Veranstaltung: | LDK in Weingarten am 14./15.10.2023 |
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Tagesordnungspunkt: | V Sonstige Anträge und Resolutionen |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | 43. Landesdelegiertenkonferenz in Weingarten |
Beschlossen am: | 15.10.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Stärkung der Kinder- und Jugendbeteiligung
Beschlusstext
Die Landesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg setzt
sich dafür ein, die politische Kinder- und Jugendbeteiligung auf allen Ebene zu
unterstützen und zu stärken.
Demokratie lebt vom Einsatz aller Bürger*innen. Dafür ist es wichtig, dass
Kinder und Jugendliche von Anfang an mit demokratischen Beteiligungs- und
Mitmachmöglichkeiten in Berührung kommen. Sie müssen lernen, ihre eigenen
Interessen zu formulieren und diese aktiv in den politischen
Entscheidungsprozess einbringen zu können. Eine starke Teilhabe von Kindern und
Jugendlichen an politischen Prozessen sowie eine wirksame Politik der
Beteiligung und Einbindung tragen dazu bei, dass junge Menschen demokratische
Entscheidungen hautnah miterleben und Entscheidungen, die sich auf ihre Zukunft
direkt auswirken, selbst mit beeinflussen können. Dadurch werden das Bewusstsein
und die Akzeptanz für unsere Demokratie bereits „von klein auf“ gestärkt.
Gleichzeitig wird mithilfe von politischer Kinder- und Jugendbeteiligung die
Kompetenz der Selbstwirksamkeit vermittelt, wodurch die Resilienz der jungen
Menschen im Umgang mit den vorherrschenden Krisen eindeutig gestärkt wird.
In Baden-Württemberg haben wir mit den Reformen des Landtagswahl- und
Kommunalwahlrechts bereits erreicht, dass junge Menschen ab 16 Jahren wählen
dürfen und darüber hinaus selbst für kommunale Mandate kandidieren können. Zudem
stärkt das Land Teilhabe und Beteiligung von Jugendlichen beispielsweise durch
die Förderung der Jugendstiftung oder des Landesjugendrings. Weiter investiert
das Land in Projekte zur Demokratiebildung, sei es über die Landeszentrale für
politische Bildung oder die einzelnen Fachstellen des Demokratiezentrums Baden-
Württemberg. Im Vorfeld der Europawahl 2024 wird außerdem erstmals die
Juniorwahl an den baden-württembergischen Schulen durchgeführt. Auch können
bereits viele Kommunen gute Beispiele zur Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen vorweisen. So gewann beispielsweise die Stadt Freiburg jüngst den
Deutschen Kinder- und Jugendpreis 2023 für ihr Projekt „Freiburg zockt!“, bei
dem Jugendliche sich auf Augenhöhe mit dem Oberbürgermeister zu Themen wie
Klimaschutz über Schule bis hin zu ÖPNV und Wohnen austauschen können. Das
Format ist besonders niederschwellig und spricht Jugendliche, auch
beteiligungsferne, direkt in ihrer Lebenswelt an. Der Dialog bietet einen Zugang
zur Stadtverwaltung und baut Brücken zwischen Jugend und Politik. Trotz solcher
Positivbeispiele im Land fehlt in manchen Städten und Gemeinden eine
entsprechende Infrastruktur zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen aber
leider immer noch fast gänzlich.
Für die Zukunft sind daher weitere Schritte notwendig. Das bereits in der
Gemeindeordnung aufgenommene Recht von Kindern und Jugendlichen, bei allen
politischen Entscheidungen, die deren Interessen berühren, in angemessener Weise
beteiligt zu werden, sollte durch klare Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards
geregelt und strukturell auf den kommunal- und landespolitischen Ebenen
verankert werden. Demokratie ist die einzige Herrschaftsform, die auf Grundlage
der Teilhabe aller an der politischen Willensbildung Beteiligten basiert und
deshalb von jeder und jedem erlernt werden muss. Daher ist es außerordentlich
wichtig, Demokratiebildung sowie das Einüben und Erleben von Beteiligung und
bürgerschaftlichem Engagement in Kitas, Schulen, Ausbildungsstätten aber auch in
der freien Jugendarbeit zu fördern und weiter auszubauen.
Mit einem Einbezug von Kindern und Jugendlichen bei allen politischen Themen
können unterschiedliche Beteiligungsformate ausprobiert und getestet sowie
anschließend auch etabliert werden. Kinder und Jugendliche sind Bürger*innen der
Stadt oder Gemeinde, in der sie leben, und dadurch auch von allen Entscheidungen
der Kommune direkt betroffen. Die Auswahl der Themen, an denen Kinder und
Jugendliche beteiligt werden sollen und somit der Grad der eigenen
Betroffenheit, soll dabei bei den Kindern und Jugendlichen selbst liegen und
nicht von den Einschätzungen und Meinungen von erwachsenen Politiker*innen oder
der Verwaltung abhängen. Darüber hinaus ist es von Bedeutung, dass bei der
Stärkung von politischer Kinder- und Jugendbeteiligung alle zeitliche Phasen
eines Entscheidungsverfahrens – in der Verwaltung, in politischen Gremien oder
auch im außerpolitischen Bereich – betrachtet und in gleicher Weise mit
einbezogen werden. Für eine Umsetzung und Ausgestaltung politischer Kinder- und
Jugendbeteiligung können bereits vorhandene Best Practice-Beispiele als Vorlagen
genutzt werden, da diese auch die besondere Lebenswirklichkeit und die
Diversität von jungen Menschen berücksichtigen, sodass die Beteiligung auch mit
deren Alltag vereinbar ist. Die konkrete Stärkung von politischer Kinder- und
Jugendbeteiligung kann beispielsweise durch die Verstetigung und konsequente
Anwendung von §41a der baden-württembergischen GemO erfolgen.
Durch das Schaffen von Resilienz und die Einbindung von Kindern und Jugendlichen
in politische Entscheidungsprozesse, welche die Zukunft - die Zukunft der Kinder
und Jugendlichen – betreffen, wird eine wesentliche Voraussetzung für mehr
Generationengerechtigkeit geschaffen. Die konkreten Forderungen aus der Kinder-
und Jugendbeteiligung der Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ des
Landtags von Baden-Württemberg zur Etablierung eines Gremiums der Kinder- und
Jugendbeteiligung sowie die bisherigen Handlungsempfehlungen von
Sachverständigen aus den Anhörungen verdeutlichen eindeutig, dass die politische
Beteiligung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, ausgebaut und
weiterentwickelt werden muss. Die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission
werden die Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen daher sicherlich aufgreifen. Bei der konkreten Umsetzung von
bereits vorhandenen Beteiligungsvorgaben – wie beispielsweise dem §41a GemO BaWü
- bestehen weiterhin Hindernisse und mangelnde Anwendung in den Kommunen. Eine
fehlende Verbindlichkeit bzw. die Freiwilligkeit der Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen sowie die Verantwortung der Rückmeldung an die Beteiligten sollten
aufgrund des sinnvollen Beitrags zur Resilienz und des gesellschaftlichen
Zusammenhaltes umgesetzt werden. Eine Stärkung der politischen Kinder- und
Jugendbeteiligung soll diese Hindernisse aufgreifen und beseitigen. Hierbei sind
die Kinder und Jugendlichen auf den Willen und die Unterstützung von politischen
Entscheidungsträger*innen angewiesen.
Die konkrete Umsetzung des verbrieften Rechts von Kindern und Jugendlichen an
politischen Entscheidungsprozessen auf der kommunalen Ebene muss daher ab sofort
die Regel in Baden-Württemberg werden und darf hingegen nicht mehr länger die
Ausnahme bleiben. Deshalb ist eine angemessene politische Beteiligung von
Kindern und Jugendlichen für die Resilienz der Gesellschaft, ihren Zusammenhalt
und für eine demokratische Repräsentation aller Gesellschaftsschichten unbedingt
zu ermöglichen und zu unterstützen.