Veranstaltung: | Parteitage in Reutlingen am 7. und 8. Dezember 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 0.LDK-V Sonstige Anträge und Resolutionen |
Antragsteller*in: | LAGen Tierschutzpolitik und Landwirtschaft, Ländliche Räume und Ernährung (dort beschlossen am: 06.11.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.11.2024, 00:24 |
LDK-V6: Tiergerechte Haltung und Transport von Kälbern und Milchkühen in Baden-Württemberg
Antragstext
3. Die Entwicklung und Förderung der Aufzucht überzähliger Kälber, die nicht bei
ihren Müttern oder Ammen aufwachsen können, soll sich am "Wertkalb-Projekt" der
Uni Hohenheim orientieren. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung einer
gemeinsamen Kälberaufzucht verschiedener Höfe, die Ausrichtung der Zuchtziele
auf Zweinutzungsrassen sowie der Aufbau regionaler Vermarktungsketten mit
entsprechendem Gütesiegel.
6. Langstreckentransporte von Rindern in die 19 Hochrisikostaaten – Ägypten,
Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan,
Libanon, Libyen, Marokko, Russland, Syrien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien,
Turkmenistan und Usbekistan – verstoßen gegen geltendes EU-Recht. Wir fordern,
EU-Recht umzusetzen und alle rechtlichen Möglichkeiten zu ergreifen, um diese
Transporte zu verhindern.
7. Für die Gesundheit aller Tiere ist es notwendig, die Zuchtziele auf
Langlebigkeit, Gesundheit und Robustheit auszurichten, im Sinne einer Umstellung
auf gesunde „Zweinutzungsrassen“. Dadurch soll eine Abkehr von der
Zuchtausrichtung der Rinderhaltung auf maximale Milch- oder Fleischerzeugung
erfolgen.
Begründung
Mit unserem gemeinsamen Antrag setzen wir uns für Handlungsfelder ein, die eine hohe Priorität für den Schutz und das Wohlbefinden der Kälber und Rinder haben.
Baden-Württemberg ist ein Transitland für Tiertransporte. Angesichts der langen Transporte ist es für uns eine wichtige Aufgabe, im Interesse der leidenden Tiere Verstöße gegen EU-Vorgaben aufzudecken und die Tiere zu schützen.
Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Milchkühe etwa jedes Jahr ein Kalb zu Welt bringen müssen, um die Milchproduktion aufrecht zu erhalten. Direkt nach der Geburt werden in der Regel Kalb und Mutter getrennt. Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung von Kühen bei bis zu 20 Jahren liegt, werden auf Hochleistung gezüchtete Milchkühe meist bereits nach 5 Jahren aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen geschlachtet.
Eine dauerhafte tiergerechte Lösung für das Problem der „überzähligen Kälber“ kann aber nur darin bestehen, dass mit vielfältigen innovativen Lösungsansätzen eine tiergerechte regionale Wertschöpfungskette für Kälber entwickelt, erprobt und flächendeckend in Baden-Württemberg umgesetzt wird. Dafür gibt es bereits erste Ansätze. Wir verweisen dazu auf das Positionspapier der grünen Landtagsfraktion zur Zukunft der Kälberhaltung in Baden-Württemberg. https://www.gruene-landtag-bw.de/themen/agrarpolitik-und-ernaehrung/mehr-tierschutz-fuer-kaelber/
Wir halten die Weidehaltung für die tiergerechteste Form der Rinderhaltung. Zwar wurden mit dem Novellierungsentwurf des Tierschutzgesetzes die Anbindehaltung mit langer Übergangsdauer abgeschafft und die Kombihaltung eingeschränkt, aber das ist längerfristig nicht ausreichend. Perspektivisch soll am Ziel der überwiegenden Weidehaltung oder zumindest mit ganzjährigem Auslauf und Frischluft für alle Rinder festgehalten werden.
Da es kaum noch Vermarktungsmöglichkeiten für Kälber gibt, werden vor allem die männlichen Kälber als „Abfallprodukte“ der Milchwirtschaft bis nach Spanien transportiert, auch aus Baden-Württemberg. Inzwischen werden diese Langstreckentransporte nach Spanien, bei denen Saugkälber anhaltenden und erheblichen Leiden ausgesetzt sind, aus Baden-Württemberg, aber auch den anderen Bundesländern nicht mehr durchgeführt. Erstens stehen sie in massiver öffentlicher Kritik und zweitens wurde inzwischen definitiv festgestellt, dass sie nach EU-Recht nicht zulässig sind. Denn die üblichen Tiertransportfahrzeuge verfügen nicht über die Tränkesysteme für Saugkälber, auf die diese angewiesen sind. Die Langstreckentransporte werden inzwischen durch aneinandergereihte Kurzstreckentransporten ersetzt. An jeder neuen Sammelstelle muss eine Fütterungspause von 48h eingehalten werden, dann können die Kälber in einem neuen Transport weiterbefördert werden. Viele kommen am Ende doch noch in Spanien an, wo sie gemästet und geschlachtet oder als Rinder weitertransportiert werden. Für uns ist dieser Umgang mit Kälbern ein unerträglicher Zustand. Wir wollen deshalb mit unserem Antrag erreichen, dass er so schnell wie möglich beendet wird. In rechtlicher Hinsicht ist die EU der Ansprechpartner. Dort liegt aktuell ein Novellierungsvorschlag vor, mit dem die Zeit zwischen zwei Transporten auf 5 Tage verlängert werden soll. Damit würden diese Transporte unwirtschaftlich.
Berichte der EU-Kommission und namhafter internationaler Tierschutzorganisationen belegen, dass Langstreckentransporte zu Stress, Leiden, Schmerzen und nicht selten auch zum Tod der beförderten Tiere führen. Nachgewiesen ist dies für folgende 19 EU-Drittländer: Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Russland, Syrien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan. Die massiven Verstöße gegen geltendes EU-Recht beinhalten eine unzureichende Versorgung der Tiere während der Beförderung und an nicht-adäquaten Versorgungsstellen. Zudem führen die langen Standzeiten an den EU-Außengrenzen zu Hitzestress der Tiere. Schwere Belastungen der Tiere sind auch ein oftmals roher Umgang des nicht sachkundigen Personals bei Auf-, Ab- oder Umladen sowie Rangordnungskämpfe der Rinder auf den Fahrzeugen, die zu schweren Verletzungen führen können. Aus all diesen Gründen hat der Bundesrat bei seiner Stellungnahme in der Anhörung zum Novellierungsentwurf des Tierschutzgesetzes gefordert, dass die Tiertransporte in diese 19 Hochrisikostaaten unverzüglich verboten werden müssen. Laut geltendem EU-Recht sind diese Transporte bereits untersagt; daher fordern wir, alle rechtlichen Möglichkeiten zu ergreifen, um diese Transporte zu verhindern und EU-Recht umzusetzen.
Wünschenswerte Eigenschaften im Bereich Tiergesundheit und Tierverhalten erhalten bislang wenig Gewicht in der Tierzucht. Stattdessen wird weiterhin in der Milchwirtschaft überwiegend auf hohe Milchleistung in der Zucht gesetzt. Ein Beispiel: Während vor 100 Jahren eine Schwarzbunte Kuh mit 3300 kg Milch eine gute Milchleistung erbrachte, liegen heute Holstein-Friesian-veredelte Populationen bei einer mittleren Jahressmenge von 9.000 kg Milch pro Kuh und Jahr. Diese Zucht auf hohe Milchleistung hat indirekt Einfluss auf die Gesundheit der Milchkühe. So zeigen Holstein-Friesian-Kühe ein vermehrtes Auftreten von sogenannten Produktionskrankheiten, hohe Todesraten und eine kurze (ökonomisch nicht sinnvolle) Nutzungsdauer. Daher ist eine grundlegende Änderung der Zuchtziele hinsichtlich Langlebigkeit, Gesundheit und Robustheit einzuleiten. Die Zucht soll in Richtung Zweinutzungsrassen für Fleisch und Milch ausgerichtet werden.