Leitantrag: | Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und fossilfreie Zeitalter |
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Antragsteller*in: | KV Freiburg (dort beschlossen am: 05.09.2019) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: KLI-164 |
Eingereicht: | 10.09.2019, 10:10 |
KLI-166: Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und fossilfreie Zeitalter
Verfahrensvorschlag zu KLI-164: Antragstext
Von Zeile 165 bis 166 einfügen:
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter aufgestockt werden müssen. Wir wollen eine Prüfung, ob die bisher im neuen Klimaschutzgesetz vorgesehene Verpflichtung für die kommunale Wärmeplanung auf weitere klimarelevante Bereiche und Maßnahmen übertragen werden kann.
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“
Richard von Weizsäcker
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Der Klimawandel erzeugt genau den Innovationsdruck, den
wir benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Der
Klimawandel kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
II. Transformation konkret – Klimawende
gestalten, Wirtschaft stärken und Wohlstand
sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Auch mit dem Vermögen des Landes betreibt die Landesregierung
Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen nachhaltig anlegt. Das
bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder, die den
Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg bis
2040
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre
dieses Budget schon 2024 aufgebraucht.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
ein klimaneutrales Baden-Württemberg bis 2040 zu erreichen, müssen wir diese
Ziele weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel
Moore, kompensieren können, wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf
für zusätzliche CO2-Kompensationen geben, sollen diese vorrangig aus Senken
innerhalb der Europäischen Union kommen und die zusätzliche, langfristige und
nachhaltige Bindung von Treibhausgasen sicherstellen.
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf ihre
Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz, das
derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir evaluieren und unter
Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Wir wollen eine Prüfung, ob die bisher im neuen Klimaschutzgesetz vorgesehene Verpflichtung für die kommunale Wärmeplanung auf weitere klimarelevante Bereiche und Maßnahmen übertragen werden kann.
Es muss endlich für CO2 in allen Sektoren einen Preis geben. Einen Preis mit
Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der Bundesgrünen und der grün-
regierten Länder für ein konkretes Modell, einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, werden
ökonomische Anreize für Klimaschutz gesetzt. Wir wollen nach dem Grundsatz
handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund aktiv
werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag erhoben, der
über die Zeit anwächst. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden
CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld und durch die Senkung der
Stromsteuer an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Dadurch entsteht ein
sozialer Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei 40 Euro pro Tonne beginnt und
planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die Wirtschaft
zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Die von Baden-Württemberg initiierte
Under-2-Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen.
Auch die International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von
Baden-Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine verlässliche
Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren sichtbar
machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den Klimaschutz
stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2040
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Darüber
hinaus wollen wir den Bau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend
machen und Bürgersolaranlagen und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis zum Jahr 2023 die
Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Unternehmen, an denen das
Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen (EnBW, Flughafen
Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen Treibhausgasneutralität
inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im Jahr 2035 erreichen. Wir
begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel gesetzt hat, auch bei den
landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse
flächendeckend im Takt verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und
preislich attraktiv sein. Daran wollen wir arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. Bis zum Jahr 2025 werden wir
die Weichen für die Reaktivierung von 20 stillgelegten Bahnstrecken stellen. In
den Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter
fördern und damit vorantreiben.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Das
Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm Regiobusse, durch
die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro pro Jahr und
Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Dies wollen wir durch
weitere gezielte Förderprogramme für den garantierten Stundentakt in der Fläche
ausbauen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern. Unser Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist
dies auch über Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die
Preise für das Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein
wichtiger Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den
BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die User*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt einen zentralen Entwicklungspfad für die
klimafreundliche Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der
dann noch sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Der Klimaschutz als globale
Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei handlungsleitend, aber auch die
Sicherstellung von Transport und Mobilität mit klimafreundlichen
Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Ein Drittel weniger Kfz-Verkehr ist in den Städten unterwegs
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr in unseren Städten
erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und Fußwege und City-Logistik-
Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und Entfaltungsmöglichkeiten
bekommen. Bis 2030 wollen wir 500 zusätzliche lebendige und verkehrsberuhigte
Ortsmitten schaffen. Dieses Mobilitäts- und Klimaschutzprogramm fährt viele
Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität und mehr
Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die Nahversorgung und einen attraktiven
Einzelhandel, also schlicht lebenswerte Städte und Orte.
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem E-Bike oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Entscheidend sind die zwanzig neuen Radschnellverbindungen,
die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen Kommunen baut und
finanziert. Die Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden:
Deshalb wollen wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000
zusätzlichen sicheren Stellplätzen verdoppeln.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen. An Flughäfen in Baden-Württemberg wollen wir den Einsatz von
regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels vorantreiben. Um den Bedarf an
inländischen Flugverbindungen und Kurzflügen zu senken, unterstützen wir den
Ausbau schneller Schienenverbindungen. So hat die Fahrtzeitverkürzung auf der
ICE-Strecke München–Nürnberg–Berlin dazu geführt, dass die Flugverbindung
Nürnberg–Berlin aus Unrentabilität gestrichen wurde. Ein weiterer Ausbau der
Fluginfrastruktur wirkt hier kontraproduktiv.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden.
Der Bund muss als Eigentümer der Bahn endlich einen klaren Leistungsauftrag und
die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der
Reisendenzahlen bis 2030 zu erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden,
damit die Schiene wieder wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf
Bahntickets muss auch im Fernverkehr zum reduzierten Satz angeboten werden.
Auch unsere Steuersystematik braucht einen Klimakompass: Wir wollen die
Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) schrittweise streichen wie auch die
steuerliche Begünstigung des Diesels und das Dienstwagenprivileg. Es kann nicht
sein, dass der Staat einerseits Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein
Mehrfaches an Subventionen für große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt.
Die Verkehrswende hin zu neuer, nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn
sie mit einer Energie- und Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und bis 2040
vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier und Pappe ist der
Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten, gefolgt vom
Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils Zement und
Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen betragen etwa 2,9
Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die Zementherstellung
entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation der
Zementherstellung und damit der Verarbeitung von Steinen und Erden deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative und effiziente Geldanlagen
ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken für Umwelt,
Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die Finanzstabilität ist
auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir stellen mit großer Sorge
fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem aber im globalen Süden,
viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt erhebliche Risiken für
globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht zu einer Humanitäts- und
Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht gemacht werden, durch ihre
Anlageentscheidungen die soziale und ökologische Transformation unserer
Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen. Dafür
wollen wir die entsprechenden Forschungsaktivitäten ausbauen und die Züchtung
gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich hier auf den
Weg machen, unterstützen. Wer Natur und Klima schützt, Lebensmittel nachhaltig
produziert, Tierwohl achtet und sich für den Erhalt der Kulturlandschaften
einsetzt, soll finanziell dafür belohnt werden. Dafür muss das Fördersystem der
EU in der neuen Förderperiode auf eine klimafreundliche und
biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft umgestellt werden. Wichtige Ansätze
dazu sind Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Dazu gehört auch eine weitere personelle
Stärkung der biologischen Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre
baden-württembergischer Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die
Gesellschaft sind bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch
die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Dokumentation und
Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und
klimaresilienten/klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach
Abschluss der laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen: klimaneutrales Ressourcenmanagement als
Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen ist also machbar. Jetzt müssen wir ihn beschleunigen. Uns ist
wichtig, den Anteil des produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten.
Der Umbau der mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt
enorme Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem
durchschnittlichen produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil
der Gesamtkosten aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich
darunter. Zwar ist der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen
Materialkosten zu senken und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es
enormes Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit
kritischen Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter
Bedeutung. Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr
seltener Erden zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der
EU eines Tages ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt,
welche enorme geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas
hat. Gerade für die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität
werden zunehmend Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen
vorkommen oder in politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischenHochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen aus
Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg gegen null sinken lassen. Eine Abschätzung der in Baden-Württemberg
vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung einiger Rohstoffe macht
deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die in den Abfallströmen
enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein Mehrfaches übersteigen.
Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden ist, rücken zertifizierte
Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den
Mittelpunkt.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes zusammenführen. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und deren
Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig überflüssig
machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative Plastikfreies BW initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekte: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur
Verwendung von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng
einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung
der Klimakrise leisten und Vorreiter sein, um zu beweisen: Wohlstand und
wirtschaftliche Prosperität sind möglich, ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten
zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn unserer grün-geführten Regierung in
Baden-Württemberg haben wir Fenster und Türen aufgestoßen. Das war dringend
nötig. Veränderung braucht Mut und entschlossenes Handeln. Wir begreifen die
Evolution hin zu einer klimaneutralen, dekarbonisierten Gesellschaft als eine
immense Chance. Das Ende des fossilen Industriezeitalters kann der Beginn einer
neuen, begeisternden grünen Wirtschaft sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand
sichert und gleichzeitig Natur achtet und schützt.
Antragstext
Von Zeile 165 bis 166 einfügen:
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“
Richard von Weizsäcker
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Der Klimawandel erzeugt genau den Innovationsdruck, den
wir benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Der
Klimawandel kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
II. Transformation konkret – Klimawende
gestalten, Wirtschaft stärken und Wohlstand
sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Auch mit dem Vermögen des Landes betreibt die Landesregierung
Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen nachhaltig anlegt. Das
bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder, die den
Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg bis
2040
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre
dieses Budget schon 2024 aufgebraucht.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
ein klimaneutrales Baden-Württemberg bis 2040 zu erreichen, müssen wir diese
Ziele weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel
Moore, kompensieren können, wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf
für zusätzliche CO2-Kompensationen geben, sollen diese vorrangig aus Senken
innerhalb der Europäischen Union kommen und die zusätzliche, langfristige und
nachhaltige Bindung von Treibhausgasen sicherstellen.
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf ihre
Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz, das
derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir evaluieren und unter
Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Es muss endlich für CO2 in allen Sektoren einen Preis geben. Einen Preis mit
Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der Bundesgrünen und der grün-
regierten Länder für ein konkretes Modell, einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, werden
ökonomische Anreize für Klimaschutz gesetzt. Wir wollen nach dem Grundsatz
handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund aktiv
werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag erhoben, der
über die Zeit anwächst. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden
CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld und durch die Senkung der
Stromsteuer an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Dadurch entsteht ein
sozialer Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei 40 Euro pro Tonne beginnt und
planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die Wirtschaft
zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Die von Baden-Württemberg initiierte
Under-2-Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen.
Auch die International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von
Baden-Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine verlässliche
Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren sichtbar
machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den Klimaschutz
stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2040
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Darüber
hinaus wollen wir den Bau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend
machen und Bürgersolaranlagen und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis zum Jahr 2023 die
Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Unternehmen, an denen das
Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen (EnBW, Flughafen
Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen Treibhausgasneutralität
inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im Jahr 2035 erreichen. Wir
begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel gesetzt hat, auch bei den
landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse
flächendeckend im Takt verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und
preislich attraktiv sein. Daran wollen wir arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. Bis zum Jahr 2025 werden wir
die Weichen für die Reaktivierung von 20 stillgelegten Bahnstrecken stellen. In
den Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter
fördern und damit vorantreiben.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Das
Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm Regiobusse, durch
die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro pro Jahr und
Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Dies wollen wir durch
weitere gezielte Förderprogramme für den garantierten Stundentakt in der Fläche
ausbauen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern. Unser Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist
dies auch über Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die
Preise für das Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein
wichtiger Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den
BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die User*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt einen zentralen Entwicklungspfad für die
klimafreundliche Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der
dann noch sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Der Klimaschutz als globale
Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei handlungsleitend, aber auch die
Sicherstellung von Transport und Mobilität mit klimafreundlichen
Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Ein Drittel weniger Kfz-Verkehr ist in den Städten unterwegs
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr in unseren Städten
erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und Fußwege und City-Logistik-
Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und Entfaltungsmöglichkeiten
bekommen. Bis 2030 wollen wir 500 zusätzliche lebendige und verkehrsberuhigte
Ortsmitten schaffen. Dieses Mobilitäts- und Klimaschutzprogramm fährt viele
Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität und mehr
Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die Nahversorgung und einen attraktiven
Einzelhandel, also schlicht lebenswerte Städte und Orte.
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem E-Bike oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Entscheidend sind die zwanzig neuen Radschnellverbindungen,
die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen Kommunen baut und
finanziert. Die Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden:
Deshalb wollen wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000
zusätzlichen sicheren Stellplätzen verdoppeln.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen. An Flughäfen in Baden-Württemberg wollen wir den Einsatz von
regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels vorantreiben. Um den Bedarf an
inländischen Flugverbindungen und Kurzflügen zu senken, unterstützen wir den
Ausbau schneller Schienenverbindungen. So hat die Fahrtzeitverkürzung auf der
ICE-Strecke München–Nürnberg–Berlin dazu geführt, dass die Flugverbindung
Nürnberg–Berlin aus Unrentabilität gestrichen wurde. Ein weiterer Ausbau der
Fluginfrastruktur wirkt hier kontraproduktiv.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden.
Der Bund muss als Eigentümer der Bahn endlich einen klaren Leistungsauftrag und
die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der
Reisendenzahlen bis 2030 zu erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden,
damit die Schiene wieder wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf
Bahntickets muss auch im Fernverkehr zum reduzierten Satz angeboten werden.
Auch unsere Steuersystematik braucht einen Klimakompass: Wir wollen die
Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) schrittweise streichen wie auch die
steuerliche Begünstigung des Diesels und das Dienstwagenprivileg. Es kann nicht
sein, dass der Staat einerseits Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein
Mehrfaches an Subventionen für große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt.
Die Verkehrswende hin zu neuer, nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn
sie mit einer Energie- und Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und bis 2040
vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier und Pappe ist der
Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten, gefolgt vom
Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils Zement und
Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen betragen etwa 2,9
Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die Zementherstellung
entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation der
Zementherstellung und damit der Verarbeitung von Steinen und Erden deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative und effiziente Geldanlagen
ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken für Umwelt,
Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die Finanzstabilität ist
auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir stellen mit großer Sorge
fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem aber im globalen Süden,
viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt erhebliche Risiken für
globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht zu einer Humanitäts- und
Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht gemacht werden, durch ihre
Anlageentscheidungen die soziale und ökologische Transformation unserer
Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen. Dafür
wollen wir die entsprechenden Forschungsaktivitäten ausbauen und die Züchtung
gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich hier auf den
Weg machen, unterstützen. Wer Natur und Klima schützt, Lebensmittel nachhaltig
produziert, Tierwohl achtet und sich für den Erhalt der Kulturlandschaften
einsetzt, soll finanziell dafür belohnt werden. Dafür muss das Fördersystem der
EU in der neuen Förderperiode auf eine klimafreundliche und
biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft umgestellt werden. Wichtige Ansätze
dazu sind Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Dazu gehört auch eine weitere personelle
Stärkung der biologischen Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre
baden-württembergischer Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die
Gesellschaft sind bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch
die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Dokumentation und
Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und
klimaresilienten/klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach
Abschluss der laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen: klimaneutrales Ressourcenmanagement als
Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen ist also machbar. Jetzt müssen wir ihn beschleunigen. Uns ist
wichtig, den Anteil des produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten.
Der Umbau der mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt
enorme Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem
durchschnittlichen produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil
der Gesamtkosten aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich
darunter. Zwar ist der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen
Materialkosten zu senken und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es
enormes Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit
kritischen Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter
Bedeutung. Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr
seltener Erden zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der
EU eines Tages ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt,
welche enorme geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas
hat. Gerade für die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität
werden zunehmend Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen
vorkommen oder in politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischenHochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen aus
Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg gegen null sinken lassen. Eine Abschätzung der in Baden-Württemberg
vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung einiger Rohstoffe macht
deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die in den Abfallströmen
enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein Mehrfaches übersteigen.
Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden ist, rücken zertifizierte
Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den
Mittelpunkt.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes zusammenführen. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und deren
Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig überflüssig
machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative Plastikfreies BW initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekte: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur
Verwendung von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng
einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung
der Klimakrise leisten und Vorreiter sein, um zu beweisen: Wohlstand und
wirtschaftliche Prosperität sind möglich, ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten
zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn unserer grün-geführten Regierung in
Baden-Württemberg haben wir Fenster und Türen aufgestoßen. Das war dringend
nötig. Veränderung braucht Mut und entschlossenes Handeln. Wir begreifen die
Evolution hin zu einer klimaneutralen, dekarbonisierten Gesellschaft als eine
immense Chance. Das Ende des fossilen Industriezeitalters kann der Beginn einer
neuen, begeisternden grünen Wirtschaft sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand
sichert und gleichzeitig Natur achtet und schützt.
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sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter aufgestockt werden müssen. Wir wollen eine Prüfung, ob die bisher im neuen Klimaschutzgesetz vorgesehene Verpflichtung für die kommunale Wärmeplanung auf weitere klimarelevante Bereiche und Maßnahmen übertragen werden kann.
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“
Richard von Weizsäcker
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Der Klimawandel erzeugt genau den Innovationsdruck, den
wir benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Der
Klimawandel kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
II. Transformation konkret – Klimawende
gestalten, Wirtschaft stärken und Wohlstand
sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Auch mit dem Vermögen des Landes betreibt die Landesregierung
Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen nachhaltig anlegt. Das
bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder, die den
Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg bis
2040
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre
dieses Budget schon 2024 aufgebraucht.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
ein klimaneutrales Baden-Württemberg bis 2040 zu erreichen, müssen wir diese
Ziele weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel
Moore, kompensieren können, wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf
für zusätzliche CO2-Kompensationen geben, sollen diese vorrangig aus Senken
innerhalb der Europäischen Union kommen und die zusätzliche, langfristige und
nachhaltige Bindung von Treibhausgasen sicherstellen.
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf ihre
Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz, das
derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir evaluieren und unter
Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Wir wollen eine Prüfung, ob die bisher im neuen Klimaschutzgesetz vorgesehene Verpflichtung für die kommunale Wärmeplanung auf weitere klimarelevante Bereiche und Maßnahmen übertragen werden kann.
Es muss endlich für CO2 in allen Sektoren einen Preis geben. Einen Preis mit
Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der Bundesgrünen und der grün-
regierten Länder für ein konkretes Modell, einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, werden
ökonomische Anreize für Klimaschutz gesetzt. Wir wollen nach dem Grundsatz
handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund aktiv
werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag erhoben, der
über die Zeit anwächst. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden
CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld und durch die Senkung der
Stromsteuer an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Dadurch entsteht ein
sozialer Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei 40 Euro pro Tonne beginnt und
planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die Wirtschaft
zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Die von Baden-Württemberg initiierte
Under-2-Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen.
Auch die International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von
Baden-Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine verlässliche
Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren sichtbar
machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den Klimaschutz
stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2040
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Darüber
hinaus wollen wir den Bau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend
machen und Bürgersolaranlagen und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis zum Jahr 2023 die
Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Unternehmen, an denen das
Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen (EnBW, Flughafen
Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen Treibhausgasneutralität
inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im Jahr 2035 erreichen. Wir
begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel gesetzt hat, auch bei den
landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse
flächendeckend im Takt verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und
preislich attraktiv sein. Daran wollen wir arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. Bis zum Jahr 2025 werden wir
die Weichen für die Reaktivierung von 20 stillgelegten Bahnstrecken stellen. In
den Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter
fördern und damit vorantreiben.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Das
Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm Regiobusse, durch
die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro pro Jahr und
Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Dies wollen wir durch
weitere gezielte Förderprogramme für den garantierten Stundentakt in der Fläche
ausbauen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern. Unser Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist
dies auch über Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die
Preise für das Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein
wichtiger Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den
BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die User*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt einen zentralen Entwicklungspfad für die
klimafreundliche Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der
dann noch sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Der Klimaschutz als globale
Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei handlungsleitend, aber auch die
Sicherstellung von Transport und Mobilität mit klimafreundlichen
Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Ein Drittel weniger Kfz-Verkehr ist in den Städten unterwegs
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr in unseren Städten
erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und Fußwege und City-Logistik-
Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und Entfaltungsmöglichkeiten
bekommen. Bis 2030 wollen wir 500 zusätzliche lebendige und verkehrsberuhigte
Ortsmitten schaffen. Dieses Mobilitäts- und Klimaschutzprogramm fährt viele
Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität und mehr
Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die Nahversorgung und einen attraktiven
Einzelhandel, also schlicht lebenswerte Städte und Orte.
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem E-Bike oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Entscheidend sind die zwanzig neuen Radschnellverbindungen,
die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen Kommunen baut und
finanziert. Die Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden:
Deshalb wollen wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000
zusätzlichen sicheren Stellplätzen verdoppeln.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen. An Flughäfen in Baden-Württemberg wollen wir den Einsatz von
regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels vorantreiben. Um den Bedarf an
inländischen Flugverbindungen und Kurzflügen zu senken, unterstützen wir den
Ausbau schneller Schienenverbindungen. So hat die Fahrtzeitverkürzung auf der
ICE-Strecke München–Nürnberg–Berlin dazu geführt, dass die Flugverbindung
Nürnberg–Berlin aus Unrentabilität gestrichen wurde. Ein weiterer Ausbau der
Fluginfrastruktur wirkt hier kontraproduktiv.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden.
Der Bund muss als Eigentümer der Bahn endlich einen klaren Leistungsauftrag und
die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der
Reisendenzahlen bis 2030 zu erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden,
damit die Schiene wieder wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf
Bahntickets muss auch im Fernverkehr zum reduzierten Satz angeboten werden.
Auch unsere Steuersystematik braucht einen Klimakompass: Wir wollen die
Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) schrittweise streichen wie auch die
steuerliche Begünstigung des Diesels und das Dienstwagenprivileg. Es kann nicht
sein, dass der Staat einerseits Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein
Mehrfaches an Subventionen für große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt.
Die Verkehrswende hin zu neuer, nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn
sie mit einer Energie- und Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und bis 2040
vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier und Pappe ist der
Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten, gefolgt vom
Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils Zement und
Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen betragen etwa 2,9
Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die Zementherstellung
entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation der
Zementherstellung und damit der Verarbeitung von Steinen und Erden deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative und effiziente Geldanlagen
ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken für Umwelt,
Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die Finanzstabilität ist
auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir stellen mit großer Sorge
fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem aber im globalen Süden,
viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt erhebliche Risiken für
globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht zu einer Humanitäts- und
Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht gemacht werden, durch ihre
Anlageentscheidungen die soziale und ökologische Transformation unserer
Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen. Dafür
wollen wir die entsprechenden Forschungsaktivitäten ausbauen und die Züchtung
gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich hier auf den
Weg machen, unterstützen. Wer Natur und Klima schützt, Lebensmittel nachhaltig
produziert, Tierwohl achtet und sich für den Erhalt der Kulturlandschaften
einsetzt, soll finanziell dafür belohnt werden. Dafür muss das Fördersystem der
EU in der neuen Förderperiode auf eine klimafreundliche und
biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft umgestellt werden. Wichtige Ansätze
dazu sind Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Dazu gehört auch eine weitere personelle
Stärkung der biologischen Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre
baden-württembergischer Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die
Gesellschaft sind bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch
die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Dokumentation und
Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und
klimaresilienten/klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach
Abschluss der laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen: klimaneutrales Ressourcenmanagement als
Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen ist also machbar. Jetzt müssen wir ihn beschleunigen. Uns ist
wichtig, den Anteil des produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten.
Der Umbau der mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt
enorme Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem
durchschnittlichen produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil
der Gesamtkosten aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich
darunter. Zwar ist der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen
Materialkosten zu senken und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es
enormes Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit
kritischen Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter
Bedeutung. Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr
seltener Erden zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der
EU eines Tages ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt,
welche enorme geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas
hat. Gerade für die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität
werden zunehmend Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen
vorkommen oder in politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischenHochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen aus
Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg gegen null sinken lassen. Eine Abschätzung der in Baden-Württemberg
vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung einiger Rohstoffe macht
deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die in den Abfallströmen
enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein Mehrfaches übersteigen.
Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden ist, rücken zertifizierte
Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den
Mittelpunkt.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes zusammenführen. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und deren
Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig überflüssig
machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative Plastikfreies BW initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekte: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur
Verwendung von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng
einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung
der Klimakrise leisten und Vorreiter sein, um zu beweisen: Wohlstand und
wirtschaftliche Prosperität sind möglich, ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten
zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn unserer grün-geführten Regierung in
Baden-Württemberg haben wir Fenster und Türen aufgestoßen. Das war dringend
nötig. Veränderung braucht Mut und entschlossenes Handeln. Wir begreifen die
Evolution hin zu einer klimaneutralen, dekarbonisierten Gesellschaft als eine
immense Chance. Das Ende des fossilen Industriezeitalters kann der Beginn einer
neuen, begeisternden grünen Wirtschaft sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand
sichert und gleichzeitig Natur achtet und schützt.
Antragstext
Von Zeile 165 bis 166 einfügen:
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“
Richard von Weizsäcker
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Der Klimawandel erzeugt genau den Innovationsdruck, den
wir benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Der
Klimawandel kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
II. Transformation konkret – Klimawende
gestalten, Wirtschaft stärken und Wohlstand
sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Auch mit dem Vermögen des Landes betreibt die Landesregierung
Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen nachhaltig anlegt. Das
bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder, die den
Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg bis
2040
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre
dieses Budget schon 2024 aufgebraucht.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
ein klimaneutrales Baden-Württemberg bis 2040 zu erreichen, müssen wir diese
Ziele weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel
Moore, kompensieren können, wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf
für zusätzliche CO2-Kompensationen geben, sollen diese vorrangig aus Senken
innerhalb der Europäischen Union kommen und die zusätzliche, langfristige und
nachhaltige Bindung von Treibhausgasen sicherstellen.
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf ihre
Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz, das
derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir evaluieren und unter
Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Es muss endlich für CO2 in allen Sektoren einen Preis geben. Einen Preis mit
Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der Bundesgrünen und der grün-
regierten Länder für ein konkretes Modell, einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, werden
ökonomische Anreize für Klimaschutz gesetzt. Wir wollen nach dem Grundsatz
handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund aktiv
werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag erhoben, der
über die Zeit anwächst. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden
CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld und durch die Senkung der
Stromsteuer an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Dadurch entsteht ein
sozialer Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei 40 Euro pro Tonne beginnt und
planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die Wirtschaft
zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Die von Baden-Württemberg initiierte
Under-2-Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen.
Auch die International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von
Baden-Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine verlässliche
Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren sichtbar
machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den Klimaschutz
stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2040
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Darüber
hinaus wollen wir den Bau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend
machen und Bürgersolaranlagen und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis zum Jahr 2023 die
Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Unternehmen, an denen das
Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen (EnBW, Flughafen
Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen Treibhausgasneutralität
inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im Jahr 2035 erreichen. Wir
begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel gesetzt hat, auch bei den
landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse
flächendeckend im Takt verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und
preislich attraktiv sein. Daran wollen wir arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. Bis zum Jahr 2025 werden wir
die Weichen für die Reaktivierung von 20 stillgelegten Bahnstrecken stellen. In
den Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter
fördern und damit vorantreiben.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Das
Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm Regiobusse, durch
die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro pro Jahr und
Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Dies wollen wir durch
weitere gezielte Förderprogramme für den garantierten Stundentakt in der Fläche
ausbauen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern. Unser Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist
dies auch über Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die
Preise für das Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein
wichtiger Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den
BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die User*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt einen zentralen Entwicklungspfad für die
klimafreundliche Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der
dann noch sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Der Klimaschutz als globale
Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei handlungsleitend, aber auch die
Sicherstellung von Transport und Mobilität mit klimafreundlichen
Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Ein Drittel weniger Kfz-Verkehr ist in den Städten unterwegs
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr in unseren Städten
erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und Fußwege und City-Logistik-
Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und Entfaltungsmöglichkeiten
bekommen. Bis 2030 wollen wir 500 zusätzliche lebendige und verkehrsberuhigte
Ortsmitten schaffen. Dieses Mobilitäts- und Klimaschutzprogramm fährt viele
Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität und mehr
Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die Nahversorgung und einen attraktiven
Einzelhandel, also schlicht lebenswerte Städte und Orte.
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem E-Bike oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Entscheidend sind die zwanzig neuen Radschnellverbindungen,
die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen Kommunen baut und
finanziert. Die Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden:
Deshalb wollen wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000
zusätzlichen sicheren Stellplätzen verdoppeln.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen. An Flughäfen in Baden-Württemberg wollen wir den Einsatz von
regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels vorantreiben. Um den Bedarf an
inländischen Flugverbindungen und Kurzflügen zu senken, unterstützen wir den
Ausbau schneller Schienenverbindungen. So hat die Fahrtzeitverkürzung auf der
ICE-Strecke München–Nürnberg–Berlin dazu geführt, dass die Flugverbindung
Nürnberg–Berlin aus Unrentabilität gestrichen wurde. Ein weiterer Ausbau der
Fluginfrastruktur wirkt hier kontraproduktiv.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden.
Der Bund muss als Eigentümer der Bahn endlich einen klaren Leistungsauftrag und
die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der
Reisendenzahlen bis 2030 zu erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden,
damit die Schiene wieder wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf
Bahntickets muss auch im Fernverkehr zum reduzierten Satz angeboten werden.
Auch unsere Steuersystematik braucht einen Klimakompass: Wir wollen die
Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) schrittweise streichen wie auch die
steuerliche Begünstigung des Diesels und das Dienstwagenprivileg. Es kann nicht
sein, dass der Staat einerseits Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein
Mehrfaches an Subventionen für große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt.
Die Verkehrswende hin zu neuer, nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn
sie mit einer Energie- und Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und bis 2040
vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier und Pappe ist der
Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten, gefolgt vom
Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils Zement und
Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen betragen etwa 2,9
Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die Zementherstellung
entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation der
Zementherstellung und damit der Verarbeitung von Steinen und Erden deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative und effiziente Geldanlagen
ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken für Umwelt,
Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die Finanzstabilität ist
auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir stellen mit großer Sorge
fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem aber im globalen Süden,
viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt erhebliche Risiken für
globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht zu einer Humanitäts- und
Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht gemacht werden, durch ihre
Anlageentscheidungen die soziale und ökologische Transformation unserer
Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen. Dafür
wollen wir die entsprechenden Forschungsaktivitäten ausbauen und die Züchtung
gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich hier auf den
Weg machen, unterstützen. Wer Natur und Klima schützt, Lebensmittel nachhaltig
produziert, Tierwohl achtet und sich für den Erhalt der Kulturlandschaften
einsetzt, soll finanziell dafür belohnt werden. Dafür muss das Fördersystem der
EU in der neuen Förderperiode auf eine klimafreundliche und
biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft umgestellt werden. Wichtige Ansätze
dazu sind Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Dazu gehört auch eine weitere personelle
Stärkung der biologischen Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre
baden-württembergischer Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die
Gesellschaft sind bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch
die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Dokumentation und
Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und
klimaresilienten/klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach
Abschluss der laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen: klimaneutrales Ressourcenmanagement als
Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen ist also machbar. Jetzt müssen wir ihn beschleunigen. Uns ist
wichtig, den Anteil des produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten.
Der Umbau der mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt
enorme Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem
durchschnittlichen produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil
der Gesamtkosten aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich
darunter. Zwar ist der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen
Materialkosten zu senken und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es
enormes Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit
kritischen Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter
Bedeutung. Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr
seltener Erden zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der
EU eines Tages ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt,
welche enorme geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas
hat. Gerade für die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität
werden zunehmend Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen
vorkommen oder in politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischenHochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen aus
Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg gegen null sinken lassen. Eine Abschätzung der in Baden-Württemberg
vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung einiger Rohstoffe macht
deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die in den Abfallströmen
enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein Mehrfaches übersteigen.
Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden ist, rücken zertifizierte
Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den
Mittelpunkt.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes zusammenführen. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und deren
Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig überflüssig
machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative Plastikfreies BW initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekte: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur
Verwendung von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng
einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung
der Klimakrise leisten und Vorreiter sein, um zu beweisen: Wohlstand und
wirtschaftliche Prosperität sind möglich, ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten
zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn unserer grün-geführten Regierung in
Baden-Württemberg haben wir Fenster und Türen aufgestoßen. Das war dringend
nötig. Veränderung braucht Mut und entschlossenes Handeln. Wir begreifen die
Evolution hin zu einer klimaneutralen, dekarbonisierten Gesellschaft als eine
immense Chance. Das Ende des fossilen Industriezeitalters kann der Beginn einer
neuen, begeisternden grünen Wirtschaft sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand
sichert und gleichzeitig Natur achtet und schützt.
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sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Klima schützen, Wohlstand sichern – Baden-
Württembergs grüner Weg ins klimaneutrale und
fossilfreie Zeitalter
„Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch
ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das
begreift, hat er eine Überlebenschance.“
Richard von Weizsäcker
I. Menschheitsfrage Klimaschutz
Wir stehen am Scheidepunkt. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob
wir die Klimakrise noch eindämmen können, oder ob es nur noch darum geht, mit
ihren Folgen fertig zu werden. Die Folgen haben wir in Baden-Württemberg im
vergangenen Sommer erlebt. 2018 war das wärmste Jahr in Baden-Württemberg seit
Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Ein Hitzerekord folgt mittlerweile dem
anderen, die wärmsten Sommer fielen allesamt auf die vergangenen 20 Jahre. Die
Folgen: Rekord-Trockenheit, Ernteausfälle, Niedrigwasser, Wasserknappheit. Der
Bodensee, das schwäbische Meer, wird immer wärmer. Wir können damit umgehen,
noch.
Zahlreiche Arten und ganze Ökosysteme sind mittlerweile durch die Klimakrise
bedroht – von den Korallenriffen bis zum heimischen Braunkehlchen und Auerhuhn.
Unser Klimasystem steht kurz davor, kritische Schwellenwerte zu erreichen. Sind
diese Kipppunkte erreicht, gibt es keinen Weg zurück. Dann nutzen uns die beste
Technik und die originellsten Ideen nichts mehr. Dann wird sich unser Ökosystem
dramatisch und katastrophal verändern. Unser Planet wird das verkraften. Wir
nicht.
Wir wissen das alles. Es ist untersucht und vielfach wissenschaftlich belegt.
Aber die Bundesregierung handelt wie viele andere Regierungen einfach nicht. CO2
ist unter den Treibhausgasen der größte Treiber der Klimakrise. Trotzdem ist es
immer noch nahezu kostenlos, unseren Planeten aufzuheizen. Die Energie- und
Verkehrswende werden verschleppt, der Ausbau der Erneuerbaren wird von der
Bundesregierung ausgebremst. Und die schmutzigsten Kohlekraftwerke laufen
weiterhin.
Wir Grüne haben wie viele andere verstanden. Der Klimaschutz ist eine
Menschheitsfrage. Die Zeit drängt. Das spüren immer mehr Menschen und sie sind
bereit zu handeln. Die Fridays-for-Future-Bewegung macht das sehr deutlich.
Darin liegt unsere Chance.
Der Schutz unseres Klimas und damit unserer eigenen Zukunft kann das einende
Band unserer Gesellschaft sein. Das Pariser Abkommen und der IPCC Special Report
zeigen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen ist. Um dies realistisch zu
erreichen, braucht es allerdings eine radikal andere Politik. Die Erderwärmung
auf 1,5 Grad zu begrenzen ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Der
Klimaschutz kann Innovationstreiber für die Wirtschaft sein, zum Auftragsmotor
für das Handwerk werden. Er kann zu einer umfassenden Modernisierung unserer
Infrastruktur und unserer Gebäude führen. Er kann unsere Energieversorgung
enkeltauglich machen. Der Klimawandel erzeugt genau den Innovationsdruck, den
wir benötigen, um den technologischen Sprung nach vorne zu machen. Wer heute
innovative Klimaschutztechnik entwickelt, ist der Marktführer von morgen. Der
Klimawandel kennt keine Grenzen. Der Bedarf an emissionsarmen Antrieben, an
klimafreundlichen Produktionstechniken, an ressourcenschonendem und nachhaltigem
Bauen, an Komponenten für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder an Wärmedämmung wird
weltweit steigen. Klimaschutz ist die Grundlage der Zukunft und Klimaschutz ist
der Markt der Zukunft. Und wir können führend sein. Ökonomisch und ökologisch.
Wir können Wohlstand schaffen, indem wir unser Klima schützen und gleichzeitig
die soziale Spaltung verhindern. Denn überall auf der Welt haben diejenigen mit
geringen finanziellen Mitteln die geringsten Möglichkeiten, sich vor den
Auswirkungen der Klimaveränderung zu schützen. Öl ist das Schmiermittel der
alten Welt. Der Klimaschutz ist der Innovationstreiber der neuen Welt. Und
sichert die Überlebensfähigkeit unserer Kinder und Enkel.
Klimaschutzpolitik ist für uns auch soziale Politik. Wir gestalten den
Strukturwandel hin zu einer ökologischen Gesellschaft sozial gerecht. Wir bieten
denjenigen eine Perspektive, die am stärksten von den Veränderungen betroffen
sind.
II. Transformation konkret – Klimawende
gestalten, Wirtschaft stärken und Wohlstand
sichern
Die grün-geführte Landesregierung hat den Klimaschutz ins Zentrum der Politik
gerückt und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft seit
2011 entschlossen vorangetrieben. Wir haben als eines der ersten Länder
überhaupt ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und so dafür gesorgt, dass der
Klimaschutz in Baden-Württemberg Gesetzesrang hat. Grün macht ganz klar den
Unterschied. Seit wir Grüne an der Regierung sind, hat sich die in Baden-
Württemberg erzeugte Strommenge aus Windkraft verdreifacht. Wir könnten viel
weiter sein, würden die neuen Ausschreibungsregeln der CDU-geführten
Bundesregierung den Windkraftausbau in Süddeutschland nicht seit 2017
ausbremsen. Wir sorgen dafür, dass Dachflächen und geeignete Freiflächen stärker
zur Erzeugung von Sonnen-Strom genutzt werden. Die Landesregierung baut Solar
auf landeseigenen Dächern aus, mittlerweile sind 100.000 Quadratmeter bedeckt.
Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel in energetische Gebäudesanierung
investiert wie bei uns, bei der Energieeffizienz ist Baden-Württemberg
Spitzenreiter. Nach einer aktuellen Studie der „Agentur für Erneuerbare
Energien“ liegt Baden-Württemberg bei der Energiewende bundesweit auf Platz 1.
Bei der eigenen Verwaltung geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran.
Seit Beginn des Jahrzehnts hat die Landesverwaltung ihre Treibhausgasemissionen
um rund ein Drittel reduziert. Mit Kalifornien wurde eine schlagkräftige
internationale Klimaallianz der Regionen – die Under-2-Koalition – aus der Taufe
gehoben. Daraus ist inzwischen ein weltumspannendes Bündnis geworden: Über 220
Regionen und Metropolen mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohner*innen und über
einem Drittel der weltweiten Wirtschaftskraft sind Teil der Koalition, die sich
zum Ziel gesetzt hat, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad zu
begrenzen. Auch mit dem Vermögen des Landes betreibt die Landesregierung
Klimaschutz, indem sie die Rücklagen für Pensionen nachhaltig anlegt. Das
bedeutet einen Investitionsstopp für die Geschäftsfelder, die den
Klimaschutzzielen entgegenstehen.
Weil grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager sind,
unterstützt die grün-geführte Landesregierung die Unternehmen, ihre
Spitzenposition bei grünen Technologien und Ressourceneffizienz weiter
auszubauen, etwa mit dem Think Tank Ressourcenstrategien. Hier entwickeln
Wissenschaft und Unternehmen Hand in Hand die Technologien und
Produktionsverfahren von morgen.
Die grün-geführte Landesregierung hat ganz konkrete Weichen gestellt, um Baden-
Württemberg zum Vorreiter einer neuen nachhaltigen Mobilität zu machen. Die
Neuvergabe der Nahverkehrsnetze hat für besseren Schienennahverkehr gesorgt –
für weniger Geld. Mit dem neuen BW-Tarif kann jede und jeder mit einem einzigen
Ticket durch alle 22 Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg fahren – im Schnitt
um 25 Prozent günstiger. Ein bundesweit einmaliges Maßnahmenpaket sorgt für
saubere Luft in den Städten und besseren Klimaschutz im Verkehr, rund 450
Millionen Euro werden investiert in einen besseren und preiswerteren ÖPNV, in
elektrische Busse, in intelligente Verkehrssteuerung und mehr Park-and-ride-
Parkplätze. Das emissionsfreie Auto der Zukunft soll „Made in Baden-Württemberg“
sein. Deshalb hat unser Ministerpräsident als erster einen Strategiedialog zur
Transformation des Automobils gestartet, ein deutschlandweit einzigartiges
Format. Die Landesregierung treibt die wichtigen Schlüsseltechnologien
entschlossen voran, u. a. schafft sie mit neuen Stromtankstellen ein
flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos und investiert in Batterie- und
Wasserstoffforschung. Die Förderung des Fahrrads als umweltfreundliches und
gesundes Verkehrsmittel nimmt endlich den Platz ein, den sie verdient. Zum
Ausbau der kommunalen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur wurden 93 neue Projekte
in das Förderprogramm 2018 bis 2022 aufgenommen, dafür stehen insgesamt 46
Millionen Euro zur Verfügung.
1. Klimaneutrales und fossilfreies Baden-Württemberg bis
2040
Um das Paris-Abkommen einzuhalten, müssen wir auch in Baden-Württemberg an Tempo
zulegen. Zwar wurden in den letzten Jahren gerade beim Ausbau erneuerbarer
Energien gute Fortschritte erzielt. In anderen Bereichen wie Verkehr oder
Gebäudewärme sind wir aber vom Erreichen der Klimaziele noch weit entfernt. Es
bedarf daher größter Kraftanstrengungen auf allen politischen Ebenen und in der
Zivilgesellschaft. Nach dem Konzept des Carbon Budgets hat Baden-Württemberg nur
noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre
dieses Budget schon 2024 aufgebraucht.
Unser Schrittmacher: das neue Klimaschutzgesetz. Die Eckpunkte hat die grün-
geführte Landesregierung beschlossen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEEK) erarbeitet sie unter Beteiligung der Bürger*innen ein
ambitioniertes Maßnahmenpaket dazu. Das IEKK stellt die konzeptionelle Grundlage
für die Energie- und Klimapolitik in Baden-Württemberg dar. Unser Ziel: unsere
Emissionen bis 2030 um mindestens 42 Prozent zum Basisjahr 1990 zu senken. Um
ein klimaneutrales Baden-Württemberg bis 2040 zu erreichen, müssen wir diese
Ziele weiterentwickeln. Ambitionierter Klimaschutz ist eine Chance. Denn als
Innovationsstandort ist unser Land in einer Vorreiterrolle. Gutes Klima, gute
Wirtschaft. Wir wollen zeigen, dass der Schutz des Klimas die Basis für
langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist. Gemeinsam mit Unternehmen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften werden wir die Entwicklung fossilfreier
Technologien weiter fördern und zur Marktreife bringen.
Die öffentliche Hand muss beim Klimaschutz Vorbild sein, indem Landes- und
Kommunalverwaltungen bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeiten. Hierbei
unterstützt der Klimaschutzpakt des Landes, dem sich bereits ca. 250 Städte und
Gemeinden angeschlossen haben. Auch in Verwaltungsverfahren muss der Klimaschutz
gestärkt werden. Alle zur Entscheidung anstehenden Planungen und Baumaßnahmen
sind auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu prüfen, bevor eine politische
Entscheidung über die Umsetzung erfolgt.
Wir wollen in Baden-Württemberg so viel Treibhausgas wie möglich einsparen. Was
wir darüber hinaus in Baden-Württemberg durch CO2-Senken, wie zum Beispiel
Moore, kompensieren können, wollen wir vor Ort umsetzen. Sollte es noch Bedarf
für zusätzliche CO2-Kompensationen geben, sollen diese vorrangig aus Senken
innerhalb der Europäischen Union kommen und die zusätzliche, langfristige und
nachhaltige Bindung von Treibhausgasen sicherstellen.
Um Klimaschutz die Bedeutung zukommen zu lassen, die er verdient, wollen wir für
Infrastruktur und andere bedeutsame Projekte in Baden-Württemberg einen
Klimavorbehalt. Damit sollen alle zukünftigen Vorhaben und Gesetze auf ihre
Klimaverträglichkeit überprüft werden. Das Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz, das
derzeit im Land in der Umsetzung ist, werden wir evaluieren und unter
Berücksichtigung der Erfahrungen weiter ausweiten.
Auf die Kommunen kommt es an. Ob bei der Strom- und Wärmewende, energetischen
Gebäudesanierungen, ressourcenschonendem Bauen, nachhaltiger Stadtentwicklung
oder klimafreundlicher Mobilität. Und durch Projekte in der Kommune wird der
Klimaschutz vor Ort greifbar, nachvollziehbar, erlebbar. Das Land unterstützt
sie mit passgenauen Förderprogrammen wie „Klimaschutz Plus“, die weiter
aufgestockt werden müssen. Das Land fordert aber auch von den Kommunen. Die Erneuerbaren Energien beziehen ihre Energie aus der Fläche. Jede Kommune soll daher verpflichtet werden, Flächen und Standorte für Photovoltaik und Windkraft zur Verfügung zu stellen, wie sie zur Eigenversorgung im Jahr 2035 nötig sind oder sie im Rahmen eines Ausgleichmechanismus zu beschaffen.
Es muss endlich für CO2 in allen Sektoren einen Preis geben. Einen Preis mit
Lenkungswirkung. Wir unterstützen den Vorstoß der Bundesgrünen und der grün-
regierten Länder für ein konkretes Modell, einen Preis für den Ausstoß von CO2
einzuführen. Nur wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen, werden
ökonomische Anreize für Klimaschutz gesetzt. Wir wollen nach dem Grundsatz
handeln: Die alte Energiewelt finanziert die neue. Hier muss der Bund aktiv
werden. Auf fossile Kraft- und Brennstoffe wird ein Preisaufschlag erhoben, der
über die Zeit anwächst. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden
CO2-Abfall. Die Einnahmen werden als Energiegeld und durch die Senkung der
Stromsteuer an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Dadurch entsteht ein
sozialer Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert.
Gleiches gilt für Unternehmen: mit einem für den Klimaschutz wirksamen CO2-
Mindestpreis im Emissionshandel, der bei 40 Euro pro Tonne beginnt und
planungssicher ansteigt. Damit werden Einnahmen generiert, die an die Wirtschaft
zurückfließen und Anreize für Innovationen und Investitionen in
klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen geben. Es kommt vor allem
darauf an, den CO2-Preis zügig einzuführen. Wir können bei der Rettung des
Klimas nicht weitere Jahre verschenken.
Die Ziele des Paris-Abkommens erreichen wir nur gemeinsam. Alle politischen
Ebenen – die EU, die Mitgliedsstaaten, Länder und Regionen, die Kommunen –
müssen eng vernetzt zusammenarbeiten. Die von Baden-Württemberg initiierte
Under-2-Koalition zeigt, wie gut Klimaschutz vorankommt, wenn alle mitmachen.
Auch die International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) wird von
Baden-Württemberg aktiv unterstützt.
Der Klimawandel wartet nicht – wir müssen jetzt handeln. Es drängt. Wir fordern
daher die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, ein Sofortprogramm für
den Klimaschutz auf den Weg zu bringen, das überall dort greift, wo
klimarelevante Fragen in Landeskompetenz fallen, und wo die bisher ergriffenen
Maßnahmen nicht ausreichen. Die Landesverwaltung selbst hat das Ziel, bis 2040
klimaneutral zu werden – das geht schneller. Im Landeshaushalt 2020/2021 sollen
deswegen bestehende Projekte und Förderprogramme auf ihre Klimawirksamkeit hin
überprüft werden. Ein Klimapaket bündelt zusätzliche Maßnahmen in allen
Ressorts:
- die Energieeffizienz mit einem Förderprogramm für Kommunen für kommunale
Wärmeplanung steigern und umsetzen;
- eine Offensive für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auflegen;
- durch eine Angebotsoffensive für mehr Busse und Bahnen und eine verlässliche
Mobilitätsgarantie umweltfreundliche Verkehrsträger ausbauen;
- mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft die Notwendigkeit der
Transformation der Automobilwirtschaft hin zum emissionsfreien Fahren sichtbar
machen;
- in Wissenschaft und Forschung mit dem emissionsfreien Campus und dem
Innovationscampus Mobilität Vorzeigeprojekte fördern;
- durch eine verstärkte Förderung ökologischer Landwirtschaft den Klimaschutz
stärker verankern.
1.1 Unser Land voller Energie: Strom, Wärme und Netz
Im Bereich Energie haben acht Jahre grüne Regierungsführung deutliche Wirkung
gezeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien ist von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf
27,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, der Windkraftausbau kam endlich in Schwung
mit einer Verdreifachung der installierten Leistung seit 2011, das Erneuerbare-
Wärme-Gesetz wurde novelliert und ambitionierter ausgestaltet, vielfältige
Förderprogramme schaffen Anreize zur Energieeinsparung und
Energieeffizienzmaßnahmen und die PV-Offensive soll den Ausbau der Solarenergie
weiter voranbringen, sodass wir das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2040
erreichen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel und müssen vor dem
Hintergrund der auch in Baden-Württemberg verfehlten Klimaziele das Tempo
erhöhen. Wir lehnen weitere Investitionen in fossile Infrastruktur ab und setzen
auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien,
der Übertragungs- und Verteilnetze sowie Energieeffizienzmaßnahmen und -
technologien.
Der größte Hebel bei der Energieerzeugung auf Landesebene ist die Verfügbarkeit
von Flächen. Das größte Potenzial hat in Baden-Württemberg die Solarenergie –
wir wollen mehr Flächen hierfür planerisch zugänglich machen, die
Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Beratungsangebot für die Kommunen
ausbauen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Freiflächen-Photovoltaik
auch im Außenbereich als privilegierte Maßnahme zu zulassen. Dabei achten wir
darauf, der Landwirtschaft wertvolle Anbauflächen nicht zu entziehen. Darüber
hinaus wollen wir den Bau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten verpflichtend
machen und Bürgersolaranlagen und Energiegenossenschaften fördern.
Die regionalen Energieagenturen und die Klimaschutz- und Energieagentur des
Landes sind wichtige Partner für den Klimaschutz – wir wollen sie weiter stärken
und für die Ziele des Klimaschutzes nutzen.
Wir wollen Verbindlichkeit und Planungssicherheit beim Ausbau von erneuerbaren
Energien, deshalb sollen den Planungsträgern Ausbauziele vorgegeben werden. Wir
fordern die Bundesregierung auf, die vielen Deckelungen der erneuerbaren
Energien aufzuheben. Sie muss die jährlichen Ausbauziele für erneuerbare
Energien sowie die jährlichen Ausschreibungsmengen für PV-Freiflächenanlagen und
Windkraftanlagen deutlich erhöhen.
Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutz-Musterland machen. Die
Landesverwaltung soll ihre Vorbildfunktion annehmen und bis zum Jahr 2030 CO2-
neutral arbeiten. Dazu wollen wir die energetische Gebäudesanierung
landeseigener Liegenschaften voranbringen, das Projekt „Green IT“ fortschreiben
und ambitionierter machen und bei Neuanschaffungen für die Fahrzeugflotte auf
erneuerbare Antriebe setzen. Da Fahrzeuge mindestens zehn Jahre in Betrieb sind,
soll die Landesregierung bereits heute, wo immer möglich, keine fossil
betriebenen Fahrzeuge mehr beschaffen. Dienstreisen sollen möglichst
klimafreundlich realisiert oder, wenn nicht möglich, kompensiert werden. Beim
Photovoltaik-Ausbau wollen wir im Land mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum
Jahr 2030 alle dafür geeigneten landeseigenen Gebäude mit Potenzial mit PV-
Anlagen ausgestattet haben. Für interne Berechnungen der Landesregierung zu den
Kosten des CO2-Ausstoßes soll ein Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne
eingeführt werden. Dieser bildet die realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt
ab. Mit einem solchen Schattenpreis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es
einfacher, wenig CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Folgen- und
Kostenabschätzungen von Maßnahmen und Gesetzen berücksichtigen damit vollständig
den Klimaschutz.
Auch die baden-württembergischen Unternehmen gehen beim Klimaschutz voran. So
will zum Beispiel Bosch ab 2020 als erstes großes Industrieunternehmen komplett
klimaneutral sein. Wir begrüßen diese Zielsetzung und wollen einen Klimadialog
mit der Industrie führen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu
fördern. Die landeseigenen Unternehmen und Unternehmen mit Beteiligung des
Landes sollen dafür mit gutem Beispiel vorangehen und bis zum Jahr 2035 CO2-
neutral arbeiten. Kleinere Anteile an Unternehmen, die mit fossilen
Energieträgern umgehen, sollen zeitnah aus dem Portfolio des Landes entfernt
werden. Die EnBW fordern wir dazu auf, die Europäischen Schutzstandards für
Quecksilber- und Stickoxidemissionen in allen ihren Kraftwerken, insbesondere im
Kraftwerk Lippendorf, unverzüglich einzuhalten und bis zum Jahr 2023 die
Verstromung der CO2-intensiven Braunkohle zu beenden. Unternehmen, an denen das
Land oder seine Institutionen größere Anteile besitzen (EnBW, Flughafen
Stuttgart, Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden), sollen Treibhausgasneutralität
inklusive aller erbrachten Dienstleistungen schon im Jahr 2035 erreichen. Wir
begrüßen, dass die Landesregierung sich das Ziel gesetzt hat, auch bei den
landeseigenen Unternehmen treibhausgasneutral zu handeln.
1.2 Mobilitätsland der Zukunft: klimafreundlich, vernetzt,
digital
Das gegenwärtige Mobilitätssystem stößt an seine Grenzen. Es schadet dem Klima,
der Umwelt und unserer Lebensqualität. Kurzum: Es ist nicht zukunftstauglich.
Der Verkehr ist für knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg
verantwortlich. Da packen wir an. Es ist klar: ohne Verkehrswende keine
Klimawende. Wer den Klimaschutz ernst meint, treibt die Verkehrswende voran. Wir
Grüne handeln – beherzt und innovativ: bei der Vermeidung von Verkehr, der
Verlagerung auf effizientere Verkehrsträger und einer zügigen Dekarbonisierung
aller Verkehrsströme. Das gilt für die Mobilität von Menschen und den
Gütertransport. Damit die Verkehrswende gelingt, haben wir uns noch mehr
vorgenommen.
Öffentlichen Verkehr im Land verdoppeln
Die wichtigste Stellschraube in der Verantwortung des Landes, um die
Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Verdopplung der Fahrgastnachfrage im
öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg bis 2030. Dazu müssen Bahnen und Busse
flächendeckend im Takt verkehren, eine zuverlässige Qualität bieten und
preislich attraktiv sein. Daran wollen wir arbeiten.
Wir Grüne setzen uns für eine Mobilitätsgarantie für ganz Baden-Württemberg ein:
Ab 2025 soll jede Kommune im Land zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich mit
der Bahn, dem Bus, dem Ruftaxi oder dem Rufbus erreichbar sein. In den
Verdichtungsräumen sollen alle Ortschaften mindestens halbstündlich angebunden
sein. Den Schienenpersonennahverkehr in der Zuständigkeit des Landes werden wir
bis 2025 gegenüber 2015 um 30 Prozent ausbauen. Der Mindeststandard des
Stundentakts von 5 bis 24 Uhr wird dann im ganzen Land umgesetzt, auf vielen
Strecken der Halb- oder Viertelstundentakt Realität sein. Bis zum Jahr 2030
wollen wir dann mindestens den Halbstundentakt für über 95 Prozent der
Bahnfahrgäste in Baden-Württemberg erreichen und die Kapazitäten weiter
ausbauen.
Die großen Qualitätsdefizite im Schienenverkehr müssen der Bund als Eigentümer
des Netzes und die Länder durch ein nachhaltiges Investitions- und
Ausbauprogramm beheben. Bestandteil der Bahnoffensive muss ein ausreichender
Kapazitätsausbau im Hauptnetz sein. Wir brauchen die rasche Realisierung des
viergleisigen Ausbaus der Rheintalbahn, die Neubaustrecke Mannheim–Karlsruhe und
Kapazitätsergänzungen im Knoten Stuttgart. Den integralen Taktfahrplan wollen
wir für das Land für bessere und zuverlässigere Verbindungen fortentwickeln und
das Netz flächenhaft ausbauen.
Die Elektromobilität auf der Schiene wollen wir vorantreiben und den Anteil der
elektrisch betriebenen Nahverkehrsleistungen bis 2030 auf über 90 Prozent
erhöhen. Dazu fördern wir die Elektrifizierung vieler Bahnstrecken wie der
Südbahn, der Breisgau-S-Bahn, der Hochrheinstrecke, der Bodenseegürtelbahn oder
der Regionalstadtbahnen Neckar-Alb und Donau-Iller. Bis zum Jahr 2025 werden wir
die Weichen für die Reaktivierung von 20 stillgelegten Bahnstrecken stellen. In
den Städten wollen wir den Ausbau der Stadtbahn- und Straßenbahnnetze weiter
fördern und damit vorantreiben.
Daneben brauchen wir auch attraktive Busverkehre in Stadt und Land. Mit einem
landesweiten Netz staufreier Schnellbuslinien und einer stündlichen
Mindestbedienung (Mobilitätsgarantie) in allen Orten sowie attraktiven und
verständlichen Tarifen wollen wir dem Busverkehr einen entscheidenden Schub
versetzen. Dieser Aufgabenbereich fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Das
Land unterstützt sie dabei bereits durch das Förderprogramm Regiobusse, durch
die Aufstockung der ÖPNV-Fördermittel auf 250 Millionen Euro pro Jahr und
Pilotvorhaben für On-Demand-Verkehre in der Fläche. Dies wollen wir durch
weitere gezielte Förderprogramme für den garantierten Stundentakt in der Fläche
ausbauen.
Bahn- und Busfahren muss im ganzen Land günstiger und unkomplizierter werden.
Tarife müssen einfach verständlich sein, damit sie den Umstieg auf Busse und
Bahnen erleichtern. Unser Ziel: eine Reise – ein Ticket. Mit dem BW-Tarif ist
dies auch über Verbundgrenzen hinweg Realität geworden. Dabei haben wir die
Preise für das Bahnfahren im Land um durchschnittlich 25 Prozent gesenkt – ein
wichtiger Beitrag zur Attraktivität der Schiene. Bis Ende 2020 wollen wir den
BW-Tarif durch attraktive Zeittickets für Pendler*innen und eine attraktive
Jahresnetzkarte komplettieren. Mit dem BW-Tarif als Klammer wollen wir ein
einheitliches elektronisches Ticketing in Baden-Württemberg umsetzen. Wir wollen
die Verbreitung des 365-Euro-Jahrestickets in den Kommunen unterstützen.Der
kommunale ÖPNV muss nachhaltiger finanziert werden. Deshalb fordern wir den
Landtag auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen
auf eigenen Wunsch einen Mobilitätspass als (Nahverkehrs-)Abgabe einführen, den
ÖPNV ausbauen und zu günstigen Preisen anbieten können.
Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel kombinieren, wird klimaneutrale Mobilität
attraktiver. Mit 1.000 Mobilitätshubs an 100 attraktiven Bahnhöfen und 900
kleineren Umstiegsorten wollen wir den Schienen- und Busverkehr mit dem Fuß- und
Radverkehr verknüpfen. Daneben müssen Car- und Ride-Sharing-Angebote ausgebaut
werden. Die User*innen müssen mit Echtzeit-Informationen versorgt werden,
Auskunfts- und Buchungsmöglichkeiten müssen einfacher gestaltet werden. Ein
Ticket bzw. eine App für alle Verkehrsmittel ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Jedes dritte Auto wird klimaneutral angetrieben
Die Elektromobilität stellt einen zentralen Entwicklungspfad für die
klimafreundliche Mobilität dar. Damit im Jahr 2030 mindestens jeder dritte der
dann noch sechs Millionen Pkw klimaneutral unterwegs sein kann, müssen wir die
Infrastrukturen dafür schaffen. Mit der „Landesinitiative Elektromobilität III“
schaffen wir unter anderem ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen im Land, das
Baden-Württemberg zur Leitregion für E-Mobilität macht. Elektroautos werden
überwiegend privat geladen – am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Unterkunft. Durch
lange Ladezeiten wird auch das Stromnetz nicht über Gebühr belastet und sogar
ein Lastenmanagement möglich. Wir wollen schrittweise keine Stellplätze für
fossil betriebene Autos mehr vorschreiben und alle neuen Stellplätze mit
Lademöglichkeiten ausgestattet sehen. Land und Kommunen sollen klimaneutralen
Fahrzeugen Benutzervorteile vor fossil betriebenen Fahrzeugen gewähren, z. B.
beim Parken.
Um den Transformationsprozess hin zu klimaneutralen Antrieben und
Mobilitätsangeboten aktiv zu gestalten, hat die Landesregierung 2017 den
Strategiedialog Automobilwirtschaft BW begonnen. Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft, Arbeitnehmerverbände, Verbraucherorganisationen, Umweltverbände
und Zivilgesellschaft erarbeiten Projekte und Konzepte, um den
Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten. Der Klimaschutz als globale
Rahmenbedingung unseres Wirtschaftens ist dabei handlungsleitend, aber auch die
Sicherstellung von Transport und Mobilität mit klimafreundlichen
Verkehrsmitteln.
Baden-Württemberg ist ein Mobilitätsland: Rund 470.000 Beschäftigte sind direkt
oder indirekt vom Automobil abhängig. Mit unserem hohen Exportanteil tragen wir
als Wirtschaftsstandort zugleich eine globale Verantwortung für die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Wir sind überzeugt: Die Transformation der
Automobilwirtschaft Baden-Württembergs zum Leitanbieter für nachhaltige
Mobilität ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie für die langfristige
Sicherung von Arbeitsplätzen.
Der Umstieg auf klimaschonende Antriebe ist zentral für den Klimaschutz.
Weltweit wird gerade das Auto neu erfunden – die Ära des fossilen
Verbrennungsmotors geht unweigerlich zu Ende. Die Zukunft der deutschen
Automobilindustrie entscheidet sich daran, ob sie bei dieser Veränderung vorne
mit dabei ist. Für unsere ambitionierten Klimaschutzziele braucht es politisch
einen ehrgeizigen Rahmen, der ein planbares Ende des fossilen Verbrennungsmotors
schafft, sowie die notwendige Förderung der Umstellung.
Ein Drittel weniger Kfz-Verkehr ist in den Städten unterwegs
Mehr Klimaschutz heißt: mehr Lebensqualität in unseren Städten und Ortskernen.
Wir wollen ein Drittel weniger Pkw- und Lieferverkehr in unseren Städten
erreichen. Ein guter ÖPNV, großzügige Rad- und Fußwege und City-Logistik-
Konzepte machen das möglich, wenn sie dafür Platz und Entfaltungsmöglichkeiten
bekommen. Bis 2030 wollen wir 500 zusätzliche lebendige und verkehrsberuhigte
Ortsmitten schaffen. Dieses Mobilitäts- und Klimaschutzprogramm fährt viele
Ernten ein: weniger Lärm und bessere Luft, mehr Aufenthaltsqualität und mehr
Verkehrssicherheit, mehr Chancen für die Nahversorgung und einen attraktiven
Einzelhandel, also schlicht lebenswerte Städte und Orte.
Jeder zweite Weg wird selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß zurückgelegt
Mit dem E-Bike oder reiner Muskelkraft: Immer mehr Berufspendler*innen fahren
mit dem Rad zur Arbeit. Wir wollen und müssen dieses Potenzial für den
Klimaschutz nutzen. Jeder zweite Weg soll 2030 selbstaktiv mit Rad oder zu Fuß
zurückgelegt werden. Entscheidend sind die zwanzig neuen Radschnellverbindungen,
die das Land bis 2030 in Kooperation mit den jeweiligen Kommunen baut und
finanziert. Die Schnittstelle zwischen ÖPNV und Fahrrad muss einfacher werden:
Deshalb wollen wir die Zahl der Bike-and-ride-Stellplätze im Land mit 100.000
zusätzlichen sicheren Stellplätzen verdoppeln.
Jede dritte Tonne im Güterverkehr wird klimaneutral transportiert
Das elektrische Lastenfahrrad ist schon heute ein Symbol neuer Mobilität in der
Logistik. Es kann künftig jeden dritten Weg im städtischen Güterverkehr
übernehmen. Jede dritte Tonne soll bis 2030 klimaverträglich transportiert
werden, mit Bahn, E-Lkw, Binnenschiff oder regenerativem Kraftstoff. Bis 2030
sollen deshalb 50.000 klimaneutrale Lkw auf den Straßen unterwegs sein. Dies
setzt industriepolitisch ein Signal an die Lkw-Hersteller, dass klimaneutrale
Lkw und damit auch klimaneutrale Busse endlich in die Serienfertigung gehören.
Klimaneutrale Logistikgebiete und Innenstädte werden eine wichtige Rolle
spielen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umbau des Güterfernverkehrs soll
nicht aus Steuergeldern, sondern durch die Verursacher finanziert werden. Daher
wollen wir uns dafür einsetzen, die Lkw-Maut für fossile Lkw auch auf Landes-
und Kommunalstraßen auszuweiten und die Einnahmen für Land und Kommunen zu
erschließen. An Flughäfen in Baden-Württemberg wollen wir den Einsatz von
regenerativ erzeugtem Kerosin bzw. reFuels vorantreiben. Um den Bedarf an
inländischen Flugverbindungen und Kurzflügen zu senken, unterstützen wir den
Ausbau schneller Schienenverbindungen. So hat die Fahrtzeitverkürzung auf der
ICE-Strecke München–Nürnberg–Berlin dazu geführt, dass die Flugverbindung
Nürnberg–Berlin aus Unrentabilität gestrichen wurde. Ein weiterer Ausbau der
Fluginfrastruktur wirkt hier kontraproduktiv.
Forderungen an den Bund
Die vielen guten Ansätze bei uns müssen vom Bund flankiert werden. Zentral dabei
ist, die einseitige Subventionierung des Auto- und Flugverkehrs zu Lasten der
Bahn sofort zu beenden. Zudem muss aus dem Bundesverkehrswegeplan endlich ein
nachhaltiger Mobilitätsplan für Deutschland werden.
Der Bund muss als Eigentümer der Bahn endlich einen klaren Leistungsauftrag und
die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um das Ziel der Verdopplung der
Reisendenzahlen bis 2030 zu erreichen. Trassenpreise müssen gesenkt werden,
damit die Schiene wieder wettbewerbsfähiger wird. Die Mehrwertsteuer auf
Bahntickets muss auch im Fernverkehr zum reduzierten Satz angeboten werden.
Auch unsere Steuersystematik braucht einen Klimakompass: Wir wollen die
Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) schrittweise streichen wie auch die
steuerliche Begünstigung des Diesels und das Dienstwagenprivileg. Es kann nicht
sein, dass der Staat einerseits Elektromobilität fördert und gleichzeitig ein
Mehrfaches an Subventionen für große Dienstwagen und Dieselfahrzeuge ausbringt.
Die Verkehrswende hin zu neuer, nachhaltiger Mobilität kann nur gelingen, wenn
sie mit einer Energie- und Mobilitätswende einhergeht.
1.3 Klimaschutz in Wohnungspolitik und Städtebau
Das Stiefkind der Energiewende ist leider immer noch der Gebäudebereich – dabei
liegt hier einer der wichtigsten Hebel für mehr Klimaschutz und CO2-Einsparung
in großem Umfang. Die grün-geführte Landesregierung zeigt, wie es geht, indem
sie die Förderprogramme neu gestrickt hat, um so einen Großteil der KfW-Mittel
nach Baden-Württemberg zu bringen. Die neuen Programme wiederum wurden vom Bund
kopiert. Mit der Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes wurde der Klimaschutz
weiter gestärkt. Wir wollen die Anstrengungen hier intensivieren und weiter
beschleunigen.
Die Bundesregierung muss endlich die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur
energetischen Gebäudesanierung gemeinsam mit den Ländern umsetzen.
Wir fordern darüber hinaus das Verbot neuer Ölheizungen sowie eine
Betriebsbeschränkung bestehender Ölheizungen abhängig von deren Alter und mit
entsprechenden Ausnahmen für Härtefälle. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wollen wir
konsequent weiterentwickeln, die Dekarbonisierung von Wärmenetzen vorantreiben,
die Erstellung von Wärme- und Kälteplänen verpflichtend machen und prüfen, bis
wann und wie die Förderung fossil befeuerter Heizungsanlagen zurückgeführt
werden kann.
Lebendige und lebenswerte Städte und Dörfer sind klimafreundlich. Mit kurzen
Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Menschen gerne zu Fuß und mit
dem Fahrrad zurücklegen. Wir nehmen im Gegensatz zu anderen politischen Kräften
den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung auf allen politischen Ebenen
ernst und setzen auf verdichtetes Wohnen im Innenbereich. Die autogerechte Stadt
der 1960er Jahre und das Donut-Dorf mit totem Ortskern und einem Ring von
Neubausiedlungen sind nicht mehr zeitgemäß und stehen dem Klimaschutz entgegen.
Wir kämpfen für mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in den
Städten und Orten, für attraktive öffentliche Räume und gegen die Zersiedelung
des ländlichen Raums.
1.4 Industriestandort Baden-Württemberg – Erdöl war gestern
Wir wollen weltweit ein Zeichen setzen: Wettbewerbsfähig und erfolgreich
produzieren geht auch ohne Erdöl. Dafür müssen wir die Transformation so
gestalten, dass besonders energieintensive Branchen verlässliche Zielvorgaben
erhalten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Energiebedingte Emissionen von
6,5 Millionen Tonnen sollen bis 2030 um 62 Prozent reduziert und bis 2040
vollständig eliminiert werden. Bei der Herstellung von Papier und Pappe ist der
Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg derzeit am höchsten, gefolgt vom
Fahrzeugbau, der Verarbeitung von Steinen und Erden (größtenteils Zement und
Kalk) sowie dem Maschinenbau. Die prozessbedingten Emissionen betragen etwa 2,9
Millionen Tonnen, wovon rund 2,2 Millionen Tonnen auf die Zementherstellung
entfallen. Das macht die enorme Bedeutung der Transformation der
Zementherstellung und damit der Verarbeitung von Steinen und Erden deutlich.
Beim erfolgreichen Wandel des Industriestandorts setzen wir auf ambitionierte,
aber langfristige und verlässliche politische Vorgaben, beste Forschung und
exzellente Aus- und Weiterbildung. Alle drei Faktoren zusammen setzen das
Innovationspotential frei, das wir für den Transformationsprozess so dringend
brauchen. Grüne Industriepolitik will langfristig Innovationspotentiale fördern,
nachhaltig und gute Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette schaffen und erhalten. Den Wandel hin zu einer erdölfreien
Wirtschaft sehen wir als wichtigsten Treiber, damit die baden-württembergische
Wirtschaft auch in Zukunft weltweit erfolgreich ist. Umfassende Förderprogramme
für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise, wie sie im Energie- und Klimafonds
bereits eingestellt sind, müssen konsequent, z. B. für die Dekarbonisierung der
Industrie oder auch für die Flottenumstellung auf E-Mobilität, umgesetzt werden.
Mit dem Zentrum für Ultraeffizienzfabriken wollen wir die Plattform für
Forschungs- und Demonstrationszwecke stärken, um zu verdeutlichen, wie die
energie- und ressourceneffiziente Produktion der Zukunft aussehen kann. Mit den
Landesagenturen, dem breiten Beratungsnetzwerk für den Mittelstand und den
Forschungseinrichtungen unterstützen wir den Trend in den Unternehmen, Energie-
und Materialeffizienz konsequent zu leben. Den Ausstieg aus CO2-intensiven
fossilen Energieträgern kompensieren wir durch Erneuerbare wie Photovoltaik und
Wind, Biomasse oder Fernwärme, übergangsweise mit Erdgas. Industrielle Abwärme
wollen wir innerhalb sowie außerhalb der Betriebe, z. B. zur Versorgung von
Fernwärmenetzen, nutzen.
Projekt: Zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und
privaten Weiterbildungsträgern wollen wir eine Bildungsroadmap Umwelttechnik auf
den Weg bringen. Dafür wollen wir die Aus- und Fortbildungsangebote im Bereich
Umwelttechnik sichten, das Angebot wo nötig ausbauen und die relevanten Akteure
besser vernetzen.
1.5 Finanzmärkte für ökologisch-soziale Modernisierung
nutzen
Die Finanzmärkte müssen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die schnelle
Transformation hin zu einer erdölfreien, nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Investitionen der öffentlichen Hand sind wichtig, reichen aber für die immense
Aufgabe nicht aus. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sowohl das Europäische
Parlament als auch eine hochrangige Expertengruppe der Kommission wichtige
Vorschläge für eine grüne Finanzmarktgestaltung vorgelegt haben. Die
Kapitalmärkte müssen auf langfristige, innovative und effiziente Geldanlagen
ausgerichtet sein. Preise für Anlagen müssen Nutzen und die Risiken für Umwelt,
Gesellschaft und Unternehmensführung widerspiegeln. Die Finanzstabilität ist
auch durch klimaschädliche Investitionen gefährdet. Wir stellen mit großer Sorge
fest, dass in Baden-Württemberg, in Europa, vor allem aber im globalen Süden,
viele Klimarisiken nicht versichert sind. Dies birgt erhebliche Risiken für
globale Chancengerechtigkeit, die Klimakrise darf nicht zu einer Humanitäts- und
Finanzkrise werden. Verbraucher*innen soll es leicht gemacht werden, durch ihre
Anlageentscheidungen die soziale und ökologische Transformation unserer
Wirtschaft zu fördern.
Obwohl die Regulierungsentscheidungen in Brüssel und Berlin getroffen werden,
hat das Land Baden-Württemberg als Akteur an den Finanzmärkten eine
Vorbildfunktion. Wir begrüßen darum die Entscheidung der grün-geführten
Landesregierung, das Pensionsvermögen des Landes nachhaltig anzulegen. Wir sehen
mit Sorge, dass Klimaschäden den Haushalt immer mehr belasten. Allein die
Kompensation von Frostschäden oder die notwendige Hilfe für Kommunen bei
Starkregenschäden belastet den Haushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen.
Projekt: Wir wollen den Landeshaushalt klimafest machen. Dazu identifizieren wir
alle Stellen, an denen momentan Klimaschäden oder -risiken sozialisiert werden.
Diese Risiken wollen wir so managen, dass der Schaden für die Steuerzahler*innen
möglichst gering ist.
Projekt: Wir wollen die Chancen unserer Investitionen mit Blick auf den
Klimaschutz stärker in den Blick nehmen. Die Geldanlagen des Landes sollen auch
in Infrastrukturprojekte der Energiewende und des Klimaschutzes gehen.
1.6 Die Landwirtschaft der Zukunft – gut für Landwirt*innen,
Umwelt und Tiere
Auch die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz und dem
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die intensive konventionelle
Agrarwirtschaft beeinflusst mit schweren Maschinen, intensivem Einsatz von
Pestiziden und Düngemitteln Boden, Wasser, Luft und die biologische Vielfalt auf
unseren Feldern, Wiesen und in unseren Wäldern. Übermäßige Stickstoffdüngung
verursacht klimaschädliche Treibhausgase, führt zu Nitratbelastungen des
Grundwassers und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Flüssen, Seen und Meeren
bei. Das Klimagas Methan ist deutlich schädlicher als CO2 und sein Gehalt in der
Atmosphäre steigt aufgrund der Massentierhaltung stark an.
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch zunehmend von den Folgen der Klimakrise
betroffen, wie der Dürresommer im letzten Jahr gezeigt hat. Wir wollen die
Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre
Bewirtschaftung diesen Herausforderungen anzupassen und widerstandsfähige
Anbausysteme und -kulturen zu entwickeln. Wichtige Bausteine dafür sind breite
Fruchtfolgen, Mischkulturen, die Erhöhung des Humusgehaltes, die Förderung des
Bodenlebens und Maßnahmen zur Minimierung der Erosion, Agroforstsysteme sowie
Risikostreuung durch mehr Vielfalt bei Anbaufrüchten und Betriebszweigen. Dafür
wollen wir die entsprechenden Forschungsaktivitäten ausbauen und die Züchtung
gentechnikfreier angepasster Sorten unterstützen.
Viele Landwirt*innen haben darum heute bereits das Ziel, die Bewirtschaftung
ihrer Flächen nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen alle, die sich hier auf den
Weg machen, unterstützen. Wer Natur und Klima schützt, Lebensmittel nachhaltig
produziert, Tierwohl achtet und sich für den Erhalt der Kulturlandschaften
einsetzt, soll finanziell dafür belohnt werden. Dafür muss das Fördersystem der
EU in der neuen Förderperiode auf eine klimafreundliche und
biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft umgestellt werden. Wichtige Ansätze
dazu sind Maßnahmen zur wirksamen Vermeidung von Überdüngung, die Bindung der
Nutztierzahlen an die Betriebsfläche, hohe Standards für eine artgerechte
Tierhaltung und die extensive Nutzung von Grünland sowie wiedervernässten
Moorböden. Den Anteil des ökologischen Landbaus als besonders umweltfreundliche
und bodenschonende Produktionsform wollen wir durch ein umfassendes
Förderkonzept auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-
Württemberg bis 2030 weiter steigern. Dazu gehört auch eine weitere personelle
Stärkung der biologischen Landwirtschaft als Fachgebiet in Forschung und Lehre
baden-württembergischer Hochschulen. Die Leistungen der Landwirt*innen für die
Gesellschaft sind bürokratiearm und effektiv zu vergüten, dafür wollen wir auch
die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Dokumentation und
Kontrollvereinfachung nutzen.
Als Grüne im Land wollen wir die bäuerliche Landwirtschaft darin bestärken, ihre
Stickstoffüberschüsse nach der Gesamtbilanz auf 50 kg N/ha abzusenken. 90
Prozent der anfallenden Gülle sollen gasdicht gelagert und verstärkt in
Biogasanlagen eingesetzt werden, dafür wollen wir Investitionshilfen gewähren.
Dazu wollen wir die Güllevergärung auf 30 Prozent des anfallenden
Wirtschaftsdüngers bis zum Jahr 2030 steigern.
Im Bereich Forstwirtschaft verfügt das Land über unmittelbare
Handlungsmöglichkeiten bei der naturnahen und nachhaltigen Bewirtschaftung der
eigenen Waldflächen. Wir halten am Ziel fest, 10 Prozent der Staatswaldfläche
aus der Nutzung zu nehmen und dort Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu
schaffen. Das Land hat hier Vorbildfunktion. Die Klimakrise erfordert
flächendeckend einen raschen Waldumbau hin zu naturnahen und
klimaresilienten/klimastabilen Mischwäldern. Dafür wollen wir auch nach
Abschluss der laufenden Neuaufstellung der Forstorganisation eine ausreichende
Personalausstattung sicherstellen. Auch im Privatwald schlummern noch erhebliche
Potentiale, Emissionen zu senken und Wälder zukunftsfähiger zu machen. Diese
wollen wir gemeinsam mit den Privatwaldbesitzer*innen angehen. Wir begrüßen die
Moorstrategie der grün-geführten Landesregierung, denn Moore sind auch
hervorragende CO2-Speicher.
Wir werden Verbraucher*innen weiter dafür sensibilisieren, dass ihr
Einkaufsverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel
produziert werden. Mit Förderung und Verankerung von Ernährungsbildung in Kitas,
Kindergärten und Schulen wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche darüber
informieren, welche Vorteile eine ausgewogene, gesunde und ökologisch
verträgliche Ernährung hat. Mit Anreizen wie Fortbildungsprogrammen für das
Personal von Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen für schmackhafte kreative
Gerichte in Schulen, Hochschulen und Kliniken wollen wir die Attraktivität
fleischärmerer und vegetarischer Ernährung steigern.
2. Ressourcenverbrauch minimieren, Kreislaufwirtschaft
umsetzen: klimaneutrales Ressourcenmanagement als
Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil
Wir wollen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Bei den
Treibhausgasen geht die Entwicklung EU-weit in die richtige Richtung. Von 1990
bis 2017 sind die Emissionen um 22 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um
58 Prozent gewachsen ist. Der Wandel hin zur grünen Wirtschaft innerhalb der
planetaren Grenzen ist also machbar. Jetzt müssen wir ihn beschleunigen. Uns ist
wichtig, den Anteil des produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg zu halten.
Der Umbau der mittelständischen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft birgt
enorme Wettbewerbsvorteile weltweit. Materialkosten machen bei einem
durchschnittlichen produzierenden Betrieb 42 Prozent und damit den Löwenanteil
der Gesamtkosten aus. Personal- und Energiekosten liegen in der Regel deutlich
darunter. Zwar ist der Anreiz bereits heute oft hoch, durch Innovationen
Materialkosten zu senken und ressourceneffizient zu produzieren. Dennoch gibt es
enormes Optimierungspotential. Auch die Versorgungssicherheit gerade mit
kritischen Rohstoffen ist für die Unternehmen in Baden-Württemberg von größter
Bedeutung. Erst jüngst drohte China im Handelskrieg mit den USA, die Ausfuhr
seltener Erden zu begrenzen. Dies könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der
EU eines Tages ebenso passieren. Die Auseinandersetzung um North Stream 2 zeigt,
welche enorme geopolitische Bedeutung die Abhängigkeit insbesondere von Erdgas
hat. Gerade für die Zukunftstechnologien wie Erneuerbare oder Elektromobilität
werden zunehmend Ressourcen benötigt, die zum Teil nur in wenigen Regionen
vorkommen oder in politisch instabilen Ländern abgebaut werden.
Unser Ziel ist, die in Baden-Württemberg benötigten Rohstoffe zunächst verstärkt
und langfristig komplett aus Recyclingrohstoffen zu gewinnen. Damit stoppen wir
die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlage und sichern langfristig die
Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg. Die Gewinnung von
Recyclingrohstoffen ist mit erheblich weniger CO2-Emissionen verbunden und
bedeutet einen gravierend geringeren Verschleiß der natürlichen
Lebensgrundlagen. Das maschinenbauliche, chemische und materialtechnische Wissen
ist in den baden-württembergischenHochschulen und Unternehmen vorhanden. Wir
wollen dieses Wissen fördern, um Unternehmen dabei zu unterstützen, den
weltweiten Markt für Umwelttechnologien von zwei Billionen Euro zu erschließen
und Baden-Württemberg zum Vorreiter bei Effizienztechnologien zu machen.
2.1 Rohstoffabbau: Rückgewinnung in den Fokus
Pro Kopf werden in Deutschland rund 20 Tonnen Rohstoffe pro Jahr verbraucht.
Unser Bedarf an Rohstoffen könnte gedeckt werden, wenn wir die Rückgewinnung und
Wiederverwendung der im Abfall enthaltenen Ressourcen umfassend umsetzen würden.
In Elektronikschrott zum Beispiel ist dreißig bis sechzig Mal mehr Gold als im
Primärrohstoff Golderz. Und nicht umsonst wird die Gewinnung von Rohstoffen aus
Elektroschrott als Urban Mining bezeichnet. Wir wollen die Infrastrukturen
regionaler Wirtschaftskreisläufe stärken und unnötige Transportkosten sparen,
indem wir heimischen Rohstoffen Vorrang einräumen und die Gewinnung von
Rohstoffen aus Abfällen zum Rohstoffabbau der Zukunft machen. Wiederverwertung
und Effizienzsteigerungen sollen den Bedarf an Primärrohstoffen in Baden-
Württemberg gegen null sinken lassen. Eine Abschätzung der in Baden-Württemberg
vorhandenen theoretischen Potenziale durch Rückgewinnung einiger Rohstoffe macht
deutlich, dass etwa für Antimon, Kobalt und Molybdän die in den Abfallströmen
enthaltenen Wertstoffe die Rohwarenimporte teils um ein Mehrfaches übersteigen.
Wo die Einfuhr von Primärrohstoffen nicht zu vermeiden ist, rücken zertifizierte
Lieferketten zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den
Mittelpunkt.
Projekt: Wir wollen die Rohstoffstrategie und die Ressourceneffizienzstrategie
des Landes zusammenführen. Die effizientere Nutzung von Rohstoffen und deren
Wiederverwertung soll die Einfuhr von Primärrohstoffen langfristig überflüssig
machen und so die Kreislaufwirtschaft in Baden-Württemberg schließen.
2.2 Güterproduktion: Ultraeffizienz in Planung und
Produktion
Ressourcenverbrauch reduzieren
Die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus Baden-Württemberg soll so
wenig Rohstoffe und Materialinput benötigen wie möglich. Es gilt der Grundsatz:
je weniger, desto besser. Auf Bundesebene wurde das Ziel definiert, bis 2020
eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität des Jahres 1994 zu erreichen. Baden-
Württemberg unterstützt diese Bestrebungen.
Baden-Württemberg ist dank vieler innovativer Unternehmen und der grün-geführten
Landesregierung Spitzenreiter bei der ressourceneffizienten Produktion. Allein
die vom Umweltministerium und der L-Bank aufgelegten Programme für
Ressourceneffizienz im Mittelstand haben ein Investitionsvolumen von rund fünf
Milliarden Euro ausgelöst. Doch nach wie vor sind enorme Investitionen in
Menschen, Maschinen und Material notwendig. Umweltfreundliche Investitionen
müssen sich noch stärker betriebswirtschaftlich lohnen, als dies heute der Fall
ist. Wir wollen dafür den Marktmechanismus nutzen, um schnell und dezentral
wichtige Ressourceneffizienztechnologien in die Breite zu tragen und vielen
Unternehmen zugänglich zu machen. Angepasste Regeln bei steuerlichen
Abschreibungen können dazu beitragen, dass sich Investitionen für Klimaschutz-
und Ressourceneffizienz schnell lohnen. Bundespolitisch ist auch eine bessere
Ordnungspolitik von Nöten, die hohe Produktstandards setzt.
Rohstoffe ersetzen mit Leichtbau und Bioökonomie
Die schrittweise Substitution von Massivbauweisen aus Beton und Stahl hin zu
mehr Leichtbau ist eine zentrale Stellschraube der nachhaltigen Wirtschaft. Hier
lassen sich erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale realisieren. 70 bis 80
Prozent des Materialverbrauchs eines Produktes werden bereits im frühen
Entwicklungsstadium festgelegt, diese Potenziale sind bisher weitgehend
ungehoben. Mit der Landesagentur für Leichtbau hat die grün-geführte
Landesregierung einen Think Tank für Leichtbau geschaffen. Den Trend im
Leichtbau zum recycelbaren Multi-Material-Leichtbau wollen wir verstärken.
Auch die Stärkung der Bioökonomie ist für den Wandel hin zu einer erdölfreien
und klimaneutralen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Mit der Bioökonomie
verbinden wir vor allem den Ersatz erdölbasierter Materialien und Prozesse durch
nachwachsende Rohstoffe und Verfahren. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige
Bioökonomie” treibt die grün-geführte Landesregierung die Bioökonomie als
Innovationsmotor nachhaltigen Wirtschaftens voran. Die Bioökonomie ist besonders
für den Ländlichen Raum eine große Chance, weil Rohstoffe vermehrt auf
heimischen Äckern wachsen können und Neben- und Reststoffe aus der
Lebensmittelproduktion und der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll genutzt
werden. Dabei haben wir die Grenzen der jeweiligen Anbausysteme, ob Wald oder
Acker, fest im Blick. Deshalb gehören für uns zur Bioökonomiestrategie auch
intelligente Konzepte zur Ressourceneinsparung, zur Kaskaden- und
Kreislaufnutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch für die Industrie und in urbanen
Räumen spielt die Bioökonomie künftig eine zunehmend wichtige Rolle. Abfälle und
Abwasser beispielsweise enthalten nutzbare Rohstoffe, die wir zurückgewinnen
können. Mit neuen Technologien zur biologischen Gewinnung von anorganischen
Rohstoffen wie Metallen, Phosphor und Chemikalien sowie zum biotechnischen CO2-
Recycling wollen wir Rohstoffe für Energie- und Stoffkreisläufe erzeugen.
Projekt: Die Verwendung von Plastik ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch
angestiegen, selbst Gurken werden heutzutage zusätzlich verpackt. Im Rahmen der
Stärkung der Bioökonomie wollen wir Pilotvorhaben zur Substitution von Plastik
sichtbar machen und Alternativen zum Markthochlauf verhelfen. Dabei sollen
Industrieverpackungen eine besondere Rolle spielen. Wir wollen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft und bestehenden Unternehmer- und Gewerkschaftsinitiativen eine
Initiative Plastikfreies BW initiieren.
Projekt: Wir wollen, dass Bauabfälle reduziert werden. So wollen wir Holz oder
Zementarten mit niedrigem Klinkeranteil fördern und beschleunigen, dass Stahl
und Zement klimafreundlicher hergestellt werden.
2.3 Nachhaltigen Konsum fördern
Als Verbraucher*innen haben wir alle mit unserem Konsumverhalten höchsten
Einfluss auf Klimaschutz und den Verbrauch der natürlichen Lebensgrundlagen. Der
Staat ist für die Regeln verantwortlich, die nachhaltiges Wirtschaften leicht
machen – das entlastet die Einzelnen im Alltag. Gleichzeitig setzen wir auf die
mündige Verbraucher*in, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Wie lange wir
ein Produkt nutzen oder ob wir höherwertige Produkte minderwertigen vorziehen,
hat unmittelbare Rückkopplungen auf Produktion und (Sekundär-)Rohstoffgewinnung.
Weniger wegwerfen, mehr reparieren und länger nutzen ist nicht nur ökologisch,
sondern auch sozial. Wir wollen deshalb die Mehrwertsteuer auf Reparaturen
absenken, damit der eigene Geldbeutel ebenso geschont wird wie die Umwelt.
Dabei hilft uns ein Trend, der vor allem bei jungen Menschen zunehmend zu
beobachten ist: nutzen statt besitzen. Diesen Trend wollen wir verstärken und
Alternativen zu herkömmlichem Konsumverhalten forcieren – auch, weil
hinsichtlich der Rebound-Effekte reine Effizienzstrategien ohne Suffizienz nicht
ausreichen.
Die Sharing Economy kann gewerblich oder gemeinnützig sein. Für eine faire
Nutzung von Sharing-Angeboten müssen Verbraucher*innen erkennen können, welche
Anbieter gewerblich handeln und welche nicht. Hierfür sind besser handhabbare
Kriterien notwendig, die beiden Arten der Sharing Economy voneinander
abzugrenzen. Vermittlungsplattformen gewerblicher Anbieter müssen gekennzeichnet
sein und geltenden Verbraucher*innenschutz umfassend umsetzen. Unter dem
Deckmäntelchen des Teilens und der effizienten Nutzung dürfen soziale und
arbeitsrechtliche Standards nicht unterlaufen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat mit seiner Marktmacht als Einkäufer große
Vorbildfunktion. Die unter Grün-Rot beschlossene Anpassung der
Beschaffungsregeln, die ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe
berücksichtigen, waren richtig. Nun wollen wir einen Schritt weitergehen und die
nachhaltige Beschaffung auf Landesebene verpflichtend machen. Dies beinhaltet
insbesondere die Betrachtung der Lebenszykluskosten. Damit schaffen wir Märkte
für nachhaltige Produkte und wirken lenkend auf effektive Änderungen bei der
Produktion hin. Darüber hinaus wollen wir das europäische Vergaberecht ändern.
Projekt: Mit einem Förderprogramm wollen wir Reparaturen an Haushalts- und
Elektrogeräten unterstützen. Der „Reparaturbonus“, wie er in der Stadt Graz und
dem Land Oberösterreich angewendet wird, zielt auf die Wiederverwendung und
Langlebigkeit der Produkte ab.
Projekt: Initiativen wie solidarische Landwirtschaften wollen wir fördern, indem
wir Förderprogramme gezielt auf die Strukturen der SoLaWis anpassen.
Projekt: Die Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber soll auf den
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ausgeweitet werden. Dafür setzen wir uns im
Bund und in der EU ein. Dies gilt insbesondere für die Bereithaltung von
Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu Softwareupdates. Das beinhaltet ein
Verbot der Vernichtung von Retour-Sendungen beim Onlinehandel.
Supermärkte und Lebensmittelhändler werfen Tag für Tag große Mengen nicht mehr
verkäuflicher Lebensmittel weg. Wir wollen – analog zur französischen Regelung
–, dass Supermärkte ab einer Ladengröße von 400 Quadratmeter verpflichtet
werden, Lebensmittel, die sie ansonsten wegwerfen würden, an gemeinnützige
Organisationen zu spenden.
2.4 Recycling zum Innovationsmotor der Kreislaufwirtschaft
machen
Wir wollen den Materialfluss unseres Wirtschaftens schließen zu einer echten
Kreislaufwirtschaft. Dafür müssen Produkte von Anfang an so designt sein, dass
sie reparaturfreundlich, langlebig und gut recycelbar sind. Das wichtigste
politische Ziel für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Ökodesign-
Richtlinie der EU. In den aktuellen Entwürfen der Kommission zur Novelle der
Richtlinie nimmt das Thema Material- und Ressourceneffizienz neben den
bestehenden Energieeffizienzanforderungen einen wichtigen Raum ein. Produkte
sollen so designt sein, dass ihre Einzelteile leicht ersetzt und recycelt werden
können. Neue Anforderungen an die Ersatzteilverfügbarkeit, Angabe von
enthaltenen kritischen Rohmaterialien und Anleitungen zur Demontier-
beziehungsweise Rezyklierbarkeit von Produkten bekommen einen festen Platz. Wir
setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass dieser Weg stringent und umfassend
weiter beschritten wird und die neue Ökodesign-Richtlinie weltweit neue
Standards in der Produktverantwortung setzt. Der höchste technologische Standard
soll dabei zur Regel werden, wie dies in Japan mit dem Front-Runner-Prinzip
schon der Fall ist. Wir wollen Vorbild und Spitzenreiter sein.
Vordringlich ist es, die Recyclingziele über viele Massen-Stoffströme hinweg
anzuheben, am dringlichsten bei Kunststoffen, deren Quoten seit 20 Jahren
unverändert niedrig sind. Trauriges Ergebnis ist unter anderem die alarmierende
Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Jährlich gelangen zwischen 4,8 und 12,7
Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Während die EU-Kommission mit ihrer
Plastikstrategie und andere europäische Staaten mit verbindlichen
Reduktionszielen und Verboten für Einmalprodukte den Kampf gegen die Plastikflut
angenommen haben, fehlt es in Deutschland besonders CDU/CSU und SPD am
politischen Willen. Deutschland ist europäisches Schlusslicht bei der
Plastikvermeidung und hat in Europa den größten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik.
Unnötige Verpackungen und Einwegprodukte sollen vermieden werden und durch
wiederverwendbare Mehrwegverpackungen und -produkte ersetzt werden.
Anspruchsvolle Recyclingquoten sind ein wichtiger Weg, Materialkreisläufe zu
schließen. Außerdem wollen wir die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen
(Rezyklaten) in allen Branchen fördern. Dass das Bundesverpackungsgesetz eine
finanzielle Belohnung von Rezyklateinsatz in Verpackungen vorsieht, ist gut. Wir
setzen uns zudem für verbindliche Recyklatquoten ein. Es ist gut, dass sich alle
Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene auf eine Recyklateinsatzquote von 25
Prozent bei PET-Flaschen verständigt haben. Wir begrüßen außerdem, dass die
Landesregierung unter grüner Führung viel dafür getan hat, den illegalen Export
von Elektroschrott zu unterbinden. Die Abfallverbringungskontrollen und der
Vollzug müssen ausgeweitet werden, um verstärkt illegale Verbringungen von
Abfällen aufzudecken und weitere Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Mit gezielten Bauvorschriften können beispielsweise modulare Bau- und
Konstruktionsweisen fest verankert werden. Das ermöglicht einen vereinfachten
Rückbau und damit auch ein einfacheres Recycling von Baustoffen. Mit innovativen
Baustoffen wie bspw. Carbon-Beton-Verbundstoffen kann Beton schon bei der
Fertigung eingespart werden. Ressourcen- und energieschonender Recyclingbeton
(RC-Beton) ist qualitativ vergleichbar mit Beton aus Primärrohstoffen und kann
somit in den Kreislauf zurückgeführt werden. Das schont die Umwelt und spart
obendrein Kosten. Den Weg, vermehrt Holz als Baustoff einzusetzen, gehen wir
weiter. Wir wollen das Bauen mit Holz weiter fördern und unsere Vorreiterrolle
in Deutschland weiter ausbauen. Dafür werden wird die Holzbauoffensive des
Landes verstärken und weiterentwickeln, eine Holzbauquote beim staatlichen
Hochbau Baden-Württemberg einführen und auf Bundesebene für die Einführung einer
nationalen Holzbaustrategie nach schwedischem Vorbild einsetzen.
In Deutschland könnten die in kommunalen Abwässern enthaltenen Phosphate einen
beträchtlichen Teil des Bedarfs der Landwirtschaft decken. Das von den Pflanzen
aus dem Ackerboden aufgenommene Phosphat gelangt über die Nahrung in Tiere und
Menschen, wird größtenteils wieder ausgeschieden und landet so schließlich in
den Kläranlagen. Die grün-geführte Landesregierung hat Pilotprojekte auf den Weg
gebracht, die Rückgewinnung des Phosphors aus dem unverbrannten Klärschlamm
voranzutreiben. Wir unterstützen diesen Weg und wollen Kläranlagen noch stärker
zur Rohstoffgewinnung nutzen.
Projekt: Wir werden prüfen, in welchen Bereichen und wie die Einschleusung von
Sekundärrohstoffen in Primärprozesse verstärkt vorangetrieben werden kann.
Projekt: Wir wollen eine Recyclingbeton-Quote für Landesliegenschaften
einführen.
Pilotprojekte: Wir wollen zusammen mit Unternehmen eine Initiative zur
Verwendung von Rezyklatplastik anstoßen und dabei die Verbraucher*innen eng
einbinden.
2.5 Digitalisierung grün gestalten und für Ressourcenschutz
nutzen
Global wie der Klimawandel und seine Ursachen wirkt auch die Digitalisierung.
Die Digitalisierung ist eine Basisinnovation und verändert unser Leben, unser
Arbeiten, unsere Kommunikation und unser Wirtschaften. Die erste Phase der
Digitalisierung mit steigenden Rohstoff- und Energieverbräuchen hat bereits zur
weiteren Verschmutzung unserer Atmosphäre beigetragen. Für eine langfristig
klimagerechte Lebens- und Wirtschaftsweise ist daher die grüne Gestaltung der
Digitalisierung entscheidend. Wir wollen die Innovationskraft der
Digitalisierung für den Klimaschutz nutzen. Damit diese sich entfalten kann,
setzen wir auf das Klimadreieck der Digitalisierung: Klimaneutralität des
Energie- und Ressourcenbedarfs der Digitalisierung erreichen, Handeln gegen den
Rebound-Effekt und Innovationsförderung.
Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung klimaneutral machen
Digitalisierung führt weltweit zu einem steigenden Energiebedarf. Computer und
Netze in Deutschland verbrauchten 2017 58,4 TWh Strom, was 2,3 Prozent des
Gesamtstrombedarfes und 30,7 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die
Virtualisierung von Prozessen etwa durch Cloud-Dienste und Online-Streaming
trägt dazu bei, dass trotz massiven Effizienzsteigerungen in den letzten zehn
Jahren der Stromverbrauch nur konstant gehalten werden konnte. Digitale Produkte
im Haushalt wie in der Industrie produzieren mehr und mehr Daten, die in
Rechenzentren verarbeitet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir
zügig CO2-neutrale Rechenzentren, die Abwärme nutzen, intelligent kühlen und mit
erneuerbarem Strom betrieben werden. Dazu brauchen wir Green-IT im weitesten
Sinne von der Hardwarebeschaffung bis zur Algorithmenoptimierung. Deshalb sind
das Land wie die Kommunen und der Bund mit den eigenen Rechenzentren, der
Bürokommunikation in der Verwaltung und den Hochschulen in der Pflicht, Energie
einzusparen. Beim Land ist die Steigerung des Strombedarfs überwiegend auf den
Strombedarf der IT zurückzuführen. Handlungsbedarf sehen wir in der Beschaffung,
im Bezug von Ökostrom, und bei CO2-neutralen Rechenzentren. Das Land Baden-
Württemberg muss dabei vorangehen. Auch die großen Digitalisierungsprogramme des
Landes und der Städte und Gemeinden, die vom Land bei der Digitalisierung
unterstützt werden, müssen in allen Bereichen, von der E-Akte über Tablets in
der Schule bis zur Landesstrategie Künstliche Intelligenz, klimaneutral werden.
Handeln gegen den Rebound-Effekt
Mit Hilfe der Digitalisierung können wir viel effizienter und mit weniger
Ressourcenbedarf wirtschaften, arbeiten und mobil sein. Damit dieses Potenzial
genutzt werden kann, darf es nicht dem Rebound-Effekt zum Opfer fallen. Dieser
beschreibt das Phänomen, dass eingesparte Ressourcen umgehend zu mehr Verbrauch
führen. Unser politisches Ziel ist es, den Rebound-Effekt zu minimieren. Ein
Beispiel ist das autonome Fahren, das wir im Land mit dem Testfeld Autonomes
Fahren und im Strategiedialog Automobilwirtschaft vorantreiben. Wir wollen, dass
das autonome Fahren nicht zu einer reinen Veränderung des motorisierten
Individualverkehrs führt, sondern setzen auf einen individualisierten und
flexiblen neuen öffentlichen Verkehr wie autonome Kleinbusse im 24-Stunden-
Betrieb – ein neuer iÖPNV, der zur Verlagerung auf den effizienteren
Verkehrsträger beiträgt. Autonome Fahrzeuge können leicht zu zusätzlichem
Verkehr mit Leerfahrten und unendlichem Parksuchverkehr führen – darum gehört
unser Einsatz für das autonome Fahren und unser Einsatz für die Bepreisung des
öffentlichen Raums untrennbar zusammen.
Digitale Innovation massiv fördern
Der globale Klimaschutz braucht neue Ideen, die bisher noch niemand gedacht oder
noch niemand entwickelt hat. Darum setzen wir mit der von der grün-geführten
Landesregierung ins Leben gerufenen Digitalisierungsstrategie des Landes massiv
auf offene Innovation, deren Ergebnisse nicht politisch vorgegeben sind. Die
bereits greifbaren digitalen Innovationen für den Klimaschutz bringen wir in die
Fläche. Zum smarten Verkehr gehören Echtzeit-Apps und komfortables Ticketing für
den ÖPNV und die vernetzte Mobilität. Videokonferenzen und Teleworking sind
moderne Tools der Verkehrsvermeidung. Wir wollen sie im öffentlichen Dienst mehr
nutzen. Die digitale Steuerung der Energienetze, besonders des Stromnetzes, ist
entscheidend dafür, 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen. Darum ist das Land
bereits Vorreiter bei Smart Grids. Der Ausgleich zwischen Erzeuger und
Verbraucher*innen kann unter anderem durch Deep Learning zur Mustererkennung
noch besser gesteuert werden. Die notwendige Forschung dazu wird in Karlsruhe
betrieben. Im Bereich der Produktion gilt schon heute: Ungesteuerter Verbrauch
von Ressourcen verschwindet. Digital ist effizient! In Baden-Württemberg machen
sich Unternehmen auf, Wirtschaft 4.0 umzusetzen. Dabei unterstützt das Land zum
Beispiel eingebettete Sensoren und Echtzeit-Datenanalyse in der Produktion, die
den Rohstoffverbrauch und den Energiebedarf senken und gut fürs Klima sind.
Dafür steht unser Projekt der Ultraeffizienzfabrik.
III Ausblick: Leben innerhalb der planetaren
Grenzen
Unser Planet ist erschöpft. Wir leben über unsere Verhältnisse. Und die
Klimakrise hat unabsehbare Folgen auf das gesamte Ökosystem der Erde. Das
zerstörerische, ressourcenverbrauchende Wachstum der Industrieländer hat keine
Zukunft. Wir wollen die planetaren Grenzen achten und hinterfragen Wachstum
kritisch. Der „Earth Overshoot Day“ schreitet immer mehr in die Mitte des
Jahres. An diesem Tag sind nicht nur die endlichen Ressourcen, sondern auch die
nachwachsenden eines Jahres verbraucht. Wir haben das technische Wissen, Wege
aus der Krise zu finden. Baden-Württemberg als eine der reichsten Regionen
Europas und der Welt erkennt seine historische Verantwortung an, diese
ökologische Evolution voranzutreiben. Wir werden unseren Anteil zur Bekämpfung
der Klimakrise leisten und Vorreiter sein, um zu beweisen: Wohlstand und
wirtschaftliche Prosperität sind möglich, ohne dauerhaft auf Kosten des Planeten
zu leben und zu wirtschaften. Mit Beginn unserer grün-geführten Regierung in
Baden-Württemberg haben wir Fenster und Türen aufgestoßen. Das war dringend
nötig. Veränderung braucht Mut und entschlossenes Handeln. Wir begreifen die
Evolution hin zu einer klimaneutralen, dekarbonisierten Gesellschaft als eine
immense Chance. Das Ende des fossilen Industriezeitalters kann der Beginn einer
neuen, begeisternden grünen Wirtschaft sein. Einer Wirtschaft, die Wohlstand
sichert und gleichzeitig Natur achtet und schützt.
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