Veranstaltung: | LDK in Sindelfingen am 21./22.09.2019 |
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Tagesordnungspunkt: | KLI Leitantrag |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesvorstand |
Eingereicht: | 23.09.2019, 16:31 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und fossilfreie Zeitalter
Beschlusstext
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“ (Richard von Weizsäcker)
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Die Klimakrise erzeugt genau den Innovationsdruck, den wir
benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Die
Klimakrise kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
Wir setzen uns in Baden-Württemberg für eine politische Mehrheit ein, um eine
„Erklärung des klimatischen Notfalls“ auszurufen. Dies ist ein öffentlich
wirksames Signal, mit dem wir zeigen, dass wir die Eindämmung der Klimakrise und
ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von allerhöchster Priorität ansehen.
Darüber hinaus kommunizieren wir öffentlich die Risiken, dass aus der
„Klimakrise“ eine „Klimakatastrophe“ wird, wenn es uns nicht gelingt, alle Teile
der Gesellschaft zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele ins Boot zu holen.
II. Transformation konkret – Klimawende gestalten,
Wirtschaft stärken und Wohlstand sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Im Rahmen der Initiative verpflichten sich Länder und Regionen auf
subnationaler Ebene auf Mindestziele, so bleiben etwa bedeutende US-Staaten wie
Kalifornien und New York Teil des internationalen Klimadialogs, auch nach einem
Austritt der USA aus dem Pariser Vertrag. Auch mit dem Vermögen des Landes
betreibt die Landesregierung Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen
nachhaltig anlegt. Das bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder,
die den Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg zur
Erreichung des 1,5-Grad-Ziels
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung, gerechnet ab 1.1.2018. Bei
gleichbleibendem Ausstoß wäre dieses Budget schon 2024 aufgebraucht. Mit jedem
neuen IPCC-Bericht muss das verbleibende Carbon Budget angepasst werden.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
dem Pariser Klimaabkommen gerecht zu werden und schnellstmöglich ein
klimaneutrales Baden-Württemberg zu erreichen, müssen wir diese Ziele
weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt. Außerdem braucht es wirksame
Sanktionsmaßnahmen bei Nichteinhaltung von Klimazielen.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel Moore
oder die Rückgabe zuvor versiegelter Flächen an die Natur, kompensieren können,
wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf für zusätzliche CO2-
Kompensationen geben, sollen diese aus Senken innerhalb der Europäischen Union
kommen und die zusätzliche, langfristige und nachhaltige Bindung von
Treibhausgasen sicherstellen."
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf Bundes-
und Landesebene auf ihre Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt
Gemeinwohlbilanz, das derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir
evaluieren und unter Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Wir wollen eine Prüfung, ob die bisher im neuen
Klimaschutzgesetz vorgesehene Verpflichtung für die kommunale Wärmeplanung auf
weitere klimarelevante Bereiche und Maßnahmen übertragen werden kann.
Es muss endlich für CO2 und alle weiteren relevanten Treibhausgase (im Folgenden
zusammengefasst als CO2 bezeichnet) in allen Sektoren einen einheitlichen Preis
geben. Einen Preis mit Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der
Bundesgrünen und der grün-regierten Länder einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologisch notwendige Lenkungswirkung
haben, können wir unsere Lebensgrundlagen erhalten. Wir wollen nach dem
Grundsatz handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund
aktiv werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag
erhoben, der über die Zeit anwächst. Ein Preis von 180 Euro pro Tonne
entsprächen den aktuell geschätzten Folgekosten, die eine Tonne CO2-Emissionen
verursacht. Wir könnten uns einen Einstiegspreis von 50-60 Euro pro Tonne
vorstellen, der jedes Jahr um ca. 10 Euro ansteigt. Es ist quasi eine Müllgebühr
für den klimazerstörenden CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld sowie
durch die Senkung auf das EU-rechtliche Minimum der Stromsteuer und einer
grundsätzlichen Reform der Energiebesteuerung an die Bürgerinnen und Bürger
zurückgegeben. Dadurch entsteht ein sozialer Klimaausgleich, der
klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei mindestens 40 Euro pro Tonne beginnt
und planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die
Wirtschaft zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die
europäische Union Ihre Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien, die
Energieeffizienz und die Verringerung des CO2-Ausstosses daran ausrichtet, dass
sie dem Pariser Klimaabkommen gerecht wird und schnellstmöglich EU-weit
Klimaneutralität erreicht wird. Die von Baden-Württemberg initiierte Under-2-
Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen. Auch die
International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von Baden-
Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine
verlässliche Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren
sichtbar machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den
Klimaschutz stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität schnellstmöglich
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Wir
fordern die Bundesregierung auf, Freiflächenphotovoltaik und Agrophotovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen, um eine
gleichzeitige Nutzung von Böden zur Nahrungsmittelproduktion und PV-
Stromerzeugung zu ermöglichen. Darüber hinaus wollen wir den Bau von
Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend machen und Bürgersolaranlagen
und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen. Wir wollen Verbindlichkeit und
Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren Energien, deshalb sollen den
Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir fordern die Bundesregierung
auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren Energien aufzuheben. Sie muss die
jährlichen Ausbauziele für erneuerbare Energien sowie die jährlichen
Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und Windkraftanlagen deutlich
erhöhen. Baden-Württemberg wird durch z. B. Elektromobilität, Power2Gas und
Wärmepumpen zukünftig einen deutlich größeren Strombedarf haben als heute. Wir
benötigen damit in den nächsten Jahren wesentlich höhere jährliche Zubauraten im
unteren einstelligen Gigawattbereich für Baden-Württemberg bei Photovoltaik und
Windkraft um das 1,5 °C-Emissionsbudget einzuhalten. Diese Anlagen wollen wir
größtenteils im Land bauen, um damit auch die lokale Wertschöpfung
sicherzustellen. Wir fordern die Bundesregierung auf, hierzu die nötigen Weichen
zu stellen. Auf Landesebene wollen wir dazu mit der Novelle des
Klimaschutzgesetzes mehr Flächen für Erneuerbare zur Verfügung stellen.
Um die Anreize für Investor*innen und Hausbesitzer*innen in Erneuerbare Energien
weiter zu stärken, wollen wir Grüne diskutieren, ob eine Senkung der
Mehrwertsteuer für Photovoltaikanlagen, Solarthermie-Anlagen, Wärmedämmung und
Windkraftanlagen sinnvoll ist.
In Baden-Württemberg ist Wasserkraft eine bedeutende Säule der erneuerbaren
Energiegewinnung. Daher setzen wir uns für weitreichende Förderprogramme für
kleinere Wasserkraftwerke ein. Diese Form der Energiegewinnung ist nicht nur
wichtig für die Netz- und Systemstabilität, sondern ist darüber hinaus
schwarzstartfähig und kann im Falle eines Blackouts zum Wiederaufbau der
Versorgung beitragen. Wasserkraft bietet überdies Möglichkeiten zur regionalen
und dezentralen Stromerzeugung.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis spätestens zum Jahr 2023
die Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Auch in Baden-
Württemberg sind derzeit mehrere moderne Gaskraftwerke nicht in Betrieb während,
aus wirtschaftlichen Gründen, Steinkohlekraftwerke Strom erzeugen. Dieses
Verhältnis muss umgedreht werden und die Gaskapazitäten im Land genutzten
werden, denn durch die Umstellung von Kohle auf Gas als Brennstoff kann eine
rasche CO2-Reduktion erzielt werden.
Unternehmen, an denen das Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen
(EnBW, Flughafen Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen
Treibhausgasneutralität inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im
Jahr 2035 erreichen. Wir begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel
gesetzt hat, auch bei den landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu
handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Dabei ist besonders besorgniserregend, dass seine Emissionen in
den letzten Jahren sogar wieder gestiegen sind und damit höher sind als im
Referenzjahr 1990. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in
Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse flächendeckend im Takt
verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und preislich attraktiv sein. Daran
wollen wir weiter arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. In den kommenden Jahren
werden wir Machbarkeitsstudien für die Reaktivierung von 20 stillgelegten
Bahnstrecken erstellen und gemeinsam mit den betroffenen Gebietskörperschaften
Umsetzungskonzepte mit Finanzierungs- und Trassenvorschlägen erörtern. In den
Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter fördern
und damit vorantreiben. Auch die Einrichtung von Schnellbussen und
Oberleitungsbussen können einen Teil zum ÖPNV-Ausbau leisten.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Landkreise und
Kommunen. Das Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm
Regiobusse, durch die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro
pro Jahr und Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Um den
garantierten Stundentakt in der Fläche auszubauen, werden wir die
Förderprogramme schrittweise deutlich erhöhen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern, insbesondere bei Fahrten über Verbundgrenzen hinweg. Unser
Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist dies auch über
Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die Preise für das
Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein wichtiger
Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den BW-Tarif
durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen. Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die Nutzer*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt, zusammen mit der Verminderung des motorisierten
Individualverkehrs, einen zentralen Entwicklungspfad für die klimafreundliche
Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der dann noch bis zu
sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Mit den in Baden-Württemberg
ansässigen international tätigen Automobilfirmen wollen wir weiter über die
gemeinsame Verantwortung für den Klimaschutz reden und Wege besprechen, wie der
kurzfristige Ausstieg aus der Produktion von klimaschädlichen Fahrzeugen
gelingen kann.
Ziel ist es, anzustoßen, dass Markteilnehmer*innen ihre Angebote und Produkte so
umstellen, dass sie klimaneutral produziert und betrieben werden können. Mit
Blick auf die gewünschte Verminderung der Belastungen durch den motorisierten
Individualverkehr sollen auch Konversionsstrategien hin zu neuen, dem
Klimaschutz nützenden Geschäftsfeldern entwickelt werden.
Der Klimaschutz als globale Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei
handlungsleitend, aber auch die Sicherstellung von Transport und Mobilität mit
klimafreundlichen Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Landesweit ein Drittel weniger Kfz-Verkehr, Halbierung in den Städten
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen landesweit ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr und eine
Halbierung in unseren Städten erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und
Fußwege und City-Logistik-Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und
Entfaltungsmöglichkeiten bekommen. Bis 2030 wollen wir 1500 zusätzliche
lebendige und verkehrsberuhigte Orts- und Quartiersmitten schaffen. Dies kann
unterstützt werden durch möglichst flächendeckendes Tempo 30, mehr
verkehrsberuhigte Bereiche, Fahrradstraßen, Parkraummanagement und Carsharing-
Stellplätze im öffentlichen Raum. In diesem Sinne setzen wir uns für eine
Novelle der Straßenverkehrsordnung ein. Dieses Mobilitäts- und
Klimaschutzprogramm fährt viele Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr
Aufenthaltsqualität und mehr Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die
Nahversorgung und einen attraktiven Einzelhandel, also schlicht lebenswerte
Städte und Orte. Um das zu erreichen sind Push-Maßnahmen nötig, wie
Parkraumbewirtschaftung und die Umwandlung von Kfz-Stellplätzen für
Radinfrastruktur, breitere Gehwege und Außenbewirtschaftung. Aber auch der Umbau
der Verkehrsinfrastruktur durch den Ausbau von Fahrradstraßen, Radwegen,
Fußgängerzonen und lebenswerten Innenstadtbereichen ist notwendig, um die
nachhaltige Mobilität zu fördern.
Kommunen spielen eine wichtige Rolle, um die Pariser Klimaschutzziele zu
erreichen. Ein Mobilitätsgesetz, das die Bevorzugung des Umweltverbunds
gegenüber dem motorisierten Individualverkehr festschreibt, würde die Kommunen
in ihren Bemühungen für mehr Klimaschutz unterstützen
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem Pedelec oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Von großer Bedeutung sind hier die zwanzig neuen
Radschnellverbindungen, die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen
Kommunen baut und finanziert. Wir setzen uns dafür ein, dass bis 2030 mindestens
alle 32 Strecken mit vordringlichem Bedarf realisiert werden können. Die
Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden: Deshalb wollen
wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000 zusätzlichen
sicheren Stellplätzen verdoppeln. Auch im ländlichen Raum kann der
Radverkehrsanteil gesteigert werden. Wir wollen, dass das RadNETZ konsequenter
ausgebaut und Lücken im übrigen Radwegenetz geschlossen werden. Damit die
gesamte Breite der Gesellschaft auf das Rad umsteigt, ist es notwendig, die
gefühlte Sicherheit auf unseren Radwegen zu erhöhen. An jeder Straße muss
Radfahren sowohl objektiv als auch gefühlt sicher möglich sein. Dazu wollen wir
uns für breitere, baulich getrennte Radwege und Temporeduzierung an Radrouten
einsetzen.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen.
Flugverkehr eindämmen
Der klimaschädliche Flugverkehr darf nicht unbegrenzt wachsen. Den Ausbau
bestehender Flughäfen durch zusätzliche Start- und Landebahnen lehnen wir daher
ab. Aus dem Landesetat darf es keine wiederkehrenden Finanzhilfen für
Regionalflughäfen geben. Kerosin wollen wir besteuern wie Kraftstoffe fürs Auto.
Den Einsatz von regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels wollen wir
vorantreiben. Dabei werden wir darauf achten, dass für die Herstellung von
reFuels keine fossilen Quellen verwendet werden. Mit dem Ausbau schneller
Schienenverbindungen können sowohl Autofahrten wie auch Kurzstreckenflüge
vermieden werden. Wir setzen uns dafür ein, die klimaschädlichen Auswirkungen
der Flugverkehre mit Start oder Ziel in Baden-Württemberg zu reduzieren. Dies
kann unter anderem durch den Umstieg auf klimaneutrale Treibstoffe und Antriebe
sowie die Verminderung der Flugkilometer oder weniger Starts und Landungen auf
baden-württembergischen Flughäfen geschehen.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden. Wir fordern den Bund auf,
die Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans unter der Annahme eines ambitionierten
Verkehrswendeszenarios unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten neu zu bewerten.
Zusätzlich müssen zu Straßenausbaumaßnahmen Lösungsalternativen auf der
Grundlage des Umweltverbundes (ÖV, Fuß- und Radverkehr) vorgenommen werden. Und
wir wollen ein Tempolimit von höchstens 130 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf
zweispurigen Landstraßen, denn das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern auch
für die Verkehrssicherheit und den Lärmschutz.
Die Schaffung eines nachhaltigen Verkehrssystems erfordert Investitionen in
Eisenbahnstrecken, die die europäischen Staaten und Regionen durch leicht
zugängliche, erschwingliche Zugverbindungen verbindet – einschließlich Schnell-
und Nachtzügen. Teile des Güterverkehrs können auf Schienen oder bestehende
Wasserwege verlagert werden. Der Bund muss als Eigentümer der Deutschen Bahn
endlich einen klaren Leistungsauftrag und die notwendigen Ressourcen
bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der Reisendenzahlen bis 2030 zu
erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden, damit die Schiene wieder
wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf Bahntickets muss auch im
Fernverkehr zum reduzierten Satz erhoben werden. Wir erwarten vom Bund ein
größeres Engagement bei der Förderung grenzüberschreitender
Verkehrsverbindungen. Wirtschaft und Tourismus in Baden-Württemberg profitieren
von der Nähe zu Frankreich und der Schweiz. Doch oft fehlt es an attraktiven
Alternativen zum Auto, etwa für Pendler*innen. Eine besondere politische
Bedeutung kommt hier dem im Aachener Vertrag versprochenen Wiederaufbau der
Bahnstrecke zwischen Freiburg und Colmar zu. Die Bundesregierung muss sich für
die zügige Realisierung dieser und weiterer transnationaler Verbindungen
einsetzen und die dafür nötigen finanziellen Mittel bereitstellen.
Die Verkehrswende ist ohne enorme Investitionen in Planung, Personal,
Infrastrukturen und Fahrzeuge nicht denkbar. Dazu reichen die bisherigen Mittel
bei weitem nicht aus. Der Bund kann laut Umweltbundesamt jährlich 28,6 Mrd. Euro
einsparen, indem umweltschädliche Subventionen im Verkehrssektor gestrichen
werden. Diese Mittel sollten an die Kommunen für die Verkehrswende fließen. Ohne
Geld bleibt die Verkehrswende im Stau stecken. Unsere Steuersystematik braucht
einen Klimakompass: Wir wollen die Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin)
schrittweise streichen wie auch die steuerliche Begünstigung des Diesels und das
Dienstwagenprivileg. Es kann nicht sein, dass der Staat einerseits
Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein Mehrfaches an Subventionen für
große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt. Eine Mehrwertsteuer auf
Flugtickets und die Abschaffung der Kerosinsteuerbefreiung schaffen faire
Wettbewerbsbedingungen für nachhaltigere Verkehrsträger.
Anwohnerparken darf nicht nur eine Verwaltungsgebühr von 30 EUR pro Jahr kosten.
Dies kommt dem Preis nicht nahe, den der öffentliche Raum in unseren Städten
wert ist. Eine Verteuerung muss möglich sein. Ebenso möchten wir den Kommunen
frei Hand lassen bei der Ausweisung von Tempo 30 auf Vorrangstraßen. Der Bund
sollte die restriktiven Vorgaben abschaffen und den Kommunen vor Ort überlassen
zu entscheiden, wo Tempo 30 sinnvoll ist. Um den Fußverkehr zu fördern, brauchen
wir mehr verkehrsberuhigte Bereiche. Die relativ hohen formalen Hürden zu deren
Einrichtung müssen daher abgesenkt werden. Die Verkehrswende hin zu neuer,
nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn sie mit einer Energie- und
Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen. Zur Beschleunigung der Wärmewende setzen wir uns für ein
klimagerechtes Gebäudeenergiegesetz ein. Zusätzlich zur Begrenzung des
Energieverbrauchs und den Einsatz von Erneuerbaren Energien wollen wir einen
CO2-Faktor ins Energiesparrecht bei Gebäuden aufnehmen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und danach
schnellstmöglich vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier
und Pappe ist der Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten,
gefolgt vom Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils
Zement und Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen
betragen etwa 2,9 Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die
Klinkerproduktion entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation
der Zementherstellung deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative, effiziente und nachhaltige
Geldanlagen ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken
für Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die
Finanzstabilität ist auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir
stellen mit großer Sorge fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem
aber im globalen Süden, viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt
erhebliche Risiken für globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht
zu einer Humanitäts- und Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht
gemacht werden, durch ihre Anlageentscheidungen die soziale und ökologische
Transformation unserer Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen.
Hierauf wollen wir die entsprechenden Forschungs- und Beratungsaktivitäten
konzentrieren und die Züchtung gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich auf den Weg
gemacht haben oder neu machen, verstärkt unterstützen. Nur wer Natur und Klima
bestmöglich schützt, Lebensmittel nachhaltig produziert, Tierwohl achtet und
sich für den Erhalt der Kulturlandschaften einsetzt, soll finanziell dafür
belohnt werden. Mit Freude und Ermutigung sehen wir, wie erfolgreich viele
unserer Initiativen im Land waren, die bislang eher bescheidenen Möglichkeiten
der bestehenden EU-, Bundes- und Landesförderung gezielt zur Förderung des
Ökolandbaus, der Landschafts- und Grünlandpflege besonders in Berggebieten, der
kleinen und mittleren Mischbetriebe und der klimaschonenden Landwirtschaft
einzusetzen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen werden wir uns auch auf Bundes-
und EU-Ebene radikal dafür einsetzen, dass es in der anstehenden neuen
Förderperiode eine klare Ausrichtung auf eine ökologische, klimafreundliche und
biodiversitätsfördernde Landbewirtschaftung gibt. Wichtige Ansätze dazu sind
Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Wir wollen die Ausweitung des ökologischen
Anbaus auch dadurch unterstützen, dass Einrichtungen des Landes als Teil ihrer
nachhaltigen Beschaffungsstrategie ihre öffentliche Verpflegung bis 2030 auf 100
Prozent Bio-Lebensmittel aus vorwiegend regionaler Erzeugung umstellen und auch
Kreise und Gemeinden bei der Umstellung fördern. Zur Steigerung des ökologischen
Landbaus gehört auch eine weitere personelle Stärkung der biologischen
Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre baden-württembergischer
Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die Gesellschaft sind
bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch die Möglichkeiten
der Digitalisierung zur Dokumentation und Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und klimaresilienten
bzw. klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach Abschluss der
laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
Durch die Erderwärmung gibt es Auswirkungen auf unsere Tier- und Pflanzenwelt.
Aus verschieden Gründen leben und überleben in Baden-Württemberg immer mehr
nicht heimische Tiere und Pflanzen, die eingeschleppt, entwichen oder ausgesetzt
eine potenzielle Gefahr für unsere Ökosysteme darstellen können. Diese Gefahr
wollen wir vermindern, z.B. dadurch, dass die vom Gesetz vorgeschriebene
Sachkunde zur Haltung auch nachgewiesen werden muss und die Meldepflicht von
Tieren nicht nur vom internationalen Schutzstatus der Art abhängt, sondern z.B.
auch von einer potentiellen Gefährlichkeit oder dem Pflegeaufwand.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen:
klimaneutrales Ressourcenmanagement als Innovationstreiber
und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen muss beschleunigt werden. Uns ist wichtig, den Anteil des
produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten. Der Umbau der
mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt enorme
Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem durchschnittlichen
produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil der Gesamtkosten
aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich darunter. Zwar ist
der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen Materialkosten zu senken
und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es enormes
Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit kritischen
Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter Bedeutung.
Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr seltener Erden
zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der EU eines Tages
ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt, welche enorme
geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas hat. Gerade für
die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität werden zunehmend
Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen vorkommen oder in
politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischen Hochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen zum
Beispiel aus Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Eine Abschätzung der in
Baden-Württemberg vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung
einiger Rohstoffe macht deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die
in den Abfallströmen enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein
Mehrfaches übersteigen. Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden
ist, rücken zertifizierte Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und
ökologischen Standards in den Mittelpunkt. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg deutlich reduzieren und wenn möglich gegen null sinken lassen.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes verbessern und vorantreiben. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen
und deren Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig
überflüssig machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg
schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative zur Vermeidung und massiven Reduzierung von Verpackungsmüll
initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekt: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur Verwendung
von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne, von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir bekennen uns außerdem zur
Verantwortung von Baden-Württemberg gegenüber Menschen, die aufgrund des
Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen. Wir sehen Baden-Württemberg in der
Pflicht, sich national und international für die Realisierung von Klimapässen
einzusetzen. Bewohner*innen, welche in Regionen leben, die durch die Klimakrise
unbewohnbar werden, muss es ermöglicht sein, durch eine selbstbestimmte und
legale Migration eine neue Heimat zu finden. Diese Klimapässe sollen zusätzlich
und nicht alternativ zu bereits bestehenden Initiativen und Forderungen der
bedrohten Regionen etabliert werden.
Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung der Klimakrise leisten und Vorreiter
sein, um zu beweisen: Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität sind möglich,
ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn
unserer grün-geführten Regierung in Baden-Württemberg haben wir Fenster und
Türen aufgestoßen. Das war dringend nötig. Veränderung braucht Mut und
entschlossenes Handeln. Wir begreifen die Evolution hin zu einer klimaneutralen,
dekarbonisierten Gesellschaft als eine immense Chance. Das Ende des fossilen
Industriezeitalters kann der Beginn einer neuen, begeisternden grünen Wirtschaft
sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand sichert und gleichzeitig Natur achtet und
schützt.