Die Festlegung auf ein bestimmtes Modell zur Lösung des Repräsentationsproblems, insbesondere von Frauen, bevor überhaupt eine angemessene wissenschaftliche Diskussion stattgefunden hat, welche Modelle denn grundsätzlich vorstellbar und sinnvoll sind, ist voreilig und eine kontraproduktive Vorabfestlegung. Außerdem unterliegt die Vorstellung, dass das Problem der mangelnden Repräsentation von Frauen durch ein geschlossenes Listensystem behoben werden könnte, einem Missverständnis, das zwar weitverbreitetet ist, aber dennoch ein Missverständnis ist und keineswegs die empirische Realität angemessen widerspiegelt. Ein solches System, das weitgehend dem der Bundestagswahl entspricht, vermag das Problem nicht zu lösen, wie man leicht unter anderem daran erkennen kann, dass es unter den CDU-Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg so gut wie keine Frauen gibt und in Thüringen der Frauenanteil bei der letzten Landtagswahl gesunken ist. In beiden Fälle liegt dies daran, dass die meisten der Abgeordneten der CDU, die als einzelne Partei den größten Effekt auf die mangelnde Repräsentation von Frauen ausübt, Wahlkreismandate innehaben, so dass die Listen gar nicht erst zum Zuge kommen und die Quotierungen auf den Listen daher völlig wirkungslos bleiben. Ein sinnvolles System, das eine angemessene Repräsentation von Frauen gewährleisten möchte, muss daher vor allem den Nominierungsvorgang in den Wahlkreisen im Auge haben. Vor allem muss das System auf wirksame Weise Anreize setzen, die eine paritätische Nominimerung von Frauen und Männern als auch im Interesse der Parteien liegend erscheinen lassen. Gesetzliche Regelungen sind, wie die beiden letzten Verfassungsgerichtsurteile in Brandenburg und Thüringen gezeigt haben, derzeit wohl kein vielversprechender Weg. Gerade das System, das in Baden-Württemberg derzeit angewandt wird, könnte dabei durch geringfügige Modifikationen so reformiert werden, dass es diese Probleme effektiv beseitigen würde. Durch eine solche wahrhaft innovative Reform könnte Baden-Württemberg zum Vorreiter einer sinnvollen Reform des Wahlgesetzes werden, anstatt nur, wie im derzeitigen Antrag vorgesehen, ein System zu übernehmen, dessen Scheitern auf der Bundesebene für jeden sichtbar zu beobachten ist (mangelnde Repräsentation von Frauen, Überhangmandate, Vergrößerung des Parlaments). Zudem wäre es äußerst bedauerlich, wenn gerade die Grünen die basisdemokratischen Elemente abschaffen würden, die es im derzeitigen System gibt und die dieses im Vergleich zu den meisten anderen Wahlsystemen der Länder und des Bundesganz besonders auszeichnet. Die quasi-offenen Listen des baden-württembergischen Systems sind eine Stärke und keine Schwäche und eine Abschaffung derselben wäre zudem, wie erwähnt, weitgehend wirkungslos in Hinsicht auf die Probleme, die man eigentlich beseitigen will.
Auch wenn meine Sympathien für bestimmte Lösungen erkennbar sind, so ist die von mir vorgeschlagene Formulierung selbst völlig ergebnisoffen und würde es einem auf angebrachte Weise geführten Diskussionsprozess überlassen, eine gute Lösung zu finden.
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Markus Böhlen:
Franz Niebel:
Franz Böck-Roth: