Veranstaltung: | LDK in Donaueschingen am 24./25.09.2022 |
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Tagesordnungspunkt: | ORT Weil Zukunft vor Ort beginnt - Für starke ländliche Räume in Baden-Württemberg |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | 41. Landesdelegiertenkonferenz in Donaueschingen |
Beschlossen am: | 25.09.2022 |
Eingereicht: | 26.09.2022, 15:33 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Weil Zukunft vor Ort beginnt - Für starke ländliche Räume in Baden-Württemberg
Beschlusstext
Weil Zukunft vor Ort beginnt - Für starke
ländliche Räume in Baden-Württemberg
Weil wir hier zuhause sind
Baden-Württemberg - das sind nicht nur die großen Städte, sondern auch die
starken, vielfältigen und lebenswerten ländlichen Räume. Sie machen rund 70%
unseres Landes aus und mehr als ein Drittel der Baden-Württemberger*innen ist in
ihnenzuhause. Die einzigartigen Kulturlandschaften in den ländlichen Räumen
Baden-Württembergs, die Biosphärengebiete und der Nationalpark sind nicht nur
Quelle einer großen Naturverbundenheit der Menschen im Land, sondern auch
beliebter Erholungs- und Urlaubsraum und Heimat für unzählige Pflanzen- und
Tierarten. Gleichzeitig sind die ländlichen Räume mit ihren berühmten Hidden
Champions auch Rückgrat der baden-württembergischen Wirtschaft. Die Baden-
Württemberger*innen leben daher nicht nur wegen der Nähe zur Natur, der
Landschaft und der dörflichen Gemeinschaft gerne in den ländlichen Räumen, auch
Infrastruktur und Daseinsvorsorge sind hier vergleichsweise gut entwickelt.
Diese zu erhalten und auszubauen ist die große politische Aufgabe der nächsten
Jahre. Auch das gesellschaftliche Klima in den ländlichen Räumen, das von einer
tradierten Kultur des guten Miteinanders lebt - Vereinsleben und Ehrenamt sind
aus dem Alltag in den Gemeinden nicht wegzudenken - steht vor Umbrüchen, die
politische Gestaltung erfordern.
Die ländlichen Räume spielen eine herausgehobene Rolle bei der
gesamtgesellschaftlichen Bewältigung der Klimakrise: Die künftige Stromerzeugung
und Energiebereitstellung aus Biomasse, Wind, Sonne, Wasser oder Erdwärme wird
die ländlichen Räume durch Arbeitsplätze und zusätzliche Wertschöpfung weiter
stärken.
Eine zukunftsfeste Entwicklung der ländlichen Räume war und ist für uns Grüne
eine besondere Herzensangelegenheit. Bereits seit den Anfängen unserer Partei
waren wir Grüne hier kommunalpolitisch verankert. Unzählige Grüne sind vor Ort
ehrenamtlich tätig und stärken so das soziale Gefüge der ländlichen Räume. Diese
Stärke nutzen wir auch in Zukunft aktiv, um beste Lösungen für die Interessen,
Bedürfnisse und Sorgen in den ländlichen Räumen zu finden.
Für Klimaschutz und ein gutes Leben im ganzen Land, für gleichwertige
Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land, haben wir Grüne zusammen mit
der von uns geführten Landesregierung in Baden-Württemberg bereits viel getan
und viel erreicht – darauf sind wir stolz. Nun ist es unsere Aufgabe, die hohe
Lebensqualität der ländlichen Räume zu sichern und zu stärken. Dafür müssen wir
nachhaltige Antworten auf die zentralen Herausforderungen liefern, vor denen
auch die ländlichen Räume durch den zunehmenden Fachkräftemangel, den
demographischen Wandel, die Auswirkungen der Klimakrise und die Anforderungen
der Digitalisierung stehen.
Damit dieser Wandel gelingt, damit die ländlichen Räume ihre Potenziale
ausschöpfen können, gestalten wir sie im Miteinander. Wir wollen, dass sich alle
Menschen, unabhängig von ihrem Alter, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrem
Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihrer Lebenssituation
in den ländlichen Räumen wohlfühlen. Gemeinsam anzupacken, ist eine Stärke
ländlicher Räume, die in die Zukunft trägt und die uns zuversichtlich stimmt,
dass sich Baden-Württemberg auch in den kommenden Jahrzehnten durch starke
ländliche Räume ausgezeichnet: mit Innovationskraft und wirtschaftlicher Stärke,
mit Wohlstand und attraktiven Arbeitsplätzen vor Ort, mit Vielfalt und einem
guten gesellschaftlichen Miteinander und mit dem Erhalt von Natur und
Artenvielfalt im Einklang mit Klimaschutz und Landwirtschaft.
Weil Zukunft starke Wurzeln braucht
Bereits seit 2011 haben wir eine Vielzahl an Programmen aufgelegt, um den
Zusammenhalt in den ländlichen Räumen zu unterstützen. Wir haben dafür das
Fördervolumen des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR), des wichtigsten
Förderinstruments für Kommunen in den ländlichen Räumen, verdoppelt.
Zur Stärkung der Daseinsvorsorge steigern wir die Attraktivität des Berufsbilds
Landärzt*in, beispielsweise über medizinische Versorgungszentren. Ein
flächendeckend gutes Bildungsangebot sichern wir durch die regionale
Schulentwicklung. Mit dem ELR unterstützen wir den Aus- und Aufbau lebendiger
Ortszentren. Herausforderungen wie der demographische Wandel, der in den
ländlichen Räumen schneller voranschreitet, machen es notwendig, unsere
Programme weiterzuentwickeln. Sie sollen auch künftig den Zusammenhalt und die
hohe Lebensqualität in ländlichen Räumen sichern und die im Grundgesetz
festgeschriebene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bewahren.
Daseinsvorsorge: Wir wollen beste Infrastruktur
Die Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bedeutet für uns, dass in
den ländlichen Räumen wohnortnah eine gute Versorgung mit lebensnotwendigen
Gütern und Dienstleistungen besteht. Wir setzen uns für die Einführung einer
neuen Gemeinschaftsaufgabe ein, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen und
geplant wird: Ein Bund-Länder-Programm „Gemeinschaftsaufgabe regionale
Daseinsvorsorge“ soll eine Grundsicherung für Kommunen im Bereich Mobilität,
Digitalisierung und Gesundheitsversorgung umfassen.
Für eine gute Lebensqualität in den ländlichen Räumen und damit ländliche Räume
nicht zu "Schlafräumen" werden, ist es geboten, die ländlichen Räume aktiv mit
exzellenter Infrastruktur und Daseinsvorsorge zu gestalten statt nur zu
verwalten. Gleichzeitig wird es nach wie vor Elemente der Daseinsvorsorge und
Dienstleistungen geben, die in guter Qualität nur in großen Städten angeboten
werden können. Es ist zentral, dass diese Angebote für die Menschen in den
ländlichen Räumen durch ein weiter verbessertes ÖPNV-Angebot auch ohne eigenes
Kfz erreichbar sind.
Homeoffice, flexible Arbeitsplätze und Videokonferenzen statt hunderte
Wegekilometer für ein einziges Meeting: In der Corona-Krise haben wir die
Chancen der Digitalisierung für unsere Arbeitswelt erkannt. Wohnen und flexibles
Arbeiten lässt sich auch in ländlichen Räumen gut vereinbaren. Die Einrichtung
von Coworking-Spaces und Innovation Hubs fördert das flexible Arbeiten vor Ort
zusätzlich und bietet besonders jungen Menschen attraktive Arbeitsbedingungen.
Wir wollen das große Potenzial heben, das diese Entwicklung für die Zukunft der
Arbeit in ländlichen Räumen birgt.
In Bund und Land verstehen wir den Breitbandausbau als eine wesentliche Aufgabe
der Daseinsvorsorge und wollen in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2025
flächendeckend gigabitfähige Netze realisieren. Wir machen die regionale
Gesundheitsversorgung zukunftssicher. Dafür setzen wir auf allgemeine
Versorgungszentren, Gemeinschaftspraxen, telemedizinische Notdienste und mobile
Angebote der Gesundheitsversorgung. Wir führen das Aktionsprogramm Landärzte
fort und erweitern das Stipendienprogramm zur Gewinnung Medizinstudierender für
die ländlichen Räume. Eine sichere, wohnortnahe Versorgung von Gebärenden,
Schwangeren und Neugeborenen ist uns ein wichtiges Anliegen. Deshalb schaffen
wir ausreichende Kapazitäten in der Gynäkologie, bei Hebammen, Kreißsälen und
Geburtshäusern und fördern attraktive Arbeitsbedingungen von Hebammen. Ungewollt
Schwangere benötigen auch in ländlichen Räumen schnelle fachliche Informationen
und Beratung sowie einen gesicherten Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch.
Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung für ein unbeschwertes Leben in Freiheit.
Wir wollen in ländlichen Räumen die Notfallversorgung durch
Blaulichtorganisationen stärken, indem wir die Personalausstattung verbessern,
mehr Frauen und mehr Menschen mit internationalen Wurzeln für das Ehrenamt
gewinnen, die dort unterrepräsentiert sind, und so die Wegzeiten verkürzen.
Sicherheit ist für uns auch Prävention. Wir investieren in Stellen für die
Jugend- und Sozialarbeit sowie in 24-Stunden-Gewaltambulanzen. Wir werden
Frauen- und Kinderschutzhäuser sowie Beratungsstellen für Opfer von häuslicher
und sexualisierter Gewalt flächendeckend ausbauen und finanziell gut ausstatten.
Ziel der stärkeren Förderung ist ein flächendeckendes Netz aus Frauenhäusern.
Wir wollen die Wasserversorgung und die Abfallentsorgung auch in kleineren
Kommunen sicher und bezahlbar halten. Dafür fördern wir die Erarbeitung
regionaler Wasserversorgungskonzepte, setzen den Masterplan Wasserversorgung um
und unterstützen die interkommunale Zusammenarbeit, eine Besonderheit unserer
ländlichen Räume. Der Fachkräftemangel wirkt sich auch auf die
Kommunalverwaltungen aus. Vertiefte Kooperationen in Verwaltungsverbänden zur
Leistungssteigerung der Kommunalverwaltungen wollen wir ebenso stärken und
fördern wie auch Kleinstgemeinden bei der Fusion unterstützen Die letzte
Gebietsreform in Baden-Württemberg liegt mittlerweile fast 50 Jahre zurück. Seit
den 1970er Jahren hat sich unser Land jedoch stark verändert und entwickelt,
daher ist es an der Zeit, über eine neue "Fusions- und Kooperationsrunde"
nachzudenken, um den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gewachsen zu
sein. Gebietsreformen sind in der Vergangenheit häufig mit Konflikten
einhergegangen, denn neben rein verwaltungstechnischen Erwägungen sind die
kulturellen Zugehörigkeiten der Bürger*innen und Bürger teils nicht ausreichend
im Fokus gewesen. Diese Fehler wollen wir nicht wiederholen und stattdessen
gemeinsam mit den Menschen und im Sinne der Politik des Gehörtwerdens vorgehen.
Die Fehler früherer Fusionsphasen, die teilweise bis heute zu Frustrationen
durch Verluste politischer und gesellschaftlicher Teilhabe geführt haben, werden
wir vermeiden und durch geeignete Mechanismen Einschränkungen subsidiärer
Strukturen und die damit oft verbundene Wahrnehmung abnehmender
gesellschaftlicher Selbstwirksamkeit vermeiden.
Baden-Württemberg ist ein vielfältiges Land. In ländlichen Räumen wollen wir
daher ebenso wie in den Städten queere Netzwerkarbeit weiterentwickeln, ortsnahe
Beratungs- und Unterstützungsangebote für Jugendliche und Erwachsene schaffen
sowie ergänzende Online-Beratungen etablieren. Bei der Entwicklung von
kommunalen Angeboten zum Schutz und zur Stärkung queeren Lebens ist das Netzwerk
LSBTTIQ Baden-Württemberg eine kompetente und wichtige Ansprechstelle für die
Kommunen im Land.
Bildung: Wir kümmern uns um mehr pädagogische Fachkräfte für
wohnortnahe beste Bildung
Um gerechten Zugang zu Bildung zu ermöglichen, sollen alle Schüler*innen an
Schulstandorten mit hoher Qualität lernen und wohnortnah den Abschluss machen
können, den sie anstreben. Dafür haben wir die regionale Schulentwicklung
eingeführt. Wir wollen die Schullandschaft in den ländlichen Räumen zukunftsfest
machen. Dafür halten wir in der Grundschule am Prinzip „kurze Beine – kurze
Wege“ fest und fördern regionale Verbünde und freiwillige Zusammenschlüsse. Wir
schaffen weitere gymnasiale Oberstufen an Gemeinschaftsschulen, schaffen durch
digitale Angebote mehr Wahl- und Vertiefungsmöglichkeiten und verbessern
Angebote für Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen. Eine
Verwirklichung des Rechts auf wohnortnahe Beschulung ist insbesondere im
ländlichen Raum für schulische Inklusionsbemühungen essentiell. Durch die
sonderpädagogische Kompetenzanreicherung an Regelschulen bauen wir aktiv
Barrieren ab, die Kindern mit diagnostiziertem Förderbedarf bisher verbieten, in
ihrem unmittelbaren Umfeld zur Schule zu gehen.
Schwimmunterricht ist Bestandteil der Lehrpläne der allgemeinbildenden Schulen.
Da viele Lehrschwimmbecken aus den 1970er-Jahren inzwischen marode sind, gibt es
vielerorts nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, Schwimmunterricht
durchzuführen. Wir brauchen daher ein Förderprogramm für den Bau von
Schwimmbädern und vor allem Lehrschwimmbecken im Rahmen der öffentlichen
Daseinsvorsorge, um nicht eine Generation von Nichtschwimmer*innen zu riskieren.
Der Personalmangel ist eine Herausforderung für eine sichere
Unterrichtsversorgung. Kurzfristig wollen wir zusätzliches Personal durch die
Öffnung des Direkteinstiegs für weitere Lehrämter gewinnen. Wir möchten Schulen
einen Teil der ungenutzten Finanzmittel aus unbesetzten Planstellen als
selbstverwaltetes Schulbudget zur Verfügung stellen, um Unterstützung durch
pädagogische Assistent*innen sowie Kooperationen mit außerschulischen
Akteur*innen zu finanzieren. Um mehr Lehrkräfte für die ländlichen Räume zu
gewinnen, halten wir am vorgezogenen Einstellungsverfahren für Bedarfsregionen
fest.
Wir fördern die Verankerung der Schulen im Ort. Netzwerke zwischen
Bildungseinrichtungen, Jugendhilfe und Kommunen ermöglichen es, Kinder und
Familien zu begleiten. Wir unterstützen die Entwicklung von Kinder- und
Familienzentren. Wir wollen außerschulische Bildungsangebote nutzen, um ein an
hohen Qualitätsstandards orientiertes wohnortnahes Ganztagsangebot zu
ermöglichen.
Im frühkindlichen Bereich mangelt es auch in ländlichen Räumen an
Betreuungsplätzen – besonders bei Krippenplätzen und der Ganztagesbetreuung. Wir
wollen Betreuungsangebote bedarfsorientiert ausbauen und auch die
Kindertagespflege als 2. Säule stärken. Voraussetzung ist, mehr Fachkräfte für
die frühkindliche Bildung zu gewinnen. Deshalb bauen wir die praxisintegrierte
Ausbildung aus und schaffen mit einem sinnvoll erweiterten Fachkräftekatalog
attraktive Perspektiven für multiprofessionelle Teams in
Kindertageseinrichtungen.
Lebenslanges Lernen ist mehr denn je der Schlüssel zur Sicherung von
Beschäftigungsfähigkeit, zur Stärkung unserer demokratisch verfassten Strukturen
und zur vollumfänglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch in den
ländlichen Räumen braucht es dafür flächendeckende, wohnortnahe und
niederschwellige Weiterbildungsangebote: klassisch analog und zunehmend digital.
Die Volkshochschulen und die kirchlichen Weiterbildungsträger werden wir bei
dieser Transformation weiterhin verlässlich unterstützen.
Wohnen und miteinander leben
Leben und wohnen in der Natur und nicht so teuer wie in den Zentren – auch dafür
stehen die ländlichen Räume in Baden-Württemberg. Nicht nur die Räume selbst,
sondern auch die Anforderungen der Gesellschaft an das Leben in ihnen entwickeln
sich dynamisch. Mit dem großen Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse gestalten
wir Grüne den Wandel.
Viele ländliche Regionen in Baden-Württemberg bieten Arbeitsplätze für junge
Fachkräfte. Junge Menschen, die für einen Job kurze Zeit in eine Region kommen,
haben andere Anforderungen an Wohnraum als junge Familien oder ältere Menschen,
die sich hin zu neuen Wohnbedürfnissen im Alter verändern wollen oder müssen.
Insbesondere für Auszubildende, die beispielsweise in überregionalen
Berufsschulen lernen, bauen wir die Übernachtungsmöglichkeiten und ÖPNV-
Anbindung der Schulen gemeinsam mit den Kommunen aus. Für die Attraktivität der
Orte ist daher wichtig, dass es ein gemischtes Angebot von erschwinglichen
Mietwohnungen gibt. Darum fördert das Land mit dem ELR gerade in den Ortszentren
den Umbau für gute Lebensqualität und auch für vielfältiges und
Mehrgenerationen-Wohnen. Mit der Fortsetzung des Modellprojekts „Ortsmitten -
gemeinsam barrierefrei und lebenswert gestalten“ unterstützen wir Kommunen bei
der Planung attraktiver, verkehrsberuhigter Ortsmitten. Wir achten darauf, dass
der Bereich “Wohnen” wichtiger Bestandteil des Entwicklungsprogramms Ländlicher
Raum bleibt.
Auch in manchen ländlichen Räumen ist die Wohnungslage zunehmend angespannt. Für
uns gilt: Kein Ort ist zu klein für sozial gebundene Wohnungen. Wir gestalten
die Mietwohnraumförderung für ländliche Räume hoch attraktiv und flexibel. Zum
Beispiel dadurch, dass Kommunen selbst sozial gebundene Wohnungen mit Landesgeld
errichten oder neu binden können und nicht nur Unternehmen. Oder durch die neue
Unterstützung für sozial gebundene Werkswohnungen, die auch in den ländlichen
Räumen entstehen sollen. Dadurch eröffnet sich beispielsweise für unsere vielen
Kreiskliniken die Chance, Wohnraum für Mitarbeitende zu schaffen.
Kein Mensch ist eine Insel - und sollte auch nicht so leben müssen. In
ländlichen Räumen schaffen und erhalten aktive Bürger*innen und die öffentliche
Hand lebendige Quartiere. Ein Fokus liegt dabei sowohl auf dem altersgerechten
Umbau – physisch durch mehr Barrierefreiheit und sozial durch Netzwerke – als
auch auf jungen Wohnformen. Wir unterstützen das Bemühen von Städten und
Gemeinden, das Qualitätssiegel "Age-friendly-cities-and-communities
(altersfreundliche Städte und Gemeinden) der Weltgesundheitsorganisation WHO zu
erlangen. Wir sorgen dafür, dass das Land mit den Programmen Quartier 2030 und
Soziale Integration im Quartier (SIQ) politikfeldübergreifend so fördert, dass
es auf die Bedürfnisse der ländlichen Räume mit kleineren Quartieren passt und
zugleich der Bund den barrierefreien Umbau über die KfW weiter unterstützt. Wir
wollen Mehrfunktionshäuser und vielfältige Orte schaffen, die Menschen
gemeinschaftlich nutzen können – seien es attraktive Ortskerne mit belebten
öffentlichen Plätzen, Buchläden, Cafés, Läden, Wirtshäusern, liebevoll
restaurierten Wohnmöglichkeiten und modernen Coworking-Spaces.
Vereine, Engagement und Kultur
In Baden-Württemberg gibt es eine lebendige Bürger*innen-Gesellschaft. Fast die
Hälfte der Menschen in unserem Land engagiert sich ehrenamtlich. Ob im Fußball-
oder Musikverein, im Laientheater, bei der Freiwilligen Feuerwehr, in
Bürgerinitiativen, Gemeinderäten, Religionsgemeinschaften oder Gewerkschaften –
das ehrenamtliche Engagement stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und
schafft lokale Teilhabemöglichkeiten. Für ehrenamtlich Aktive ist es oftmals
schwer, alle an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen und ein Ehrenamt in
Einklang mit einem fordernden Berufsleben zu bringen. Wir wollen noch mehr
Menschen ermöglichen, ehrenamtlich aktiv zu werden. Deshalb verbessern wir die
Rahmenbedingungen für Engagement und unterstützen die Vereine: sei es durch eine
höhere Ehrenamtspauschale, Benennung von kommunalen Ansprechpersonen für das
Ehrenamt oder die Fortführung der „Engagementstrategie“ des Landes.
Kultur verbindet Menschen. In ihr finden Jung und Alt, Neubürger*innen und
Alteingesessene zusammen. Ein vielfältiges kulturelles Angebot macht Orte für
viele Menschen attraktiver, um dort zu leben und ihre Kinder großzuziehen.
Musikvereine sorgen für musikalische Ausbildung und Theatergruppen für beste
Unterhaltung. In Baden-Württemberg gibt es ein breites Kulturangebot mit über
9.000 Kulturvereinen. Sie pflegen Traditionen und erfüllen sie mit neuem Leben.
Weil uns Grünen diese zentrale Bedeutung der Kultur bewusst ist, haben wir seit
2011 die Mittel, die für Kultur zur Verfügung stehen, um über 40 % erhöht.
Gleichzeitig braucht es professionelle Strukturen für ein vielfältiges und
lebendiges kulturelles Angebot. Um diese zu schaffen, haben wir das Programm
„Regional*managerin Kultur“ aufgesetzt. Wir wollen der Kultur auch in ländlichen
Räumen ausreichend Räume und Möglichkeiten zur Entfaltung bieten. Dafür stärken
wir das Landesförderprogramm „FreiRäume“.
Politische Teilhabe: Jede*r darf mitmachen!
Das Leben auf dem Land ist ein anderes als in den urbanen Räumen: Allein durch
die höhere Bevölkerungsdichte in den Städten lassen sich viele Vorhaben, wie
bspw. der Ausbau des Nahverkehrs oder auch Angebote der Daseinsvorsorge leichter
umsetzen. Wir wissen um diese Herausforderung und wollen sie gemeinsam mit den
Menschen angehen, denn nicht jedes Vorhaben, das in urbanen Räumen sinnvoll ist,
passt in selber Weise auch in die ländlichen Räume. Für uns sind die Menschen
vor Ort, die in den ländlichen Räumen leben und arbeiten, daher die Expert*innen
mit denen wir gemeinsam die besten Lösungen finden und umsetzen wollen.
Die Gemeinden kennen die Potentiale und Herausforderungen vor Ort am besten. Mit
Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs statten wir die Kommunen
mit Mitteln aus, um auch jenseits der zu erfüllenden Pflichtaufgaben gestalten
zu können. Wir wollen auch kleinen Kommunen gute Bedingungen für eine
Profilschärfung und wirtschaftliche Entwicklung bieten und werden die
Beantragung von Förderprogrammen vereinfachen. Um für die Menschen vor Ort noch
mehr zu erreichen, ist es außerdem wichtig, die Potenziale der interkommunalen
Zusammenarbeit voll auszuschöpfen.
Wir stärken die aktive Beteiligung der Bürger*innen durch transparente und
zugängliche Beteiligungsverfahren vor Ort und machen Selbstwirksamkeit
erfahrbar. Die Pandemie hat die Entwicklung im digitalen Bereich angeschoben,
jetzt wollen wir konsequent weiter digitale Teilhabe ermöglichen:
Gremiensitzungen in den Rathäusern und Kreistagen sollen digital übertragen
werden, mit Rede- und Stimmrecht auch für online teilnehmende
Gremiumsmitglieder. So können wir einen Beitrag leisten für die Vereinbarkeit
von Ehrenamt, Familie und Beruf und gleichzeitig die lokale Politik in die
Wohnzimmer bringen. Menschen mit Behinderungen sollen die Unterstützung
erhalten, die sie zur Ausübung ihres Mandats benötigen. Die politische
Beteiligung von Jugendlichen und Kindern fördert unsere Demokratie nachhaltig.
Politik und Verwaltung müssen jungen Menschen und ihren Anliegen auf Augenhöhe
begegnen. Wir unterstützen es, wenn Verwaltungen kommunale Ansprechpersonen für
Jugendliche benennen und Vertreter*innen der Jugendgemeinderäte ständiges
Rederecht in den Gemeinderäten haben. Auch Stadt- und Kreisjugendringe sowie
Jugendkonferenzen auf Kreisebene tragen zur Einbindung bei. Wir möchten mehr
Mädchen sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund und unterschiedlichen
Bildungsbiografien für diese Gremien gewinnen und eine bessere Erreichbarkeit
auch für Jugendliche aus peripheren Ortschaften sicherstellen.
Durch eine dialogische Bürgerbeteiligung in Bürgerforen mit zufällig
ausgewählten Bürger*innen machen wir die Politik des Gehörtwerdens für Menschen
aus ganz Baden-Württemberg erlebbar. Vergleichbar zum begleitenden
Bürger*innenforum zur Arbeit der Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“
streben wir zu wichtigen Gesetzesentwürfen Bürger*innenforen an.
Weil hier die Wirtschaft von morgen entsteht
Die ländlichen Räume sind mit ihren fest verankerten mittelständischen und
Kleinunternehmen ein wirtschaftliches Kraftzentrum in Baden-Württemberg. Unsere
Weltmarktführer und Traditionsunternehmen in den ländlichen Räumen tragen mehr
als ein Viertel zur Bruttowertschöpfung des Landes bei und bieten Arbeitsplätze
und Aufstiegschancen vor Ort. Sie sind außerdem ein wichtiger Innovationstreiber
- häufig auch für innovative und nachhaltige Technologien - und Grundstein für
die wirtschaftliche Dynamik in den ländlichen Räumen.
Es gibt bereits eine Vielzahl an Programmen, um die Innovationskraft in den
ländlichen Räumen voranzutreiben, wie zum Beispiel das Innovationsförderprogramm
Spitze auf dem Land! Technologieführer für Baden-Württemberg, das Programm
RegioWIN, die Tourismusförderung, den Breitbandausbau oder die Strategie zur
Fachkräftegewinnung. Darüber hinaus sorgen wir für Unterstützung bei
grundlegenden Standortfaktoren wie Verkehrs- und digitaler Infrastruktur.
Mit dem Krieg in der Ukraine und den Auswirkungen der Pandemie hat sich außerdem
die gesamtwirtschaftliche Ausgangslage geändert. Energiepreisschocks und
zerrüttete Lieferketten gefährden die wirtschaftliche Stabilität vieler
Unternehmen, wie auch die sich abschwächende Konjunktur, die Inflation und die
anstehende Zinswende im Euroraum. Um Innovationskraft der Wirtschaft in den
ländlichen Räumen aufrechtzuerhalten und gegen Zukunftsrisiken abzusichern, sind
deshalb weitere Anstrengungen nötig.
Digitalisierung
Die Digitalisierung bietet insbesondere in den ländlichen Räumen zahlreiche
Entwicklungschancen. So können digitale Lösungen etwa den örtlichen Einzelhandel
sowie die Nahversorgung stärken und viele Wege überflüssig machen. Eine
flächendeckend gute digitale Infrastruktur ist außerdem Grundvoraussetzung für
den Erhalt der ländlichen Räume als attraktive Unternehmensstandorte. Zugleich
birgt die Digitalisierung aber Herausforderungen: Digitale Prozesse erzeugen
häufig Druck auf die lokale Infrastruktur und je weiter der Weg, desto
attraktiver wirken Onlineangebote. Deshalb unterstützen wir Grüne den
Einzelhandel beim Aufbau lokaler und regionaler digitaler Plattformen und
innovativer Transportangebote, um nachhaltige und regionale Produkte über
zusätzliche Absatzkanäle zu vertreiben und einen Beitrag zur Zukunftssicherung
lokaler Anbieter zu leisten. Zudem wollen wir Kommunen bei der Digitalisierung
unterstützen. Aus unserer Sicht ist die Digitalisierung zwar eine wichtige
Möglichkeit, allerdings keine alleinige Lösung, um die Daseinsvorsorge in den
ländlichen Räumen zu verbessern. Als Beispiel: Telemedizin eignet sich für
Nachuntersuchungen oder einfache Diagnosen, sie kann aber nicht die persönliche
ärztliche Behandlung an sich ersetzen - die weitere Förderung der Niederlassung
von Landärzten bleibt unabdingbar.
Inhaber*innengeführte Unternehmen stärken
Funktionierende Kommunen mit bedarfsgerechten Dienstleistungen und
Einzelhandelsangeboten sind wichtige Standortfaktoren, um qualifizierte und
motivierte Mitarbeiter*innen in die ländlichen Räume zu holen und dort zu
halten. Dabei kann auch die Bedarfserhebung und darauf aufbauende Stärkung von
Angeboten über Gemeindegrenzen hinweg einen großen Mehrwert bieten. Wir Grüne
setzen uns mit innovationsfördernden Anreizen dafür ein, Ortszentren und die
lokale Handelsstruktur zu stärken sowie das lokale Handwerk mit seiner zentralen
Rolle für Wirtschaftskraft, Ausbildung und Innovationssystem zu unterstützen.
Dazu gehört etwa die Digitalisierungsprämie, die Unternehmen jeder Größe in
Anspruch nehmen können und die besonders Kleinstunternehmen und Einzelhandel bei
unterschiedlichsten Digitalisierungsvorhaben voranbringt, sowie das Projekt
Handel 2030, in dessen Rahmen beispielsweise Intensivberatungen für
Einzelhandelsunternehmen gefördert werden. Damit die Mittel für
Digitalisierungs- und KI-Förderprogramme trotz der hohen Nachfrage weiterhin
effizient vergeben werden können, ist es wichtig, darauf zu achten, dass keine
Doppelförderungen entstehen.
Zur Stärkung der Ortszentren fördern wir Innenstadtberater*innen, die gemeinsam
mit den lokalen Handels-Akteuren Zukunftskonzepte entwickeln. Für den Neustart
nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie haben wir außerdem das
Sofortprogramm Einzelhandel/Innenstadt aufgelegt.
Ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Wirtschaft sind gemeinwohlorientierte,
soziale und genossenschaftliche Geschäftsmodelle. Wir setzen uns deshalb dafür
ein, dass diese Geschäftsmodelle bei der Vergabe kommunaler Grundstücke
besonders berücksichtigt werden.
Um die Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit von kleinen und mittleren
Unternehmen zu stärken, müssen bürokratische Hürden gesenkt werden. Deshalb
wollen wir Verfahren durch vereinfachte Berichtspflichten verbessern. Formulare
und Bescheide, aber auch Rechtsvorschriften, müssen für Unternehmen ohne eigene
Rechtsabteilung verständlich sein. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der
Digitalisierung der Verwaltung.
Gründer*innen- und Startup-Förderung: Wir fördern das
“Notebook im Grünen”
Startups sind der Mittelstand von morgen und Innovationsmotoren gegen die
Klimakrise. Dem Deutschen Startup-Verband zufolge hat jeder dritte Startup ein
Grünes Geschäftsmodell. Im Vergleich zu Metropolen gibt es in den ländlichen
Räumen noch zu wenig Startups. Da jede Region einzigartige Kompetenzen und
Schwerpunkte hat, setzen wir Grüne uns für gute Gründungsbedingungen in den
ländlichen Räumen ein. Eine gute digitale und Versorgungsinfrastruktur sind
Grundvoraussetzungen, um Unternehmer*innen zur Gründung in den ländlichen Räumen
zu motivieren. Eine zentrale Rolle nimmt auch die gut aufgestellte
Hochschullandschaft ein. Zudem können Coworking-Spaces und Innovation Hubs
Gründungsdynamiken vor Ort unterstützen.
In Baden-Württemberg kann eine bessere Vernetzung von Startups und Mittelstand
und ein funktionierender Knowhow-Transfer gerade in strukturschwächeren Regionen
enormes Potenzial freisetzen. So können Startups Innovationen einbringen,
während mittelständische Unternehmen mit ihren Produktionskapazitäten,
Netzwerken und Erfahrungen unterstützen können, etwa beim Einsatz KI-basierter
Technologien. KMUs einen Teil der Kosten solcher Projekte zu erstatten, könnte
die Verzahnung von jungen und etablierten Unternehmen beschleunigen. Mit dem
Förderprogramm Regionale KI-Labs wird KMU außerdem ein niederschwelliger
Einstieg in KI-Themen ermöglicht. Das Programm Junge Innovatoren, das
Ausgründungen aus der Wissenschaft fördert, ist für die ländlichen Räume ein
großer Erfolg, da es auch von kleineren Universitäten, Hochschulstandorten in
ländlichen Räumen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den Akademien
wahrgenommen wird. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dies auch an Berufsschulen
möglich zu machen, damit die Startup-Landschaft durch Gründer*innen mit
Ausbildungsberufen vielfältiger aufgestellt wird. Außerdem wollen wir auch
gezielt darauf hinwirken, dass Personengruppen, die bisher bei
Unternehmensgründungen unterrepräsentiert sind, in Zukunft stärker beteiligt
werden, wie zum Beispiel Frauen, queere Menschen oder Menschen mit
Migrationshintergrund. Dafür sollten Förder- und Mentoringprogramme aufgelegt
beziehungsweise erweitert werden. Weiterhin wollen wir dem Problem
unzureichender Folgefinanzierungen in Baden-Württemberg entgegenwirken. Dafür
legen wir einen speziellen Fonds über die Förderbank BW (L-Bank) auf, der junge
Unternehmen mit wettbewerbsfähigen und vorzugsweise nachhaltigen
Geschäftsmodellen gezielt und langfristig unterstützt und sorgen dafür, dass
erfolgreichen Startups auch für die Wachstumsphase ausreichend Wagniskapital zur
Verfügung steht.
Ausbildung und Fachkräftesicherung: Wir stärken kooperativ,
dual und dezentral
Die demographische Entwicklung führt auch in ländlichen Räumen zu einem
verstärkten Fach- und Arbeitskräftemangel und wird dadurch verschärft, dass
viele junge Menschen mit Beginn ihres Studiums in Hochschulstädte ziehen. Ein
gutes Angebot sowohl beruflicher als auch akademischer Ausbildungsmöglichkeiten
und eine gute Erreichbarkeitssituation ist deshalb zentral für dauerhaft
attraktive ländliche Räume. Um unsere Unternehmen zu stärken und jungen Menschen
eine berufliche Perspektive in ihrer Heimat zu bieten, setzen wir auf die duale
Ausbildung, stärken wichtige Zukunftsfelder wie die Digitalisierung und die
Energiewende und heben die Gleichrangigkeit von beruflicher und akademischer
Bildung hervor.
Wir werden eine Strategie zur Fachkräftesicherung und einem flächendeckenden
Bildungsangebot in ländlichen Räumen auf den Weg bringen. Hierbei setzen wir auf
Kooperationen aller an Ausbildung beteiligter Akteure einer Region und auf ein
gutes Übergangsmanagement von Schule und Beruf. Digitale Angebote,
überbetriebliche Ausbildungsstellen im Handwerk und die Möglichkeit der
Verbundausbildung können die Ausbildungslandschaft stärken. Die Entwicklung,
dass Berufsschulen manche Ausbildungen mangels Nachfrage nicht mehr anbieten,
muss gestoppt werden. Zudem setzen wir uns für eine gute Erreichbarkeit der
Berufsschulen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln und eine gute Breitband-
Anbindung ein und nehmen die Situation des Azubi-Wohnens in den Blick. Um allen
jungen Menschen eine gute berufliche Perspektive zu ermöglichen, wollen wir die
Gebühren für berufliche Weiterbildungen im Handwerk weiter senken, führen die
Meister- und Übergabeprämie fort und prüfen die Ausweitung dieser Maßnahmen auf
weitere Branchen. Darüber hinaus erhalten wir die Arbeitslosenberatungszentren
(ALOZ) aufrecht und stärken das Modell Teilzeitausbildung.
Ein weiterer Baustein der Fachkräftesicherung ist auch die Zuwanderung. Neben
den rechtlichen Regelungen steht dabei vor allem die gesellschaftliche
Integrationsleistung im Zentrum. Hierfür bieten die ländlichen Räume mit ihren
ausgeprägten ehrenamtlichen Strukturen gute Voraussetzungen. Diese wollen wir
weiter stärken.
Rahmenbedingungen für Frauen und Menschen mit
Migrationshintergrund verbessern
Als Partei der Vielfalt ist es für uns besonders wichtig, Frauen, queere
Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund im
Wirtschaftsleben zu stärken. Dafür müssen strukturelle Hürden überwunden werden.
Wir brauchen eine Stärkung und Ausweitung der Teilzeitausbildungsmöglichkeiten
in Baden-Württemberg über den sozialen Bereich hinaus. Wichtige Maßnahmen sind
zudem eine Änderung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes, um regionale
Tarifverträge sowie den vergabespezifischen Mindestlohn einzuführen.
Wir fördern das Landesprogramm Kontaktstellen Frau und Beruf und weitere
Programme zur individuellen Beratung von Frauen zu allen beruflichen Fragen, von
der Neuorientierung über den Wiedereinstieg bis hin zur beruflichen
Weiterentwicklung. Wir regen die Zusammenarbeit unterschiedlichster
Kooperationspartner*innen an, um wohnortnahe Einkommens- und
Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen in ländlichen Räumen zu schaffen.
Wir wollen im Bereich der Landwirtschaft die Schutzmaßnahmen für saisonale
Fachkräfte und ausländische Pflegefachkräfte ausweiten, indem wir beispielsweise
bestehende Anlauf- und Beratungsstellen ausbauen und zusätzliche
Dolmetscher*innen einsetzten. Der Beratungsbedarf wird mit Blick auf die
zahlreichen Geflüchteten aus der Ukraine weiter steigen und es gilt, diese
Menschen, insbesondere Frauen, vor prekären Arbeitsbedingungen zu schützen.
Wichtig ist auch die erleichterte Anerkennung von ausländischen
Berufsqualifikationen. Des Weiteren liegt unsere Priorität auf der Beseitigung
struktureller Hindernisse, wie beispielsweise fehlende Kitaplätze oder
Ganztagsschulangebote.
Wir stärken Hochschulen als Innovationszentren
Baden-Württemberg ist das Flächenland der Innovationen. Neue Ideen und
Anwendungen entstehen nicht nur an wenigen Knotenpunkten: Im ganzen Land sind
Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Innovationsmotoren angesiedelt, rund
ein Viertel von ihnen liegt in ländlichen Räumen. Die Hochschulen bilden
Fachkräfte für die Unternehmen vor Ort aus und tragen so auch indirekt zur
Stärke der Wirtschaftsregion bei. Wir setzen uns für gute Rahmenbedingungen für
die Hochschulen und ihre Angehörigen ein, wie verlässliche Erreichbarkeit und
ausreichend studentischen Wohnraum.
Innovationszentren entstehen, wo die richtigen Akteure - wie wissenschaftliche
Einrichtungen, etablierte Unternehmen, Kommunen, Startups - zusammengebracht
werden, um gemeinsam Herausforderungen anzupacken. Kleinere und mittelständische
Unternehmen profitieren vom Austausch mit der Spitzenforschung - und umgekehrt.
Wir werden Innovationsplattformen in ländlichen Räumen weiter stärken und die
Zusammenarbeit von Akteuren in urbanen Zentren und ländlichen Räumen fördern.
Bei der Fortführung unserer Reallabore achten wir darauf, Entwicklungsaufgaben
aus allen Regionen in Baden-Württemberg aufzugreifen.
Stärkung der Kreislaufwirtschaft
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist auf dem Weg zu einer klimaneutralen
Wirtschaft essenziell. Durch mehr und effizientere Wiederverwertung können wir
unseren Rohstoffverbrauch in Zukunft deutlich reduzieren. Unser Ziel ist dabei,
möglichst viele geschlossene Rohstoffkreisläufe zu errichten.
Wir wollen gerade in ländlichen Räumen regionale Wirtschaftskreisläufe gezielt
stärken und Anreize für mehr Tauschkonzepte schaffen, zum Beispiel durch Repair
Cafés oder Carsharing. So können wir vorhandene Ressourcen effizienter
einsetzen. Durch Recycling können Rohstoffkreisläufe entstehen, bei den
bestehende Ressourcen in die lokale Wirtschaft zurückgeführt werden. Das wollen
wir weiter ausbauen und auch mehr Flächen dafür zur Verfügung stellen.
Forschungsvorhaben zur Kreislaufwirtschaft im Hinblick auf Fertigung und
Konsumverhalten wollen wir stärker finanziell fördern. Das Vergaberecht soll
genutzt werden, um stärkere lokale Beschaffung zu ermöglichen. Hochschulen und
Studierendenwerke sollen nach dem Zero-Waste-Prinzip eigene Strategien für eine
vollständige Kreislaufwirtschaft entwickeln und umsetzen. Dafür muss ein
entsprechendes Förderprogramm aufgelegt werden, das auch die Bedingungen der
ländlichen Räume gezielt adressiert.
Weil Klimaschutz bewahrt, was wir lieben
Wir wollen die zentrale Rolle der ländlichen Räume beim Klimaschutz weiter
stärken und Mensch, Tiere und Natur vor den Folgen der Klimakrise bewahren. Seit
2011 arbeiten wir an einem konsequenten Klimaschutz. Eine der tragenden Säulen
der Klimaschutzes ist die Mobilitätswende. In den ländlichen Räumen, in denen
die Menschen täglich weite Strecken zurücklegen müssen, sind besondere
Kraftanstrengungen für klimaneutralen Verkehr nötig. Wichtige Meilensteine sind
bereits erreicht: Wir haben in den ländlichen Räumen unter anderem die
Regiobuslinien eingeführt, die Reaktivierung von Bahntrassen vorangetrieben,
Radverkehrsplaner in den Regierungspräsidien verankert, ein flächendeckendes
Ladenetz für Elektrofahrzeuge aufgebaut, Busse mit Elektro- oder
Wasserstoffantrieb gefördert und Förderprogramme für Kommunen im Bereich
Mobilität durch Fußgänger-Checks eingeführt. Ein deutlich verbessertes Angebot
an Bussen, Bahnen und Radwegen dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern
verbessert die Mobilität der Menschen in den ländlichen Räumen, macht
Dienstleistungen, die in dünn besiedelten Bereichen nicht angeboten werden
können, auch ohne Kfz erreichbar und stärkt den Tourismus in den vielen
landschaftlich reizvollen Regionen unseres Landes. Seit der Einführung des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) der rot-grünen Bundesregierung, welches
erstmals im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, sind die ländliche Räume Vorreiter
im Ausbau der Erneuerbaren Energien, einer weiteren wichtigen Säule des
Klimaschutzes.
Mit der Einführung der Photovoltaik-Pflicht und ambitionierter Klimaschutzziele
in unserem Klimaschutzgesetz sind wir bundesweit Vorreiter. Wir bringen die
kommunale Wärmeplanung voran und führen die Photovoltaikpflicht für Neubauten
und bei grundlegenden Dachsanierungen ein. Neben Klimaschutz ist es auch nötig,
Mensch und Natur vor den bereits erfahrbaren Konsequenzen der Klimakrise zu
schützen. Mit der 2021 vorgelegten Anpassungsstrategie legt die Landesregierung
Maßnahmen vor, um den nicht mehr vermeidbaren Folgen der Klimakrise, die auch in
den ländlichen Räumen zunehmend sichtbar werden, zu begegnen. Den begonnenen
Dialog zwischen Landwirtschaft, Naturschutz, Lebensmittelwirtschaft, Handel
sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern werden wir in einem Strategiedialog
vertiefen, um die Interessen von landwirtschaftlichen Betrieben,
Verarbeitungsbetrieben, Handel und Verbraucherinnen und Verbrauchern
auszugleichen. Weitere wichtige Wegmarken für ein funktionierendes Miteinander
von Landwirtschaft und Umweltschutz sind zum Beispiel das
Biodiversitätsstärkungsgesetz, die beständige Erhöhung des Bio-Anteils in der
Außerhausverpflegung in den landeseigenen Kantinen und die Einrichtung von
Biomusterregionen, um Akteur*innen aus Wirtschaft und Gesellschaft zu vernetzen
und regionale Absatzmärkte für ökologische Produkte zu stärken.
In Zukunft treiben wir Klima- und Naturschutz in den ländlichen Räumen noch
konsequenter voran. Wir wollen eine stärkere Verankerung von Klimaschutz und
Versorgungssicherheit im Förderprogramm Entwicklung ländlicher Raum (ELR).
Sämtliche Förderprogramme des Landes sollen bis zum Jahr 2035 dem Ziel der
Netto-Treibhausgasneutralität entsprechen. Weitere Ziele verfolgen wir auf
folgenden Arbeitsfeldern:
Ausbau erneuerbarer Energien: Wir wollen sauberen Strom,
Wärme, Mobilität
Für den Ausbau Erneuerbarer Energien spielen die ländlichen Räume eine
entscheidende Rolle. Aber auch in den ländlichen Räumen muss der Ausbau
erneuerbarer Energien beschleunigt werden: Im Oktober 2021 wurde durch den
Ministerrat die Einrichtung der Task Force entsprechende Maßnahmen für das ganze
Land getroffen. Mit der Beschleunigung des Verfahrens zum Ausbau von Windkraft
und Freiflächen sowie von Agri-Photovoltaik werden wir einen weiteren Baustein
für mehr Klimaschutz legen. Der Ausbau von Windkraftanlagen wurde durch
Umstellung auf ein Ausschreibungsregime im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2018
deutlich gebremst. Hier haben wir noch Handlungsbedarf, um eine klimaneutrale
Energieversorgung sicher zu stellen und unabhängig zu werden von Gas und Öl.
Deshalb werden wir die Zeitdauer, die heute von der Planung über die Genehmigung
bis hin zur Inbetriebnahme von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien
vergeht, deutlich verkürzen. Die Verfahrensdauer bei Windkraft soll dabei
mindestens halbiert werden. Hierfür wurde das Klimaschutzgesetz um eine
Verpflichtung ergänzt, mindestens zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie
und Freiflächen-Photovoltaik zu sichern. Zudem haben wir den Ausbau von
Windkraft im Staatswald forciert. Wir wollen bestehende Biogasanlagen an
bestehende Wärmenetze anschließen, um weitgehend geschlossene Energie-,
Stickstoff- und Kohlenstoffkreisläufe erreichen. Um die energetische Versorgung
mit erneuerbaren Energien durchgehend sicherzustellen, forcieren wir die
Forschung in Speichertechnologien.
Rückenwind erhalten wir durch unseren Vizebundeskanzler und Wirtschaftsminister
Robert Habeck, der mit dem Osterpaket und vor allem dem „Wind-an-Land“-Gesetz
den Ausbau erneuerbarer Energien wieder ins Zentrum der deutschen Energiepolitik
setzt. Mit dem Osterpaket werden verschiedene Energiegesetze umfassend
novelliert, um so den Ausbau der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Wasser zu
beschleunigen und konsequent voranzutreiben. Weitere Maßnahmenpakete sind sowohl
auf Bundes- als auch auf Landesebene in Planung.
Landwirtschaft, Naturschutz, Anpassungsstrategie und
Klimaschutz
Obwohl sich die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen verringert,
bilden landwirtschaftliche Flächen und bewirtschaftete Wälder nach wie vor den
Großteil unserer (Kultur-) Landschaften. Sie versorgen uns mit Lebensmitteln,
sauberem Wasser, mit guter Luft, Energie, Baumaterial und bieten ein
vielfältiges touristisches Angebot. Baden-Württemberg ist ein Land vielfältiger
Naturräume, die in teils einmaligen Lebensgemeinschaften eine Vielzahl von
Pflanzen und Tieren beherbergen. Sie gilt es, insbesondere im Angesicht der
Klimakrise und der Artenkrise, zu schützen und ihre zahlreichen dem Menschen
kostenlos zur Verfügung gestellten Leistungen zu bewahren. Damit dies so bleibt,
fördern wir den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und vergüten schon heute
umweltschonende Wirtschaftsweisen. Entscheidend für den Schutz unserer
natürlichen Ressourcen ist auch die dahingehend umfassende Ausbildung künftigen
Fachpersonals. Schützenswerte Ökosysteme zu erkennen muss eine entscheidende
Kompetenz in den forst- und landwirtschaftlichen sowie biologischen
Studiengängen und Ausbildungen werden.
Kommunen brauchen jenseits der Erfüllung von Pflichtaufgaben
Gestaltungsspielräume, um für die Menschen vor Ort und mit ihnen Zukunft
gestalten zu können. Dies betrifft auch den Umgang mit vor Ort verfügbaren
Flächen und Ressourcen. Landwirtschaftliche Flächen dürfen zur Verhinderung von
Flächenversiegelung, von Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts und zur
Aufrechterhaltung von Biodiversität und Ernährungssicherheit nicht beliebig
anderen Nutzungen zugeführt werden. Der Anbau von Energiepflanzen sollte unter
Abwägung dieser Aspekte daher reduziert werden.
Die Energiewende bringt auch Herausforderungen mit sich, denen wir uns stellen
wollen. Ein Teil der Wertschöpfung aus der (dezentralen) Energiegewinnung von
landwirtschaftlich genutzten Flächen muss auch Bäuerinnen und Bauern
zugutekommen, die durch stetig steigende Pachtpreise drohen, Verlierer des
Wettbewerbs um den Boden zu werden. Ein Teil der vor Ort gewonnenen Energie
lässt sich direkt auf den Höfen nutzen und hilft, die hohen Energiekosten für
die Betriebe zu senken. Hierfür schaffen wir die notwendigen Rahmenbedingungen:
Unter anderem fördern wir die Kombinierte Flächennutzung durch zum Beispiel
Agri-Photovoltaik. Wir halten in Forschung und Praxis am Vorsorgeprinzip fest
und fördern gezielt Forschungsvorhaben zur Transformation der Land- und
Ernährungswirtschaft, im Bereich Ökolandbau und zu umweltverträglichen Konzepten
und Klimaanpassungsstrategien.
Die Landwirtschaft ist einerseits besonders stark von der Klimakrise betroffen,
trägt allerdings auch selbst zu seinem Fortschreiten und einigen weiteren
Umweltproblemen bei. Eine ökonomisch starke und ökologisch nachhaltige
Landwirtschaft kann es nur mit entsprechenden politischen Rahmenbedingungen und
einer Honorierung der für die Gesellschaft erbrachten Leistungen geben. Die
zahlreichen Förderprogramme im Land unterstützen die landwirtschaftlichen
Betriebe bereits jetzt auf dem Weg zu mehr Tierschutz und ökologischeren
Bewirtschaftungsformen. Wir wollen zukünftig darüber hinaus regionale
Lieferketten und die Vermarktung ökologisch erzeugter Lebensmittel noch stärker
unterstützen. Damit erhalten wir die heimische Landwirtschaft, leisten einen
Beitrag zu Ernährungssicherheit, Klima- und Umweltschutz und machen Baden-
Württemberg als Land des Genusses und attraktives touristisches Ziel erfahrbar.
Im Zentrum der Änderung des Landeswaldgesetzes steht die Aufnahme des neuen
Bewirtschaftungsgrundsatzes einer klimaadäquaten Bewirtschaftung des Waldes: Der
Wald und dessen Bewirtschaftung nimmt beim Klima- und Artenschutz eine zentrale
Rolle ein. Ein naturnah bewirtschafteter, strukturreicher Wald ist resilienter
gegenüber extremen Bedingungen und fungiert dadurch langfristig nicht nur als
ökologische, sondern auch als wirtschaftliche Versicherung. Wälder sind Habitat
zahlreicher Tier- und Pflanzenarten, maßgeblicher und langfristiger CO2-Speicher
und wichtiger Erholungsort. Gleichzeitig sind sie eine beständige Quelle
nachwachsender Rohstoffe und somit wichtiger Wirtschaftsfaktor bei der
Entwicklung der ländlichen Räume. Im Rahmen der „Langfristigen Version für den
ländlichen Raum“ der EU sollen daher sowohl Unternehmertum und
Ausbildungsmöglichkeiten, sowie die Anpassungsstrategien an die Klimakrise
unterstützt werden. In einem Waldland wie Baden-Württemberg – mit einer
Waldbedeckung von 40 % – ist die Schlüsselwirkung des Waldes bei der Stärkung
der ländlichen Räume besonders groß.
Auch in Baden-Württemberg ist die Vulnerabilität monotoner Waldbestände
gegenüber der Klimakrise unübersehbar. Von der Trockenheit geschwächte Fichten
fallen dem Borkenkäfer flächendeckend zum Opfer und wertvolle Holzressourcen
gehen verloren. Die Waldstrategie für Baden-Württemberg ist ein wichtiger
Wegweiser für die kommenden Jahre. Im Vordergrund steht nun ein schneller und
umfassender Waldumbau hin zu einem arten- und strukturreichen Mischwald.
Entstandene Kalamitätsflächen müssen mit überwiegend heimischen Baumarten und
einem erhöhten Laubbaumanteil wiederbewaldet werden. Da rund ein Drittel des
Waldes im Land in privater Hand ist, darf dabei die Unterstützung von
Privatwaldbesitzern beim Waldumbau nicht vernachlässigt werden. Ein artenreicher
Wald ist resilienter gegenüber Störungsereignissen und schafft somit auch
größere Planungssicherheit für die Holzindustrie. Die Förderung von
klimafreundlichem Bauen durch die innovative Holzbau-Offensive ist darüber
hinaus ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen und langfristigen Nutzung von
Holz. Die direkte Verfeuerung von Holz ist energetisch ineffizient und kann zu
einer Übernutzung der Wälder führen. Wärmeenergie von Holz zu verstromen darf
daher nicht als klimaneutral eingestuft werden und lediglich die private
Wärmenutzung aus lokalem Restholz sollte erlaubt sein. Die Nutzung von Holz muss
nach dem Kaskaden-Prinzip ablaufen, zunächst in langlebigen Produkten verbaut
werden und erst am Ende der Kette der Energiegewinnung dienen. Über den Rohstoff
Holz hinaus leistet ein gesunder Wald zahlreiche Dienstleistungen, die für
unsere Existenz von zentraler Bedeutung sind. Der Wald filtert unser
Trinkwasser, ist riesiger Kohlenstoffspeicher und dient als Erholungsort. Damit
der Druck des Menschen auf den Wald nicht zu groß wird, ist die Renaturierung
naturbelassener Wälder durch Prozessschutzgebiete, die Förderung
zusammenhängender Schutzgebiete und der Ankauf ökologisch relevanter Flächen
besonders wichtig. Ein widerstandsfähiger Wald ist uns ein wichtiger Verbündeter
im Kampf gegen die Klimakrise und den Artenverlust.
Mobilitätswende: Wir sind auf dem Weg zu sauberer Mobilität
für alle
Wir wollen, dass die Mobilität auch in den ländlichen Räumen nicht vom eigenen
Auto abhängig ist. Die Mobilitätsgarantie, die von früh bis spät in kleinen
Orten mindestens einen Stundentakt, mittelfristig einen Halbstundentakt
vorsieht, ist unser klares Ziel für Baden-Württemberg. Eine Mobilitätsgarantie
lässt sich allerdings nicht ohne Investitionen und Folgekosten umsetzen. Mit dem
Mobilitätspass wollen wir den Kommunen daher die Möglichkeit bieten, zusätzliche
Mittel für den massiven Ausbau des ÖPNV zu generieren und Anreize zu setzen, die
Straßen in den Städten und Gemeinden vom Autoverkehr zu entlasten. Dabei sind
mehrere Varianten denkbar: Ein Mobilitätspass für Einwohner*innen
(„Bürgerticket“), für Kfz-Halter*innen („Nahverkehrsabgabe“) sowie für Kfz-
Nutzer*innen („Straßennutzungsgebühr“) oder eine Arbeitgeber*innenabgabe. Die
Höhe der Abgabe kann lokal auch in Abhängigkeit von der Qualität des ÖPNV-
Angebots gestaffelt werden.
Mit dem Erfolgsprojekt der Regiobuslinien, bei dem Unterzentren und die Orte
dazwischen untereinander und an das Schienennetz angebunden werden, haben wir
einen guten Anfang gemacht. Diese Angebote werden nun schrittweise ausgebaut.
Bundesweit sind wir auch Vorreiter bei der Reaktivierung stillgelegter
Bahnstrecken, mit denen wir die Bahn wieder in die Fläche und die ländlichen
Räume bringen. An bestehenden Bahnstrecken werden zusätzliche Haltepunkte
errichtet, eine Vielzahl weiterer Haltepunkte ist derzeit in Prüfung. Ergänzen
wollen wir diese Angebote durch bedarfsabhängig gesteuerte On-Demand-Verkehre
wie (klimaschonende) Rufbusse und -autos. Die von den Landkreisen regelmäßig zu
überarbeitenden Nahverkehrspläne sollten unter stärkerer
Öffentlichkeitsbeteiligung und unter Beratung von Mobilitätsfachleuten
qualitativ weiterentwickelt werden. Dabei müssen zunehmend auch die Angebote
über Landkreisgrenzen hinaus verbessert werden. Zusammenschlüsse der
verschiedenen Verkehrsverbünde wollen wir fördern.
Zu einem guten ÖPNV-Angebot gehören auch attraktive Tarife für alle, wie der bw-
Tarif und das „1-2-3 Ticket“. Mit dem Jugendticket ermöglichen wir jungen
Menschen die Fahrt im ÖPNV durch das ganze Land für 1 Euro am Tag.
Das sichere Radfahren ist für uns als Grüne keine Angelegenheit nur für die
Städte. Das Fahrrad, ob mit oder ohne elektrische Unterstützung, bietet sich
vielfach auch auf dem Land an, um beispielsweise zur Arbeit oder zum Einkaufen
zu fahren. Dafür braucht es aber attraktive und sichere Radverkehrs-
Verbindungen, die – auch zur Stärkung des Radtourismus – gut ausgeschildert sein
müssen. Aus dem Umland sollten vermehrt Radschnellwege in die Ballungsräume
gebaut werden. Einige davon befinden sich bereits in der Umsetzung. Zwischen den
Orten wollen wir die Fußwege- und Wanderwege ausbauen. Auch entlang von
Ortsverbindungsstraßen brauchen wir Radwege, um die Autoverkehr zwischen den
Orten der ländlichen Räume zu reduzieren und für Radfahrer*innen sichere
Alternativen für kurze Fahrten zu schaffen. Die Wege innerhalb oder zwischen
naheliegenden Orten könnten häufiger zu Fuß zurückgelegt werden. Wir wollen auch
diese Wege, ebenso die Wanderwege, auf Basis von Fußweg-Konzepten, ausbauen.
Um Bus, Bahn und Fahrten mit Leih-Autos und -Fahrrädern enger zusammen zu
denken, wollen wir mit einer mindestens landesweit einheitlichen App alle
Mobilitätsdienstleistungen planbar, buchbar und nach dem Bestpreisprinzip
bezahlbar machen. An den Haltestellen des ÖPNV werden diese Verkehrsmittel zu
Mobilitätszentralen vernetzt. Um die Vernetzung unterschiedlicher
Verkehrsangebote zu verbessern, halten wir die Möglichkeit zur Fahrradmitnahme
bei allen Regiobuslinien für dringend erforderlich. Das ermöglicht nicht nur
Jugendlichen mehr eigenständige Moblität ohne "Elterntaxi" bzw. ohne Auto.
Auf der Ebene der Landkreise sollen Koordinatorinnen und Koordinatoren für
Mobilität und Klimaschutz zur Unterstützung der kreisangehörigen Gemeinden beim
Ausbau der nachhaltigen Mobilität eingesetzt werden. Wir wollen auch in den
ländlichen Räumen eine Verkehrsplanung, die allen Menschen gerecht wird. Damit
auch Senior*innen und Menschen mit Behinderungen den öffentlichen Verkehr nutzen
können, wollen wir dessen Barrierefreiheit stärker ausbauen. En besonderes
Augenmerk beim Ausbau des Nahverkehrs muss auf den Bedürfnissen von Frauen
liegen.
Da viele von uns selbst in kleinen Orten unseres Landes wohnen, wissen wir, dass
gerade hier auch in Zukunft nicht immer aufs Auto verzichtet werden kann.
Hierfür wollen wir das gemeinschaftliche Nutzen von Fahrzeugen fördern. Dies
gelingt, indem wir bestehende Modelle wie das Teilen kommunaler Dienstwagen
außerhalb der üblichen Geschäftszeiten und das private Carsharing stärken.
Gerade in ländlichen Räumen, wo das Auto häufig genutzt wird, gilt es, die
Potentiale der Elektromobilität zu nutzen. Somit können die Menschen schnell von
Lärm und Abgasen befreit und klimaschädliche Emissionen gemindert werden.
Hierfür müssen wir unsere Ladeinfrastruktur im ganzen Land weiter verbessern,
vor allem dort, wo es ohne Mitfinanzierung aus Steuermitteln nicht möglich ist.
Mit unserem Ladenetz haben wir hierfür erfolgreich den Grundstein gelegt. In
einem weiteren Schritt wollen wir, dass in Siedlungs- und Gewerbegebieten
zukünftig mindestens eine Ladesäule fußläufig erreichbar ist. Eine
Schnelllademöglichkeit soll in maximal fünf Kilometern Entfernung zur Verfügung
stehen. Auf immer mehr Dächern im Lande leisten Photovoltaikanlagen einen
Beitrag zur Energiewende. Diese Potenziale wollen wir noch intensiver nutzen, um
Elektroautos mit erneuerbar erzeugtem Strom versorgen zu können, und eine
innovative Verknüpfung von Energiewende und Antriebswende im Verkehr zu bieten.
Wertvoll, knapp und voller Chancen: Unsere Fläche
Die Vielfalt der ländlichen Räume ist ein großer Schatz. Augenfällig ist die
Vielfalt der Landschaften. Aber auch Siedlungsformen sind in den ländlichen
Räumen vielfältig: Vom kleinen Weiler bis zur kompakten und traditionsreichen
Mittelstadt ist alles dabei. Diese Vielfalt ist ein Kulturgut, das uns prägt.
Sie braucht unzerschnittene Freiräume und unversiegelte Flächen, die
entscheidend Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität als die großen
Aufgaben beitragen. Nicht zuletzt bringt die Klimakrise und gleichzeitig
fortschreitende Versiegelung unsere Bürger*innen in große Gefahr, wie die
Hochwasser-Katastrophen 2021 in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen
dramatisch gezeigt haben. Darum müssen wir Flächen effizienter und mit mehr
Bedacht nutzen. Die Diskussion darüber, wie wir vom Flächenverbrauch wegkommen
können, treibt besonders die Bürger*innen in den ländlichen Räumen um – denn
gerade sie erleben, welchen Unterschied es macht, wenn vor Ort schonend oder in
großem Tempo verbrauchend mit der Fläche umgegangen wird.
Im Koalitionsvertrag 2021 von Baden-Württemberg ist eine Reduzierung des
anhaltenden Flächenverbrauchs auf 2,5 ha/Tag festgeschrieben, Ziel ist der
Netto-Nullverbrauch bis 2035. Wir wissen, dass dieses Ziel ehrgeizig ist und
setzen unsere Kraft und unsere Ideen ein, um es zu erreichen. Einem „Weiter so“
bei der Flächenversiegelung werden wir entgegenwirken. Ein Instrument hierfür
wird der neue Landesentwicklungsplan sein. Wir Grünen wissen um die starke,
verfassungsmäßig garantierte, kommunale Selbstverwaltung. Mit Verweis auf die im
zukünftigen, 2021 begonnenen Landesentwicklungsplan getroffenen Festlegungen zu
Flächenverbrauch und Entsiegelung wird die Landesregierung den Kommunen und
Kreisen gezielte Empfehlungen (Leitfaden“) geben, wie der Flächenverbrauch
drastisch reduziert werden kann. Dieser Leitfaden muss die zukünftige Situation
ohne Versiegelung neuer Flächen quasi vorausnehmen. Die Förderinstrumente
insgesamt, aber auch die für den Ländlichen Raum, müssen angepasst werden, um
die Kommunen auf dem Weg zur „Netto-Null“ zielgenau zu unterstützen.
Dabei ist Bündnis 90/Die Grünen sehr bewusst, dass auch in Zukunft neue Flächen
zur Bebauung ausgewiesen werden müssen– verbunden mit Kompensationen wie die
Entsiegelung nicht gebrauchter Fläche. Es ist klar, dass wir auch für unsere
Klimaschutzziele auf dem Weg Fläche brauchen: Wir stehen zum Flächenziel des
Landes und des Bundes für den Ausbau der Erneuerbaren Stromproduktion.
Es gibt einen enormen Bedarf nach Wohnraum. Deshalb fördert das Land die
Erweiterung der vorhandenen Nutzungspotentiale ohne zusätzliche Inanspruchnahme
von Bodenflächen, den Ausbau von Dachgeschossen, die Aufstockung von Gebäuden
sowie die Nachverdichtung. Im ländlichen Raum ist das Einfamilienhaus die oft
vorherrschende Wohnform. Auch hier muss stärker auf verdichtendes Bauen gesetzt
werden. Flächenzertifikate müssen ein zentrales Instrument für weniger
Flächenverbrauch werden. Auch der Verbrauch von Verkehrsflächen muss zukünftig
in den Fokus genommen werden.
Um Flächen zu sparen, fördern wir Innenentwicklung und Flächenrecycling. Wir
unterstützen das Förderprogramm des Landes „Flächen gewinnen durch
Innenentwicklung“. Wichtig auch hier: Innenentwicklung geht vor.
Innenentwicklung, das Bauen im Bestand (Sanierung oder Neubau) muss für
Bauherren und Kommunen zu einer kostenneutralen Alternative werden. Es muss
weitere Förderung geben, um Mehraufwand für Planung, längere Vorfinanzierung und
ggf. Abriss oder Zukauf von Flächen zur Arrondierung der Baugrundstücke gezielt
zu fördern. Die Kommunen sind gehalten, sich an der Förderung zu beteiligen. Das
soll ggf. auch eine Kostenübernahme ermöglichen können. So wird Innenentwicklung
zu einer kostenneutralen Alternative werden.
Zudem befürworten wir die Grundsteuer C, um gezielt baureife oder ungenutzte
Grundstücke mobilisieren zu können, und unterstützen dabei unsere
Gemeinderätinnen in der Diskussion vor Ort. Die teilweise schädlichen
Subventionen auf Bundesebene, die die Außenentwicklung begünstigen, wollen wir
abbauen. Dazu gehören vor allem der §13b des Baugesetzbuches im Bund, der ein
beschleunigtes Verfahren ohne Umweltprüfung und Ausgleichsfläche für
Wohnbebauung im Außenbereich vorsieht. Gerade für kleine Ortschaften mit wenigen
hundert Einwohner*innen ist 1ha, der durch §13b ermöglicht wird, eine enorm
große Fläche.
Überdimensionierte Verkehrsanlagen und nicht mehr benötigte Infrastruktur wollen
wir umnutzen, rückbauen und entsiegeln, sodass Flächen für mehr ökologische und
Aufenthaltsqualität umgenutzt werden können. Wir Grüne beteiligen uns an der
notwendigen Öffentlichkeitsarbeit, um die Menschen für die Nachteile und Risiken
des Flächenverbrauchs und Versiegelung zu sensibilisieren sowie die
Möglichkeiten und Chancen des Flächensparens aufzeigen.
Auch künftig wird die zukunftsfeste Entwicklung unsere ländlichen Räume und
ihrer Vielfalt eine zentrale Leitplanke unserer Politik sein - denn sie sind ein
großer Schatz für Baden-Württemberg.