Veranstaltung: | Parteitage in Reutlingen am 7. und 8. Dezember 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 0.LDK-V Sonstige Anträge und Resolutionen |
Antragsteller*in: | LAG Landwirtschaft, Ländliche Räume und Ernährung (gemeinsam mit Ralf Nentwich MdL) (dort beschlossen am: 05.11.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.11.2024, 13:11 |
LDK-V7: Gutes Essen, gute Bildung – Ernährung als Schlüssel für Bildungschancen, Gesundheit & Nachhaltigkeit
Antragstext
Mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und -betreuung gewinnt eine hochwertige
Außer-Haus-Verpflegung in Schulen und Kitas zunehmend an Bedeutung. Doch für
viele Familien ist das wöchentliche Essensgeld in Kitas eine erhebliche
finanzielle Belastung. Dies zementiert nicht nur soziale Unterschiede, sondern
fördert auch ein ungesundes Essverhalten.
Die Schule wird immer mehr als ganzheitlicher Lebensraum betrachtet. Ab 2026
führt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter
dazu, dass noch mehr Grundschulkinder an der Mittagsverpflegung teilnehmen
werden. Um hierfür die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, wollen wir
in Baden-Württemberg gezielt Förderprogramme für Mensen und Kantinen ausbauen
und verstärkt auf Frischküchen setzen. Für uns ist die Küche der Ort für Frische
und gesundheitsförderndes Essen. Die Küchenleitung entscheidet über den Einsatz
von bio-regionalen und frischen Lebensmitteln. Bei der Neuplanung von Küchen
soll die Möglichkeit des gemeinschaftlichen Kochens mit Schülerinnen und
Schülern mitgedacht werden, um Kindern und Jugendlichen den Wert einer gesunden,
nachhaltigen und bewussten Ernährung vermitteln zu können. Esskultur und
Ernährungsbildung sollen als feste Bestandteile in allen Bildungsplänen
verankert und weiter gestärkt werden. Kommunen sollen durch gezielte Beratungs-
und Coachingprogramme des Landeszentrums für Ernährung fachlich unterstützt
werden.
Die Anforderungen an Angebot und Qualität sollen sich an der Kantinenrichtlinie
des Landes orientieren. Als verbindlicher Standard soll die Verpflegung in
Baden-Württemberg den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung (DGE) entsprechen und mindestens 30-40 Prozent bio-regionale
Lebensmittel umfassen. So stärken wir gezielt bio-regionale Wertschöpfungsketten
und fördern die ökologische Landwirtschaft in Baden-Württemberg.
Ein kostengünstiges und perspektivisch kostenloses Kita- und Schulessen - ein
Ziel des bundesweiten Ernährungsrats „Ernährung im Wandel“ - ist für uns eine
zentrale Maßnahme, um nicht nur ein Bewusstsein für gesunde Ernährung zu
schaffen, sondern auch für mehr soziale Gerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit
zu sorgen.
Begründung
Rund 15 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland besuchen allgemeinbildende Schulen und Kindertageseinrichtungen (Kitas). Diese Institutionen sind nicht nur zentrale Orte der Bildung, sondern auch des sozialen Miteinanders und der Gesundheitsförderung. Dennoch erfüllt die Verpflegungssituation in vielen dieser Einrichtungen nicht die Anforderungen, die eine moderne, gerechte Gesellschaft an sie stellen muss. Eine für die Familien kostengünstige, gesundheitsfördernde und nachhaltige Kita- und Schulverpflegung ist nicht nur eine Frage der gesundheitlichen Förderung unserer Kinder, sondern ein notwendiger Schritt zur Bekämpfung von Ernährungsarmut und zur Schaffung von Chancengleichheit – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.
Im Januar 2024 endete der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ in Deutschland, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre Empfehlungen zur Ernährungswende erarbeiteten. Eine der höchst priorisierten Maßnahmen war die Einführung eines kostenfreien, gesundheitsfördernden und gemeinsamen Mittagessens in Schulen und Kitas. Fast 90 Prozent der Teilnehmenden stimmten dieser Maßnahme zu. Dies zeigt, dass die Forderung nach einer kostenfreien Kita- und Schulverpflegung nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch gesellschaftlich breit getragen und gefordert ist.
In zahlreichen Schulen und Kitas wird keine angemessene Mittagsverpflegung angeboten. In vielen Einrichtungen existiert entweder gar kein Essensangebot oder die Qualität des angebotenen Essens ist mangelhaft: Es ist häufig zu teuer, wenig schmackhaft und in Teilen nicht gesundheitsfördernd. Die KIDA-Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI, 2023) belegt, dass rund 43% der Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht an der Mittagsverpflegung teilnehmen. Diese Situation ist besonders alarmierend in einem Land wie Deutschland, in dem Bildung als hohes Gut anerkannt ist und in dem wir den Anspruch erheben, gleiche Chancen für alle zu schaffen.
Schulen und Kitas sind ideale Orte zur Prävention und Gesundheitsförderung, da sie praktisch alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Eine gesunde Ernährung spielt eine wesentliche Rolle für die Entwicklung von Kindern. Der Zugang zu gesundheitsfördernder Nahrung sollte daher unabhängig von der sozialen oder wirtschaftlichen Lage der Familien sein. Die Verpflegungssituation an Schulen und Kitas ist jedoch stark von den finanziellen Mitteln der Eltern abhängig. Die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts (2014-2017) zeigt unter anderem, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien häufiger unter einer schlechteren Ernährungsweise leiden und somit anfälliger für Übergewicht und andere ernährungsbedingte Erkrankungen sind, was sich nachweislich negativ auf ihre Gesundheit und ihr Lernverhalten auswirkt. Hier zeigt sich eine direkte Verbindung zwischen Ernährungsarmut und der mangelnden Chancengleichheit im Bildungssystem.
Die Vorteile einer gesunden und kostengünstigen Schulverpflegung sind wissenschaftlich gut belegt. Eine Studie der Universität Lund in Schweden zeigt, dass die Einführung von kostenfreiem Schulessen langfristige positive Effekte auf die Gesundheit und das spätere Einkommen der Kinder hat. Dies gilt insbesondere für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. Die Studie konnte nachweisen, dass das Angebot eines kostenfreien und nahrhaften Schulessens nicht nur kurzfristig zur Verbesserung der Gesundheit beiträgt, sondern auch langfristig die Lebensdauer erhöht.
Diese Erkenntnisse legen nahe, dass eine kostengünstige und qualitativ hochwertige Schulverpflegung nicht nur eine direkte Investition in die Gesundheit der Kinder ist, sondern auch eine Maßnahme, die langfristig die sozialen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft verringern kann. Dies sollte ein zentrales Ziel unserer Bildungs- und Sozialpolitik sein.
Bis heute sind die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Verpflegung in Schulen und Kitas nur in fünf Bundesländern verpflichtend. Dies führt zu einer erheblichen Diskrepanz in der Qualität der Verpflegung, abhängig vom Standort der Einrichtung. In vielen Schulen und Kitas ist die Verpflegung nicht den wissenschaftlich fundierten Anforderungen an eine gesundheitsfördernde Ernährung entsprechend, was wiederum Kinder aus ärmeren Familien besonders hart trifft. Daher fordern wir die Einführung verbindlicher DGE-Standards für alle Bildungseinrichtungen in Baden-Württemberg. Diese Standards stellen sicher, dass die Verpflegung nicht nur gesundheitsfördernd, sondern auch auf die speziellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmt ist.
Quellen und Links:
- KIDA-Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI, 2023): https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/KIDA/kida_node.html
- KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts (2014-2017): https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/KiGGS/Studie/Studie_-node.html
- Lund University: "Free and nutritious school lunches help create richer and healthier adults.", Lund University Website, https://www.lunduniversity.lu.se/article/free-and-nutritious-school-lunches-help-create-richer-and-healthier-adults