz stark. Wir wollen ein Institut schaffen,
das offen zugängliche Quellen auswertet und so verfassungsfeindliche
Bestrebungen wissenschaftlich analysiert. Nachrichtendienstliche Mittel sollen
nur bei gewaltbereiten Organisationen eingesetzt werden. Wir stützen uns auf die
Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und wollen den Einsatz
von V-Leuten grundlegend reformieren und drastisch einschränken. Sie sollen nur
in absoluten Ausnahmefällen aktiv werden, wenn das Innenleben äußert
gefährlicher, verfassungsfeindlicher Organisationen nicht anders ausgeleuchtet
werden kann. V-Leute dürfen selbst keine Straftaten begehen. Wenn sie Hinweise
auf Straftaten geben, müssen diese uneingeschränkt verfolgt werden. Wir wollen
den Landesverfassungsschutz dazu verpflichten, dem Landtag über den Einsatz von
V-Leuten proaktiv und regelmäßig Bericht zu erstatten.
Konsequent gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Hasskriminalität
Wir Grüne stellen uns konsequent gegen jeglichen gewaltbereiten Extremismus. Die
rechtsterroristischen Attentate der vergangenen Jahre zeigen auf schmerzliche
Weise: Insbesondere Rechtsextremismus und Hasskriminalität bedrohen unsere freie
und offene Gesellschaft ganz massiv. Traurige Beispiele aus jüngster Zeit: der
Anschlag in Hanau, das Attentat auf eine Synagoge in Halle sowie die Ermordung
des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. In den vergangenen Jahren
haben wir daher einen Paradigmenwechsel eingeleitet und ein Antiterror-Paket
Rechtsextremismus geschnürt: Wir haben unsere Sicherheitsbehörden mit weiteren
Stellen und Mitteln ausgestattet und im Landesamt für Verfassungsschutz eine
spezielle Abteilung eingerichtet.
Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit äußern sich aber nicht nur
in physischer Gewalt, Beleidigungen und Bedrohungen. Es gibt Alltagsrassismus
und strukturell bedingte Diskriminierung. Diese Erfahrungen sind für viele
Betroffene häufig am prägendsten, weil sie Tag für Tag damit konfrontiert sind.
Uns geht es auch darum, diese Strukturen und unser eigenes Verhalten kritisch zu
hinterfragen. Darauf aufbauend werden wir politische Strategien gegen Rassismus
noch gezielter entwickeln und in unsere parlamentarische Arbeit einbringen
können. Für uns ist klar: Wir müssen uns mit diesen Erfahrungen
auseinandersetzen und Menschen vor Diskriminierung besser schützen. Wir stehen
an der Seite der Black-Lives-Matter-Bewegung und solidarisieren uns mit
Organisationen, Vereinen und Initiativen, die sich für Antirassismus und
Antidiskriminierung einsetzen.
Wir Grüne wollen mit Herz und Haltung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
entgegentreten – mit einem ressortübergreifenden Aktionsplan gegen Rassismus,
Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Die einzelnen Maßnahmen betreffen sowohl
Polizei und Justiz als auch die Zivilgesellschaft:
Wir wollen die Mitarbeitenden in Sicherheitsbehörden und Justiz besser darin
ausbilden, politisch motivierte Hasskriminalität zu bekämpfen und mit den
Betroffenen sensibel umzugehen. Mit mehr Pflichtfortbildungen werden wir dieses
Ziel erreichen. Landesweit wollen wir an jeder Dienststelle des polizeilichen
Staatsschutzes eine Kontaktperson benennen, die für die Bekämpfung von
Hasskriminalität zuständig ist. Eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft soll diese
Fälle dann mit Entschlossenheit und Expertise verfolgen. An diese soll die
Empfehlung ergehen: Wenn ein Fall von Hasskriminalität vorliegt, sollte
regelmäßig das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht
werden.
Die überwältigende Mehrheit der Mitarbeitenden in den Sicherheitsbehörden steht
zu unseren demokratischen Werten. Klar ist aber auch: Wir dürfen rechtsextreme
Vorfälle nicht als Einzelfälle verharmlosen. Um ein besseres Lagebild zu
erhalten, müssen der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit den
zuständigen Behörden auf der bestehenden Gesetzeslage verstärkt werden. Nur so
kann es eine umfassende Analyse von möglichen Netzwerkstrukturen geben. Wir
wollen konsequent gegen rechtsextreme Bestrebungen und Vorfälle in
Sicherheitsbehörden vorgehen, denn sie stellen ein immenses Sicherheitsrisiko
dar. Wer unsere Demokratie infrage stellt und andere bedroht, darf nicht Teil
der Sicherheitsbehörden unseres Staates sein. Strukturen und Instrumente des
„Whistleblower-Schutzes“ werden wir implementieren und ausbauen. Damit weiten
wir auch die EU-Whistleblower-Richtlinie auf Verstöße gegen nationales Recht
aus. Wir wollen das Ombudswesen weiter stärken und die Stelle der*des Bürger-
und Polizeibeauftragten aufwerten.
Mit einer wissenschaftlichen Studie wollen wir Erkenntnisse darüber gewinnen,
welche Erfahrungen Bürger*innen mit öffentlichen Stellen gemacht haben. Dabei
soll es um verschiedene Formen der Diskriminierung gehen wie zum Beispiel das
Racial Profiling. Gleichzeitig wollen wir mit der Studie auch die Haltung der
Mitarbeiter*innen in den Sicherheitsbehörden in Erfahrung bringen. Damit können
wir uns ein Bild verschaffen und auf Grundlage einer validen Datenbasis mögliche
Gegenmaßnamen ergreifen. Wir setzen uns für den Abbau von Vorurteilen ein. Alle
Menschen in dieser Gesellschaft müssen das Gefühl haben, sich vertrauensvoll an
die Polizei wenden zu können. Damit stärken wir das Vertrauen in den Staat.
Zivilgesellschaftliches Engagement, Forschung und politische Bildung sind unsere
wichtigsten Instrumente im Kampf gegen rechts. Darum werden wir die
Landeszentrale für politische Bildung stärken und Präventionsangebote sowie
Deradikalisierungsprogramme ausweiten. Mit einem Landesdemokratiefördergesetz
wollen wir Projekte und Träger unterstützen, die sich gegen Rassismus und für
eine plurale Demokratie einsetzen – mit einer stetigen und ausgebauten
Strukturförderung. Daneben wollen wir ein regelmäßiges, wissenschaftliches
Demokratiemonitoring durchführen, das über den Zustand der Demokratie im Land,
aber auch die Erwartungen der Bürger*innen an die Demokratie aufklärt. Wir
werden Meldemöglichkeiten für Hetze im Netz verlässlich fördern und
bedarfsgerecht ausweiten. Das gleiche gilt für Beratungsangebote für Menschen,
die von rechter Gewalt betroffen sind, wie zum Beispiel die Fachstelle
„Leuchtlinie“. Mit einem Forschungsprojekt wollen wir untersuchen, welche
individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen Hasskriminalität in Baden-
Württemberg hat. Wir werden das Projekt #RespektBW der Landesregierung und die
begleitende Informationskampagne „BITTE WAS?! Kontern gegen Fake und Hass“
fortführen. Wir wollen Beratungsangebote zum Umgang mit Verschwörungsmythen
ausweiten und stärken. Wir haben am Generallandesarchiv Karlsruhe eine
Dokumentationsstelle Rechtsextremismus eingerichtet, die wir weiterentwickeln
werden. Daran anschließend werden wir eine Forschungsstelle etablieren, um mit
wissenschaftlichen Methoden das Spektrum rechtsextremistischer Akteur*innen und
Ideologien zu erforschen. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur
Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg wollen wir nach
Abschluss der Strafverfolgungsaufgaben am bestehenden Standort weiterentwickeln.
Sie soll zu einem Zentrum für Dokumentation, Forschung, Information, Erinnerung
und Begegnung werden. Dazu wollen wir bereits jetzt den Grundstein legen. Ihr
Ziel soll es sein, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte zu
fördern.
Wir sehen, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Rassismus,
Antisemitismus und Diskriminierungen gegen Sinti und Roma äußern sich nicht nur
in offener Hasskriminalität, sondern auch in Alltagssituationen wie auf dem
Wohnungsmarkt oder im Bildungssystem. Teilhabe ist ohne den Abbau von
institutioneller Diskriminierung nicht möglich. Deshalb möchten wir
Kooperationen mit migrantischen Organisationen schaffen, die Antirassismusarbeit
aus Perspektive der Betroffenen machen. Wir werden kritische Rassismusforschung
an Hochschulen in Baden-Württemberg dauerhaft etablieren. Auch in der
Schulbildung wollen wir antirassistisches Denken verankern. Das Lehramtsstudium
muss eine Auseinandersetzung mit strukturellem Rassismus umfassen. Für
Lehrkräfte wollen wir entsprechende Fort- und Weiterbildungen ausbauen.
Islamismus nachhaltig und konsequent bekämpfen
Wir Grüne lehnen jegliche islamistischen und extremistischen Bestrebungen
konsequent ab. Islamist*innen bekämpfen unsere liberale Gesellschaft und unsere
freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Anschläge von Wien, Nizza,
Conflans-Sainte-Honorine und Dresden haben noch einmal gezeigt, dass wir
gegenüber dieser Gefahr einen handlungsfähigen Rechtsstaat und eine aktive
Zivilgesellschaft brauchen. Das geht nur gemeinsam mit den Muslim*innen, nicht
gegen sie. Wir stellen uns antimuslimischen Ressentiments und Rassismus in
unserer Gesellschaft klar entgegen.
Islamistische Bestrebungen weisen wir mit einem zielgerichteten Maßnahmenpaket
aus Bildung, Prävention und juristischer Konsequenz in die Schranken. Dabei sind
alle Instrumente kontinuierlich auf Verhältnismäßigkeit, Rechtsstaatlichkeit und
Wirksamkeit zu überprüfen. Auch gegen nichtislamistische extremistische
Organisationen mit Verbindungen ins Ausland müssen wir konsequent vorgehen.
Hierzu sind insbesondere auch die Grauen Wölfe („Ülkücü-Bewegung“) zu zählen.
In Baden-Württemberg haben wir die Sicherheitsbehörden für die Terrorismusabwehr
mehrfach gestärkt. Sie brauchen wirksame Instrumente. Den intensiven
behördenübergreifenden Informationsaustausch auf Landes- und Bundesebene,
insbesondere im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin (GTAZ), gilt es zu
verstetigen und personell zu stärken. Zudem drängen wir auf eine Reform des
GTAZ, um seine Arbeit und Zuständigkeiten klarer zu regeln. Die bestehenden
Präventionsangebote, inklusive Deradikalisierungs- und Ausstiegsprogrammen,
müssen weiter ausgebaut, besser ausgestattet und verstetigt werden.
Für eine starke, leistungsfähige und humane Justiz
Eine leistungsfähige und humane Justiz ist das Fundament unseres Rechtstaates.
Kriminelles Fehlverhalten muss zeitnah sanktioniert werden. Neben der Polizei
wollen wir den Weg der Stärkung auch bei der Justiz weitergehen. Wir haben daher
in der vergangenen Legislaturperiode über 1000 neue Stellen in der Justiz
geschaffen – und wir werden hier weitermachen! Dazu gehört auch, die Justiz für
Berufseinsteiger*innen attraktiver zu machen.
Denn nur dann können Gerichtsverfahren – von Zivilrechtsstreitigkeiten über
Strafprozesse bis hin zu Asylverfahren – schnellstmöglich durchgeführt werden.
Und nur dann kann die Justiz auch bei besonderen Lagen wie Großverfahren
kurzfristig reagieren. Schneller, effektiver Rechtsschutz und Strafen, die der
Tat auf dem Fuße folgen, sind für den Rechtsfrieden unerlässlich. Ein baden-
württembergisches Erfolgsmodell sind die Häuser des Jugendrechts, in denen
Sozialarbeit und Jugendhilfe mit Polizei und Staatsanwaltschaft
zusammenarbeiten. Hier helfen wir jungen Menschen, anstatt sie auszugrenzen.
Andere Bundesländer haben das Konzept bereits übernommen. Wir wollen den
flächendeckenden Ausbau in Baden-Württemberg weiter voranbringen. Die
Wahrnehmung ihrer Rechte muss für alle Bürger*innen unabhängig vom Geldbeutel
möglich sein. Angebote, die Zugang zum Recht für jede*n garantieren, wollen wir
weiter ausbauen und vereinfachen. Dazu gehören etwa Bürgertelefone,
Rechtsantragsstellen, die kostenfreie Beratungshilfe und die Prozesskostenhilfe.
Die Digitalisierung verändert unsere Justiz grundlegend. Baden-Württemberg ist
hier in Deutschland Vorreiter. Dies eröffnet Chancen auf mehr Bürgernähe durch
direkte, digitale Zugangsmöglichkeiten und auf eine effektivere Organisation der
Gerichte. Wir wollen diese Chancen nutzen – nicht zuletzt, damit der
gerichtliche Rechtsschutz auch in Zeiten einer Pandemie sichergestellt bleibt.
Gesetzlich sind beispielsweise auch Videoverhandlungen möglich. Sie dürfen nicht
daran scheitern, dass es den Gerichten an der technischen Ausstattung fehlt.
Zudem wollen wir möglichst vielen Beschäftigen ein mobiles Arbeiten ermöglichen,
das umwelt- und familienfreundlich ist.
Die Justiz soll möglichst viele Erfahrungswelten widerspiegeln. Nur so sind
sachgerechte Entscheidungen möglich. Und nur so ist sichergestellt, dass sich
alle Menschen unserer vielfältigen Gesellschaft von der Justiz repräsentiert
fühlen. Das erhöht die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen bei den
Bürger*innen. Deshalb wollen wir mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der
Justiz. Obwohl Frauen mittlerweile über die Hälfte der neu eingestellten
Richter*innen und Staatsanwält*innen stellen, sind sie in Führungspositionen
noch immer stark unterrepräsentiert. Das wollen wir ändern! Dafür wollen wir
beispielsweise Funktionsämter auch in Teilzeit ermöglichen. Die Einstellung
neuer Richter*innen sollte transparent, die jeweilige Gerichtsbarkeit und der
Präsidialrat sollten miteinbezogen sein. Wir wollen die Entscheidungen, wer
warum eingestellt und befördert wird, nachvollziehbarer machen. Gleiches gilt
auch für die dienstrechtlichen Beurteilungen. Wir wollen evaluieren, an welchen
Stellen die Prüfungsordnungen der Juristischen Staatsprüfungen und das
Referendariat modernisiert werden müssen. Unter anderem wollen wir ein
Referendariat in Teilzeit ermöglichen und Prüfungskommissionen mit mehr Frauen
besetzen.
Die Justiz und der Rechtsstaat müssen für die Bürger*innen nahbar und
nachvollziehbar sein. Möglichkeiten dazu bieten das Güterichtermodell und die
Mediation. Sie helfen den Parteien, ihren Konflikt eigenverantwortlich zu lösen.
Wir wollen das Güterichtermodell flächendeckend durch dafür ausgebildetes
Personal anbieten. Außerdem wollen wir eine Mediationskostenhilfe einführen.
Die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz muss ausgebaut werden. Sie ist ein
wichtiges Element, um Gerichtsverfahren und Entscheidungen auch über die
herkömmlichen Medien hinaus nachvollziehbar und verständlich zu kommunizieren.
Wir befürworten eine stärkere Selbstverwaltung der Justiz. Die
Gerichtsorganisation muss stärker als bisher bei den Gerichten selbst liegen und
demokratisch strukturiert sein. Wir wollen das ministerielle Einzelweisungsrecht
von Justiz- und Innenministerium einschränken, um unabhängige Ermittlungen zu
garantieren.
Für nachhaltigen Opferschutz und einen humanen Strafvollzug
Auf unsere Initiative hin wurde im Landtag die AG „Moderner Strafvollzug“
eingerichtet. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen der Expert*innen werden wir
umsetzen. Das betrifft beispielsweise die Förderung der Resozialisierung der
Inhaftierten, dringend notwendige bauliche Maßnahmen und die Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten im Vollzug. Darüber hinaus wollen wir bestehende Regeln des
Justizvollzugs auf Wiedergutmachung bzw. Opferorientierung ausrichten.
Ein Rechtstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er den Menschen in seiner Obhut
humane Haftbedingungen gewährt und menschenrechtliche Vorgaben berücksichtigt.
Hier wollen wir ansetzen, beispielsweise mit einem Bauprogramm zur
Modernisierung von Justizvollzugsanstalten, mit Spezialabteilungen für ältere
Gefangene und Online-Zugängen. Zudem müssen die Aus- und
Weiterbildungsmöglichkeiten – insbesondere im Jugendstrafvollzug – ausgebaut
werden. Die Gefangenenseelsorge wollen wir für alle Glaubensrichtungen, bei
denen Ausbaubedarf besteht, ausweiten. Menschen in staatlichem Gewahrsam
brauchen eine Person, der sie sich anvertrauen können und die ihnen eine Stimme
gibt. Deswegen wollen wir die Stelle einer*s Justizvollzugsbeauftragten am
Landtag einrichten, die*der im Jahresturnus an den Landtag und an die
Landesregierung berichtet. Der Zuständigkeitsbereich wird sich am Vorbild der
Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter orientieren. Er soll alle Formen
freiheitsentziehender Maßnahmen in Einrichtungen des Landes umfassen. Dazu
gehören auch die Abschiebehaft, der polizeiliche Gewahrsam und die
psychiatrische Unterbringung.
Eine humane Justiz gibt dem Opferschutz höchste Priorität. Wir haben aus diesem
Grund die Opferentschädigungen verdoppelt und die Stelle einer*s
Opferschutzbeauftragten geschaffen. An diese Stelle können sich Betroffene von
Gewalttaten wenden, um passende Unterstützungsangebote zu finden. Wir wollen die
Stelle stärken und Strukturen des Opferschutzes weiterentwickeln. Dazu gehört
insbesondere der Ausbau der verfahrensunabhängigen, pseudonymisierten
Spurensicherung und der Traumaambulanzen. Wir wollen unter Leitung der*des
Landesopferschutzbeauftragten zentrale Lotsen an jedem Landgericht installieren
und den Täter-Opfer-Ausgleich stärken.
In bestimmten Verfahren – beispielsweise zu Kinderschutzsachen – sollen
nachgewiesene Fortbildungen bzw. Vorkenntnisse Voraussetzung der
Stellenübertragung sein. Auch die Verfahren selbst wollen wir mit Blick auf den
Opferschutz überprüfen und verbessern. Eine Reviktimisierung der Betroffenen
muss verhindert werden. Wir wollen es zum Beispiel den Opfern sexualisierter
Gewalt ersparen, in der Strafverhandlung auf ihre*n Peiniger*in zu treffen. Dazu
werden wir der Videobefragung noch mehr Geltung verschaffen.
Darum Grün!
Wer Grün wählt, stimmt für
- mehr Mitbestimmung und Transparenz sowie einen bürgernahen Staat mit
aktiven, aufgeklärten Bürger*innen, die sich einmischen
- Vielfalt und eine offene Gesellschaft auf allen Ebenen
- Sicherheit und Freiheit, die Hand in Hand gehen – weil Sicherheit kein
Selbstzweck ist, sondern Voraussetzung für ein freiheitliches Leben